FC Bayern:19 Warnungen für Flick

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Die Bayern kassieren derzeit zu viele Gegentore - findet Trainer Hansi Flick. (Foto: Getty Images)

Dass beim FC Bayern gerade öfter der Torwart der Hauptdarsteller ist, weist auf Herausforderungen in der Defensive hin - passend dazu ist gerade erstaunlich ungewiss, wer in Zukunft für den Rekordmeister verteidigt.

Von Sebastian Fischer, München

Es gehört zu den Dilemmata im Leben von Torhütern, dass ihre besten Leistungen oft nur mit Einschränkungen Begeisterung auslösen. Manuel Neuer, Torwart des FC Bayern, hat mal wieder ziemlich viel Herausragendes gezeigt am Mittwochabend, beim 3:1 gegen RB Salzburg. Er wehrte Versuche aus verschiedenen Winkeln ab, aus nächster Nähe, inklusive dazugehöriger Nachschüsse. Einmal reichte wohl seine bloße Präsenz, um den für seine Schusstechnik gepriesenen Salzburger Dominik Szoboszlai derart zu verstören, dass der Ungar allein vor dem Münchner Tor meterweit zu hoch zielte.

"Ich finde einfach, er ist in der Form seines Lebens", sagte Trainer Hansi Flick nach dem Spiel, was auch deshalb bemerkenswert war, weil Flick als Assistenztrainer beim DFB einst verfolgte, wie Neuer, 34, bei der WM 2014 seine wohl bislang berühmtesten Paraden zeigte. Doch es war auch bemerkenswert, weil der FC Bayern zuletzt nicht gegen die besten Mannschaften der Welt angetreten ist, sondern gegen Werder Bremen und RB Salzburg. "Es ist wirklich sensationell, wie er Großchancen pariert, uns Gegentore erspart. Er hatte das ein oder andere zu tun", sagte Flick. Und dann: "Für mich zu viel."

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Der Bayern-Keeper ist wieder einmal in der Form seines Lebens. Was das bedeutet, ist beim 3:1 gegen Salzburg deutlich zu sehen - doch seine Paraden weisen auch auf einen Widerspruch hin.

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Der FC Bayern steht in der Champions League nun schon nach dem vierten Spieltag als Gruppensieger und Teilnehmer des Achtelfinales fest. Drei Monate nach dem Sieg im Finale von Lissabon hat sich wenig daran geändert, dass die Münchner jederzeit die beste Mannschaft des Kontinents sein können. 46 von 51 Spielen mit ihm als Trainer habe das Team gewonnen, sagte Flick, "was will ich da zur Mannschaft sagen?"

Und Neuer, dessen Interviews derart das Spektakel seiner Paraden konterkarieren, dass es fast schon wieder spektakulär ist, sagte: "Wir sind ja überall vorne, Sorgen mache ich mir keine." Doch er registriert natürlich auch, dass er nicht nur in der Nationalelf hinter einer Abwehr steht, die sehr viele Schüsse auf sein Tor zulässt, sondern auch in seinem Hauptjob für die offiziell beste Mannschaft Europas gerade erstaunlich viel zu tun hat.

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11:19 lautete die Torschussbilanz aus Münchner Sicht am Mittwoch, Flick machte dafür "zu viele unnötige Ballverluste" verantwortlich, Fehlerminimierung, dieses Thema spreche er immer wieder an. Eine Erklärung für ein paar Abspielfehler zu viel ist sicherlich, dass Joshua Kimmich nach seiner OP am Außenmeniskus zurzeit fehlt, immerhin einer der passsichersten Münchner und in zentraler Rolle mit Spielaufbau und Ordnung beauftragt. Zugang Marc Roca, 23, der Kimmich an der Seite von Leon Goretzka auf der Sechserposition erstmals vertrat, schlug sich bis zu seiner gelb-roten Karte nach 66 Minuten respektabel, doch ihm auf Anhieb ähnliche Präsenz zuzutrauen, wäre wohl vermessen.

Eine weitere Erklärung für zu viele Torchancen für den Gegner beinhaltet in der Regel die eigene Abwehr. Nun ist es zwar insbesondere in Flicks offensivem System vorgesehen, dass das Verteidigen konsequenterweise bei den Angreifern beginnt; jeder Ball, der dem Münchner Tor nahe kommt, ist somit eine Folgeerscheinung vorhergegangener Versäumnisse. Andererseits passte das Spiel am Mittwochabend auf gewisse Weise in die Gesamtsituation beim FC Bayern. Denn wer in Zukunft für den Rekordmeister verteidigt, das ist ja gerade erstaunlich ungewiss.

Nachdem der FC Bayern sein Angebot zur Vertragsverlängerung mit David Alaba zurückgezogen hatte, kam während der vergangenen Länderspielpause das Gerücht hinzu, der Klub plane auch den ebenfalls im nächsten Sommer auslaufenden Vertrag von Jérôme Boateng nicht zu verlängern. Nachdem sich zunächst Flick öffentlich dagegen aussprach, dass Boatengs Abschied beschlossen sei, sagte am Mittwoch nun auch Vorstandsmitglied Oliver Kahn im Sky-Interview, dass man mit einem verdienten Spieler wie Boateng, 32, "natürlich" Gespräche führen werde. Aber da war längst Gesprächsstoff über den nächsten Innenverteidiger in der Welt.

Niklas Süle fehlte im zweiten Spiel nacheinander, weil Flick ihm nach acht Tagen Quarantäne wegen eines positiven Corona-Tests und der anschließenden Reise mit der Nationalmannschaft "Trainingsrückstand" attestiert hatte. Und auch wenn sich Flick um entsprechende Moderation bemühte und die lange Verletzungspause des Verteidigers während der Vorsaison betonte: Trainingsbedarf beim 1,95 Meter großen Süle bedeutet stets, dass Kritiker die Kilos an seinem Körper ganz genau zählen.

Die brenzligste Szene des Spiels in Bezug auf die kommenden Wochen war somit vielleicht gar nicht unbedingt eine der vielen, in denen Torwart Neuer aushalf. Nach knapp einer Stunde hielt sich Rechtsverteidiger Benjamin Pavard nach einem Foul den Fuß. Flick ersetzte ihn danach durch den selbst noch angeschlagenen Lucas Hernández. Auf der linken Seite hatte bereits ersatzweise der junge Amerikaner Chris Richards, 20, begonnen, weil der verletzte Bouna Sarr nicht im Kader stand.

Hernández zeigte dann allerdings, dass er wieder fit ist, auch bei Pavard erwarte er keine "größeren Probleme", sagte Flick. Dass sich die Viererkette trotz der hohen Belastung dieser Saison zumindest ein bisschen weiter einspielt, dürfte demnächst also wieder möglich sein. Und zur Not wird sehr wahrscheinlich auf Manuel Neuer wieder Verlass sein. "Man tut ja, was man kann", sagte er.

© SZ vom 27.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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