Bayern-Niederlage in Gladbach:Irritiert im Dämmerzustand

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Blick nach unten: Leon Goretzka (links) und Joshua Kimmich. (Foto: Martin Meissner/dpa)

Das 2:3 in Mönchengladbach legt offen, dass die Münchner derzeit weit von ihrer gewohnten Souveränität entfernt sind - Trainer Flick windet sich, um nicht allzu harsch zu klingen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Freunde, Fans und Gönner, die sich am Freitagabend zwischen 21.05 und 21.40 Uhr um ihren FC Bayern sorgten, weil dieser zwischen der 35. und der 49. Minute eine 2:0-Führung verspielte und durch drei aufeinanderfolgende Gegentreffer 2:3 in Mönchengladbach verlor, erhielten anschließend Trost von zwei diplomierten Fußball-Sachverständigen. Der eine war der Bayern-Trainer selbst, Hansi Flick. Er sagte unaufgeregt: "So eine Niederlage gehört auch für den FC Bayern mal dazu." Der andere war der Gladbach-Trainer Marco Rose. Er bilanzierte nüchtern: "Der FC Bayern bleibt der FC Bayern."

Das klang beruhigend für alle irritierten Fans, die sich fragen, was in letzter Zeit eigentlich los ist mit ihrer sonst so souveränen Lieblingsmannschaft. Erst geriet sie seit November in acht Bundesliga-Spielen nacheinander acht Mal 0:1 in Rückstand und musste sich jedes Mal zurück kämpfen, um letztlich nicht ein einziges dieser acht Spiele zu verlieren. Und dann, als der Übungsleiter Flick vor dem Gastspiel in Gladbach ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass man diesmal aber "von der ersten Sekunde an" hellwach sein müsse, waren die Münchner Fußballer tatsächlich von der ersten Sekunde an hellwach.

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Sie lagen durch Treffer von Robert Lewandowski (20., Handelfmeter) und Leon Goretzka (26., Fernschuss) vorne - bloß, um dann in einen 15-minütigen Dämmerzustand zu verfallen, den Gladbachern drei Mal großzügig den Ball zu überlassen und ihnen drei Mal hinterherzulaufen, ohne die sich anbahnenden Gegentreffer zu verhindern.

Zwei Tore durch Jonas Hofmann auf Steilvorlage von Lars Stindl (35. und 45.) sowie eines durch Florian Neuhaus auf Quervorlage von Hofmann (49.) bedeuteten nicht nur die zweite Münchner Niederlage dieser Bundesliga-Saison, sondern auch die Liga-Gegentreffer 22 bis 24 und damit die Bestätigung dafür, dass die Balance momentan nicht ganz stimmt. "Diese Dinge sind aktuell nicht schön", sagte Flick, der sich um harschere Formulierungen sichtlich wandte, "daran müssen wir arbeiten die nächsten Wochen, diese Dinge stellen wir in den Fokus."

Die Statistik zum Spiel zeigte, dass fatalistische Urteile in der Bayern-Analyse nicht unbedingt nötig sind. 63 Prozent Ballbesitz, 15:8 Torschüsse, 8:3 Ecken und 16:3 Flanken belegen, dass die Münchner dominant spielten und sich relevante Möglichkeiten erarbeiteten. "Die ersten 30 Minuten waren unsere besten seit Langem", fand der Mittelfeldmann Goretzka gar.

Es ist noch nicht so lange her, da hätten die Bayern eine 2:0-Führung nach 26 Minuten aber nicht nur locker heimgespielt, sondern eher noch ausgebaut. Doch ihr Prinzip, "sehr hoch zu stehen", wie Gladbachs Trainer Rose erklärt, macht sie anfällig für genau jene Gegentreffer, die Stindl und Hofmann in der 35. und 45. Minute derart lehrbuchmäßig herausspielten, dass sie in der Videoanalyse der Münchner zum Standardwerk werden könnten.

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Stindl beförderte den Ball beide Male strammen Schusses durch die Nahtstellen der Viererkette in den großräumigen Rücken derselben und fand dort den sprintenden Hofmann an, der seine Chancen allein vorm Welttorhüter Manuel Neuer kaltblütig ausnutzte. "Diese Zuspiele müssen dann aber auch perfekt kommen", erklärte Rose, "und auch die Laufwege müssen perfekt sein."

So perfekt und millimetergenau waren Stindls Zuspiel und Hofmanns Laufweg beim 2:2 kurz vor der Pause, dass der Video-Assistent Christian Dingert einige Zeit benötigte, um die zunächst angezeigte Abseitsstellung aufzuheben. Besser und präziser kann man es nicht machen.

"Diese Pässe waren dann auch schwer zu verteidigen", entschuldigte Angreifer Thomas Müller die Abwehrmänner Benjamin Pavard, Niklas Süle, David Alaba und Alphonso Davies, die als letzte Reihe einer hochstehenden Mannschaft am Ende halt immer die Dummen sind. Und Neuer. Aber der war bei allen drei Gegentreffern machtlos. "Viel mehr tiefe Duelle als die beiden vor den ersten beiden Gegentreffern haben wir auch gar nicht verloren", sagte Müller. Sein Kollege Goretzka beklagte allerdings nicht die verlorenen tiefen Duelle, sondern die vorangegangenen Ballverluste. "Die waren verheerend."

Vor dem 1:2 in der 35. Minute war es ein unsauberes Anspiel von Pavard auf Leroy Sané (allerdings unter hohem Druck der Gladbacher) und vor dem 2:2 in der 45. Minute an der Mittellinie ein unsauberer Kurzpass von Davies auf Joshua Kimmich, der vom ballerobernden Stindl aber auch ganz schön hart ausgebremst wurde. Die beiden prallten stumpf zusammen, Schiedsrichter Harm Osmers ließ die Szene aber laufen.

Vor dem 2:3 in der 49. Minute war es schließlich ein viel zu schwach geschossener Kurzpass von Süle auf Pavard, den die Gladbacher erobern und Neuhaus zum Torschuss aus 16 Metern in Stellung bringen konnten. "Wir machen da momentan den einen oder anderen Fehler zu viel", sagt Flick, "vielleicht benötigen wir mehr Konzentration, wir müssen auf jeden Fall die Tiefe besser absichern."

Von diesen drei Szenen abgesehen, sei es aber "eine geschlossene Mannschaftsleistung" gewesen, fand Flick. "In der zweiten Halbzeit", monierte Müller, "haben wir aus unseren Chancen dann auch zu wenig gemacht, das Spiel hätte schon auch 3:3 ausgehen können." Für Flick letztlich spielentscheidend: "Gladbach war brutal effizient." Ein Urteil, das er im Jahr 2020 meist seiner eigenen Mannschaft machen konnte. Aber momentan gilt das für die Bayern eher nicht.

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