1:5 in Frankfurt:Der FC Bayern zieht sich geschlossen zurück

Lesezeit: 3 min

Kassierte seit seiner Zeit auf Schalke keine fünf Gegentore mehr in einem Spiel: Manuel Neuer. (Foto: Alex Grimm/Getty)
  • Der FC Bayern verliert 1:5 in Frankfurt. Die Chefetage und die meisten Spieler schweigen nach dem Spiel.
  • Nur Kapitän Manuel Neuer äußert sich. Er meint, so etwas hätte sich "angebahnt".
  • Nach der roten Karte gegen Jérôme Boateng haben die Münchner kaum noch Innenverteidiger - und in einer Woche kommt Borussia Dortmund.

Von Tim Brack, Frankfurt

Ein Sprichwort besagt, Angriff sei die beste Verteidigung. Das wird gerne geraten, wenn jemand in Bedrängnis gerät. In Frankfurt war der FC Bayern in Bedrängnis geraten, schlimmer noch, er war untergegangen. 1:5 (1:2) verlor die Mannschaft von Trainer Niko Kovac bei seinem ehemaligen Verein. Eine Kommunikationsoffensive starteten die Münchner Spieler aber erst gar nicht, um sich nach dem Debakel zu verteidigen. Es war nach der Leistung auf dem Platz auch nicht anzunehmen, dass die Bayern im Moment wissen, was die "beste Verteidigung" ist.

Der Rettungsplan der Bayern-Profis sah dann ein wenig aus wie eine Flucht. Die Mixed Zone, in der die Journalisten warten, um mit Spielern und Verantwortlichen zu reden, blieb verwaist. Die Spieler hatten sich schnell und geordnet (wovon zuvor auf dem Spielfeld wenig zu sehen war) in den Mannschaftsbus zurückgezogen. Auch die Führungsetage um Sportdirektor Hasan Salihamidzic, Präsident Uli Hoeneß und den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge blieb stumm. Das alles zeichnete das Bild einer Mannschaft, die bedient ist.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Mit Boateng beginnt das Debakel

Boateng fliegt als letzter Mann und vorletzter Innenverteidiger vom Platz, Neuer muss sich Frankfurter Gesänge anhören und Lewandowski kann nicht immer alles retten. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Vom Tim Brack, Frankfurt

Nur Kapitän Manuel Neuer sprach ein paar Sätze in das Mikrofon des ZDF. "Das ist kein riesiges Wunder. Das hat sich angebahnt", sagte der Torhüter, nachdem er erstmals im Bayern-Trikot fünf Mal in einem Ligaspiel überwunden wurde. So ein Unglück war ihm zuvor nur in seiner Schalker Zeit gegen Werder Bremen (1:5, 2008) Kaiserslautern und Nürnberg (beide 0:5, beide 2010) widerfahren. Aber beim FC Bayern? Sein Fazit zu diesem Spiel verheißt nichts Gutes. Die Münchner sahen das Debakel kommen, konnten es aber nicht abwenden. Machtlos hatte man sich beim FC Bayern wohl zuletzt gefühlt, als der Klub 1:5 beim VfL Wolfsburg verlor (2009).

Wer soll nun gegen Dortmund in der Innenverteidigung spielen?

Als mildernde Umstände hätten die Bayern, wenn sie denn gesprochen hätten, anführen können, dass sie ab der neunten Minute in Unterzahl spielten. Innenverteidiger Jérôme Boateng hatte Goncalo Paciencia mit einer Notbremse gestoppt. Nach Ansicht der Videobilder korrigierte Schiedsrichter Markus Schmidt seine anfängliche Entscheidung von Gelb und Strafstoß hin zu Rot und Freistoß. Doch der redselige Neuer wollte diesen Umstand nicht gelten lassen. "Das hat es natürlich nicht leichter gemacht", sagte Neuer: "Dennoch darfst du keine fünf Dinger bekommen. Wir sind nicht konsequent in der Verteidigung."

Die Beweise für Neuers Fazit hatte die Mannschaft zuvor über 90 Minuten erbracht. Beim 1:0 durch Filip Kostic (25.) reagierten die Bayern zu pomadig nach dem geblockten Schuss von Djibril Sow. Neun Minuten später landete wieder ein Abpraller bei den Frankfurtern, diesmal traf Sow selbst. Nun könnte man sagen, das sei Glück. Doch schon zuvor hatten sich Joshua Kimmich und Benjamin Pavard von den flinken Frankfurter leicht überlisten lassen. Eine bezeichnende Szene, die Mannschaft von Adi Hütter wirkte in jedem Moment gedankenschneller.

Die Bayern fanden auch anschließend nicht in die entscheidenden Zweikämpfe im letzten Drittel. Dabei hatte Kovac erst unter der Woche gefordert, seine Mannschaft müsse Zweikämpfe annehmen, führen und am besten noch gewinnen. In Frankfurt war davon nichts zu sehen. So spielte sich die Eintracht mit ihren Fans im Rücken in einen standesgemäßen Rauschzustand. David Abraham traf (49.), Martin Hinteregger wurde bei einer Ecke vernachlässigt (61.) und bei Paciencias Schlusspunkt war das Münchner Mannschafsgefüge schon längst zerbröselt.

16 Gegentore haben die Bayern schon gesammelt

Für Kovac wird es nach der roten Karte für Boateng noch schwerer, einen Innenverteidiger aufzutreiben. Der 31-Jährige wird mindestens ein Spiel gesperrt fehlen - und als nächstes kommt Borussia Dortmund nach München. Niklas Süle (Kreuzband) und Lucas Hernandez (Sprunggelenk) fehlen weiter verletzt. Der einzig nominelle Innenverteidiger ist noch Pavard.

Viele Alternativen bleiben Kovac also nicht für seinen Abwehrblock. Eine hatte er mit David Alaba, der erstmals seit 2017 wieder als Innenverteidiger in der Startelf stand, in Frankfurt bereits ausprobiert. Nach fünf Gegentoren kann man sagen: Das Experiment ist nicht gelungen. Der Österreicher war fast genauso überfordert wie Nebenmann Pavard. Später wechselte Kovac noch Javi Martínez ein und beorderte ihn in die Innenverteidigung.

Die Abwehrprobleme der Münchner werden diese aufgezwungenen Wechselspiele eher verschärfen, als dass sie Heilung bringen. 16 Gegentore haben sich auf ihrem Konto angesammelt, mehr haben nur Mannschaften, die auf Platz zwölf und tiefer stehen. Kovac war neben Neuer der einzige, der versuchte, die deftige Niederlage in seiner alten Heimat zu erklären. Es kam auch die Frage nach seiner Zukunft: "Mein Gefühl ist nicht wichtig, diejenigen die das zu entscheiden haben, sind die, die letzten Endes gefragt werden müssen." Nur war keiner von denen zu sprechen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Niko Kovac nach dem 1:5
:"Ich gebe auch jetzt nicht auf"

Bayern-Trainer Niko Kovac äußert sich nach dem 1:5 in Frankfurt kämpferisch. Er zieht Parallelen zur Vorsaison - doch Unterstützung von den Bossen bekommt er nicht.

Von Johannes Aumüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: