Vorsprung in der Bundesliga:Bayern sagt die Revolution ab

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Die Entscheidung am 18. Spieltag - und vielleicht auch schon in der Saison: Robert Lewandowski erzielt sein 23. Tor in dieser Spielzeit, das 2:0 gegen Schalke 04. (Foto: Maik Hölter/Team2)

Allerorts in Europa stürzen die Favoriten, nur Deutschland ist ein Ort stabiler Verhältnisse. Bayern-Trainer Flick hat Sorgen, die Klopp oder seine Kollegen bei Real und Juventus gerne hätten.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

"Wir haben viele Schritte in die richtige Richtung gemacht", sagte der Trainer nach der Niederlage gegen den Tabellenführer am Sonntag. Von der nächsten Bestätigung des Abwärtstrends will sich der erfahrene Coach nicht aus der Ruhe bringen lassen. Niemand müsse sich Sorgen machen, dass er nicht weiterhin an sein Team glaube, versicherte er, "daran gibt es keinen Zweifel, was nicht heißt, dass wir nicht selbstkritisch wären".

Diese Sätze hätte Christian Gross, 66, nach dem 0:4 des FC Schalke gegen Bayern München sprechen können, er hätte damit ein wohlwollendes, aber nicht unpassendes Fazit vom Treffen der beiden Klubs am Wochenende gezogen. Die Aussagen stammen jedoch von Jürgen Klopp, der zurzeit eine ebenso überraschende wie unangenehme Entdeckung gemacht hat: Seine erfolgsgewohnte Mannschaft hat das Gewinnen verlernt. Dem 0:1 im Punktspiel gegen einen Klub namens FC Burnley folgte jetzt das 2:3 im Pokal gegen den Tabellenersten Manchester United.

Klopps Problem ist kein vereinzeltes Phänomen in Europa. Die Alte Welt ist noch nicht in Aufruhr, aber mindestens in bewegter Unordnung. England, Spanien, Italien, Frankreich, überall müssen die etablierten Herrscher um ihre Macht und mit ihrer Fehlbarkeit kämpfen. Bloß Deutschland ist wieder ein Ort der stabilen Verhältnisse. Vor einigen Tagen wollte das Volk noch an eine Umwälzung glauben, als der FC Bayern beim Zweitligisten Kiel aus dem Pokal flog und in Mönchengladbach als Verlierer vom Feld ging, aber die Kräfte der Restauration haben schnell zurückgeschlagen. Nicht der Hauch von Revolution liegt mehr in der Luft.

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"Manchmal machen wir das Spiel zu langsam"

Als Hansi Flick am Sonntag im menschenleeren Presseraum in Gelsenkirchen saß, redete er deswegen nicht über den sich anbahnenden nächsten Gewinn der Meisterschaft und über die Tabelle, in der seine Bayern neuerdings wieder sieben Punkte Vorsprung haben, sondern über ein paar geringfügige Sorgen, die Jürgen Klopp oder seine Kollegen bei Real Madrid und Juventus Turin gerne hätten. Flick ist bereits in den Alltag als Fußball-Lehrer zurückgekehrt, in dem ihn nicht das Gefüge an sich fordert, sondern kleinteilige Fachfragen beschäftigen. Um zu beschreiben, was ihn beim Spiel gegen Schalke gestört hatte, suchte der Trainer mühselig nach den passenden Worten, und am Ende formulierte er einen Satz, der weder für Überschriften taugt noch Hoffnung für einen spannenden Meisterschafswettstreit erkennen lässt: "Manchmal machen wir das Spiel zu langsam, manchmal gehen wir zu viel Risiko."

Tatsächlich hat der notdürftig formierte Tabellenletzte Schalke 04 während dieser wahrhaft vertrackten Saison noch nie so oft den Torschuss versucht wie am Sonntag gegen den Triple-Giganten. Suat Serdar und Mark Uth schossen sogar ziemlich scharf, aber mit dem Respekt vor Manuel Neuer und seinen vier Meter langen Gummiarmen auch jedes Mal so platziert, dass sie das Ziel knapp verfehlten. Damit die Gegner künftig wieder mehr Abstand halten, treibt der FC Bayern nun sogar die Sondierung fürs defensive Personal voran. Mit RB Leipzigs Abwehrmann Dayot Upamecano hat Flick laut Kicker bereits ein Gespräch geführt. "Es war zu einfach für Schalke", monierte er diesmal, weit weg von Beunruhigung.

Der Konkurrenz triumphierend die Faust zu zeigen nach einer Woche mit drei Siegen, das ist nicht der Stil von Hansi Flick. Die alten Reflexe von Oliver Kahn sind aber in der Mannschaft vorhanden, sie werden bloß anders geäußert. Von Joshua Kimmich zum Beispiel, der sich während des Spiels über beinahe jeden Ballgewinn der Schalker beim Schiedsrichter beschwerte, weil er die Entwendung eines Münchner Balls durch Dritte offenbar prinzipiell als Ordnungswidrigkeit betrachtet, oder vom doppelten Torschützen Thomas Müller, der zufrieden den Rückrundenstart bilanzierte: "Wir wollten es zu einem Bayern-Spieltag abrunden." Bayern-Gegner werden gequält aufschreien über den in dieser Äußerung enthaltenen Besitzanspruch, Bayern-Freunde werden ihn als vorschriftsmäßigen Ausdruck der Klubideologie begrüßen. Es sind die alten Signale. Dass Leroy Sané trotz eines engagierten Auftritts mit sich selbst nicht zufrieden war, was er nach seiner Auswechslung auch niemandem verborgen hat, das hielt sein Trainer nicht für nötig, aber auch nicht für verkehrt: "Wenn er heute unzufrieden ist, dann ist es seine Entscheidung", meinte Flick.

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Das Resultat vom Sonntag ist als Etappensieg wahrzunehmen

Neulich erst hatten Experten unter Hinzuziehung psychologischer Fachlektüre spekuliert, ob die Münchner nach einer Saison mit so vielen Titeln überhaupt den Ehrgeiz für die Fortsetzungsgeschichte entwickeln könnten. Doch schon die heftig berührte Reaktion auf das Kieler Pokal-Aus hatte gezeigt, dass den führenden Vertretern des Teams kein Pokal zu klein oder zu vertraut ist, um ihn nicht noch mal gewinnen zu wollen. Das Resultat vom Sonntag ist somit lediglich als Etappensieg wahrzunehmen. Flick kam nicht umhin, die Wirkung zu bestätigen ("Wir haben die Vorlage der Konkurrenz verwertet"), aber eine Vorentscheidung für die Saison? "Absoluter Quatsch!" Sieben Punkte Vorsprung sind nach seiner Auffassung nicht mehr als "ein gewisses Polster".

Während die Schalker sich anstrengten, um ihre ehrenwerte Gegenwehr als Ermutigung für den Abstiegskampf zu deuten, rühmte Flick den Ausflug in den Westen als weitere Annäherung an die vorgeschriebene Maximalposition ("müssen noch etwas tun, um die Dominanz wiederzuerlangen") und als Einstimmung auf die Wiederaufnahme der Champions League in drei Wochen. Lazio Rom ist dann der Gegner im Achtelfinale, das selbstredend nur ein Zwischenziel darstellt. Nach dem neuesten Stand der Dinge sieht es so aus, als könnten die Bayern im Alltagsgeschäft der Liga ein paar Kräfte für die Aufgaben in Europa schonen - anders als die übliche Konkurrenz aus Spanien, Italien und England.

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