Bayern in der Champions League:Bloß weit weg vom eigenen Tor

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Robert Lewandowski trifft zum 1:0 für den FC Bayern. (Foto: Getty Images)

Der FC Bayern gewinnt gegen Salzburg mit 3:1 und zieht vorzeitig ins Achtelfinale der Champions League ein - obwohl die Abwehr nicht immer souverän steht.

Von Sebastian Fischer, München

Hansi Flick war 24 Jahre alt, ein junger Verteidiger neben Klaus Augenthaler in der Abwehr des FC Bayern, an jenem 19. April 1989 in München, an den er sich am Mittwochabend erinnerte. Die Bayern trafen damals im Rückspiel des Halbfinales im Uefa-Cup auf den SSC Neapel, 2:2 endete das Spiel nach einem 2:0 für die Italiener im Hinspiel. Doch legendär war die Begegnung schon mit dem Aufwärmen: Die Spieler von Napoli absolvierten ihr gewöhnliches Programm unter Anleitung eines Fitnesstrainers, alle, außer Diego Maradona. Der tanzte zur Musik mit dem Ball, und der Ball tanzte mit ihm, auf der Hacke, dem Kopf, der Schulter.

Flick, der Trainer des FC Bayern, erinnerte sich im Sky-Interview mit einem Lächeln an diese Szenen; was für eine Freude Maradonas Kunst gewesen sei für die Zuschauer, die danach auch noch zwei Torvorlagen des Künstlers sahen. Und Flick sagte: "Es ist sehr traurig, dass er so früh gestorben ist. Zu seiner Zeit war er der beste Spieler, den es gab auf der Welt. Er war einfach ein genialer Fußballspieler."

Die Begegnung des FC Bayern gegen RB Salzburg begann mit einer Schweigeminute für den am Mittwoch verstorbenen Maradona; sie begann nicht mit großer Kunst, an die sich Zuschauer noch lange erinnern werden, Zuschauer waren natürlich ohnehin keine da. Es war aber immerhin eine Partie, in der es für den Titelverteidiger schon am vierten Spieltag um die Qualifikation fürs Achtelfinale der Champions League ging. Das gelang den Münchnern mit einem 3:1 (1:0), dem 15. Sieg in Serie in diesem Wettbewerb. Das erste Tor schoss Robert Lewandowski (43.), das zweite lenkte der Salzburger Maximilian Wöber ins eigene Tor (52.), das dritte erzielte der eingewechselte Leroy Sané (68.).

Eine Frage, die es für Flick vorher zu beantworten galt, war die nach der Besetzung des Zentrums der Münchner Elf. Joshua Kimmich wird nach seiner OP am Außenmeniskus erst im neuen Jahr zurück erwartet, auch Corentin Tolisso war angeschlagen. Neben Leon Goretzka spielte im defensiven Mittelfeld deshalb Marc Roca, der nach seinem Wechsel von Espanyol Barcelona nach München bislang in der Bundesliga nur für ein paar Sekunden eingewechselt worden war.

Was Flick gemeint hatte, als er von der Gewöhnungszeit des Spaniers an den Münchner Fußball gesprochen hatte, wenn er bislang nach ihm gefragt worden war, das war zu sehen, wenn Roca in den Anfangsminuten den Ball forderte, ohne ihn zugespielt zu bekommen. Es war noch deutlicher zu sehen, als Roca seinem Gegenspieler Zlatko Junuzovic zweimal auf den Fuß trat und nach 66 Minuten die gelb-rote Karte sah. Es war allerdings in diesen 66 Minuten auch zu sehen, was Flick gemeint hat, als er über den 23-Jährigen sagte, dass er die vergangenen zwei Wochen für gutes Training genutzt habe.

Dass es sich auf dem Platz aber nicht um die bestmögliche Mannschaft des FC Bayern handelte, war immer dann zu erkennen, wenn die Salzburger nach Ballgewinnen schnell angriffen. Beim Münchner 6:2 im Hinspiel vor drei Wochen hatte es der Außenseiter mindestens 70 Minuten lang geschafft, die Partie ausgeglichen zu gestalten. Diesmal hätte Salzburg nach 35 Minuten in Führung gehen müssen, nach einem weitestgehend ungestörten Angriff über die linke Seite landete der Ball bei Dominik Szoboszlai. Allerdings zielte der für seine Schusstechnik berühmte Ungar allein vor Manuel Neuer weit übers Tor. In der 15. Minute war bereits Mergim Berisha nach einem Fehlpass von David Alaba allein vor und an Neuer gescheitert, der auch in der zweiten Halbzeit seine Mannschaft noch ein paar Mal mit herausragenden Paraden vor Gegentreffern bewahrte. "Es ist wichtig, dass wir jetzt bereits Gruppensieger sind. Das ist ein klarer Schritt in die richtige Richtung", sagte Neuer nach dem Spiel. Zu seiner eigenen Leistung sagte er: "Man tut, was man kann." Die Münchner Abwehr lief nicht in Bestbesetzung auf, für den leicht angeschlagenen Lucas Hérnandez begann auf der linken Seite der Viererkette Chris Richards, 20, der in der Bundesliga immerhin schon mal als Rechtsverteidiger in der Startelf gestanden hatte. Gerade in der ersten Hälfte wirkte der US-Amerikaner unsicher, auch Alaba unterliefen einige Fehler. In der zweiten Hälfte wurde das besser, die einfachen Ballverluste wurden weniger, doch die Bayern-Abwehr machte weiter nicht den stabilsten Eindruck. Als Hernández für den ebenfalls angeschlagenen Benjamin Pavard gekommen war, erzielten die Salzburger durch Berisha in der 73. Minute ein längst verdientes Tor. Wenn die Spielrichtung vom eigenen Tor weg zeigte, trugen allerdings auch die Verteidiger zum Gelingen bei, Jérôme Boateng etwa. Und sobald der Ball weit vom eigenen Tor weg ist, hat der FC Bayern in dieser Saison bekanntlich kaum noch Probleme. Lewandowskis wichtiges Tor zum 1:0, das er mit einer Ablage mit der Hacke auf Thomas Müller selbst einleitete, war bereits sein 71. in der Champions League.

Ein paar Stunden zuvor war er für die Wahl zum Weltfußballer nominiert worden. Einen Preis, der seit 1991 vergeben wird. Etwas zu spät für die Kunst Maradonas, an die Hansi Flick dachte.

© SZ vom 26.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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