FC Bayern München:Gewagter Flügeltanz

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Trainer Louis van Gaal will in der Rückrunde auf eine neue Startelf setzen - mit Ribéry und Robben als Mittelfeldaußen. Kann das gutgehen oder wird die Ausrichtung zu offensiv?

Moritz Kielbassa

Denkste, sagte Matthias Sammer dieser Tage, "so einfach ist der Fußball nicht", man lasse sich gerne fehlleiten von solchen Milchmädchenrechnungen. Der DFB-Sportdirektor und TV-Experte sollte zu folgender Gleichung seine Einschätzung liefern: Man nehme den FC Bayern, der vor der Winterpause von Sieg zu Sieg eilte, addiere die bisher verletzten Solokünstler Franck Ribéry und Arjen Robben noch hinzu, und heraus kommt - fürchte dich, Bundesliga! - eine Übermannschaft, die in der Rückrunde wie eine Lawine alle Gegner plattwalzt. Sammer weiß, dass derartige Überlegungen komplexem Mannschaftssport nicht gerecht werden. Er selbst war einer jener ostdeutschen Fußballer, nach deren Ankunft im vereinten Land der scheidende Teamchef Franz Beckenbauer die Nationalelf für "unschlagbar" erklärte, "auf Jahre hinaus". Ein schöner Irrglaube.

Spielten bisher nur selten gemeinsam im Trikot der Bayern: Franck Ribéry (links) und Arjen Robben. (Foto: Foto: AP)

Nach menschlichem Ermessen, natürlich, wird der FC Bayern noch besser spielen. Mit Ribéry links und Robben rechts. Als Flügelzange. So ist es am Taktikbrett geplant, seit die Bayern zu dem einen dribbelnden Ausnahmefußballer den anderen dribbelnden Ausnahmefußballer dazukauften. Erst einmal, beim 3:0 gegen Wolfsburg im vorigen August, bekam das Publikum einen Vorgeschmack auf Zickzack-Konterspaß mit diesen zwei Freigeistern, die in atemraubender Geschwindigkeit Verteidiger ausmanövrieren. Zuletzt fehlten beide längere Zeit, Robben gilt als verletzungsanfällig, Ribéry neuerdings auch. Beim Rückrunden-Auftakt, an diesem Freitag gegen Hoffenheim, wird Robben zurück erwartet - Ribéry erst eine Woche später in Bremen: "Er hat zwei Monate nicht trainiert, er muss noch Ausdauer aufbauen", verfügte Trainer Louis van Gaal.

Wechsel im Erfolgsteam

Im 3:1 gewonnenen Test am Dienstagabend beim FC Basel begann der FC Bayern in derselben Formation wie vor Weihnachten, Ribéry und Robben arbeiteten daheim im verschneiten München an ihrer Kondition. Dies sei der "Wermutstropfen" einer ansonsten störungsfreien Vorbereitung, sagt Sportdirektor Christian Nerlinger. Ein zentrales Ziel des Trainingslagers war, die beiden ins zuletzt sportlich wie menschlich homogene Teamgefüge einzugliedern. Doch während Robben wieder mitübte und am Freitag Danijel Pranjic im Mittelfeld ablösen könnte, versäumte Ribéry das Taktikseminar in Dubai komplett, wegen seiner entzündeten Zehen. "Mit ihm wären wir noch stärker", sagt van Gaal säuerlich.

Trotzdem, und das meint Matthias Sammer, ist es immer knifflig, wenn exponierte Spieler in eine siegreiche Elf hineinstoßen. Mit Robben und Ribéry wird der FC Bayern anders spielen: spektakulärer, anarchischer, individueller, durchsetzungsstärker. Aber auch die taktische Ausgewogenheit zählt. Zuletzt passte die Balance zwischen Abwehr und Angriff, es wurde zügiger und variantenreicher nach vorne gespielt als in den zähen Anfangsmonaten, auch die Breite des Feldes wurde genutzt. Die gefundene Grundordnung, 4-4-2, soll bleiben - auch, damit die Topstürmer Gomez, Olic und Klose (derzeit in Wartestellung) zumindest um zwei Plätze streiten können. Für Ribéry und Robben sind die Seitenposten im Mittelfeld reserviert, so hatten es Trainer und Vorstand beim Kauf von Robben vereinbart. Ein kühner Versuch wäre das - falls wirklich mal alle fit sind. Denn der nicht mehr wieselflinke Mark van Bommel wäre dann der einzige im Mittelfeld mit defensiver Kernkompetenz.

Neben ihm ist Bastian Schweinsteiger als zweiter Sechser gesetzt: "Er ist ein Spieler für die Mitte", weiß van Gaal inzwischen, "er war zuletzt überragend", doch trotz verbesserter Zweikampfhaltung hat er Offensiv-Gene. Dazu das angriffsfreudige holländisch-französische Außenbahnduo, kann das gutgehen? Oui, oui, versichert Ribéry: "Arjen ist einer der Besten der Welt, ich freue mich, mit ihm auf den Flügeln zu tanzen" (Sport-Bild), beide wechseln auch gerne spontan die Seiten. Auch Stürmer Gomez empfängt sie mit Wohlwollen, vor allem Robbens Laufwege helfen ihm: "Er kommt oft nach vorne und reißt mir Räume frei."

"Keine lange Seifenoper"

Van Gaal kontert Bedenken, sein Plan sei riskant, mit simpler Logik: Wenn Ribéry und Robben Dauerdominanz erzeugen, könne zwangsläufig "der Gegner nicht so oft angreifen". Er schränkt aber problembewusst ein: "Beide müssen in diesem System defensiv mitarbeiten, tun sie das nicht, muss ich es wieder ändern." Die geplante Statik ist ein Kompromiss zwischen van Gaals Vorliebe, 4-3-3, und dem vom Vorstand aus Tradition gern gesehenen 4-4-2. Man kann die Sache so oder so aufmalen, weil sich ein Stürmer oft hinter dem anderen tummelt, und die Mittelfeldaußen quasi Angreifer sind.

Bei Ribéry bleibt, unabhängig von alldem, das Reibungspotential hoch. Der Trainer verweigert dem Filou Sonderrechte, auch er darf nur bei hundert Prozent Fitness spielen - weshalb Ribéry neulich äußerst missgelaunt bei der Weihnachtsfeier saß. Dessen Vertrauensverhältnis zu Präsident Uli Hoeneß hält van Gaal für schwierig ("wenn ein Spieler im Klub eine Anlaufstation hat, hat das Einfluss"). Immerhin attestierte er Ribéry diese Woche vorbildliche Trainingsarbeit. Und der Franzose gelobte, die Entscheidung über seine Zukunft werde "keine lange Seifenoper", sondern bald erfolgen. Es gebe auch keinen Vorvertrag in Madrid: "Bayern ist der erste Ansprechpartner."

© SZ vom 14.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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