Bayern verliert 2:3:Zwei Tore sind zu wenig

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Muss an diesem Abend dreimal hinterherschauen: Bayern-Torhüter Manuel Neuer (li.). (Foto: Getty Images)

Erstmals seit Ende Oktober geht der FC Bayern in einem Bundesliga-Spiel in Führung - und gibt die Partie gegen furiose Gladbacher noch aus der Hand.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

"Thank God it's Friday", lautet eine englischsprachige Lebensweisheit. Man benutzt sie, wenn Gott sei dank die Arbeitswoche vorbei ist. Dass auch die Fußballer vom FC Bayern München den Freitag eigentlich schätzen, hat mit Erholung nichts zu tun. Sie hatten in Freitagsspielen zuletzt zwei Mal nacheinander jeweils acht Tore geschossen: im August in der Champions League gegen den FC Barcelona (8:2) und im September in der Bundesliga gegen Schalke (8:0). Das waren äußerst verheißungsvolle Referenzen für das Freitagabend-Spiel bei Borussia Mönchengladbach, aber auf acht Tore sind sie nicht gekommen. Auch nicht auf sechs oder vier. Sondern nur auf zwei.

Zwei Treffer haben am Niederrhein aber nicht gereicht, um die Gladbacher zu besiegen. Die Bayern haben zwar bereits nach 26 Minuten 2:0 geführt, zur Pause stand es aber schon nur noch 2:2 und am Ende verloren sie tatsächlich sogar mit 2:3. "Gladbach war sehr effizient, sie haben drei Fehler von uns brutal ausgenutzt", sagte der Münchner Trainer Hansi Flick. "Kleinigkeiten haben entschieden: Fehler von uns, Ballverluste, in der Verteidigung einige nicht so gute Aktionen."

In der Tat, das durfte man durchaus so sagen. Ob das Resultat der "richtigen Haltung" und jener "Dynamik" angemessen war, die Flick von seinen Spielern zuvor eingefordert hatte, muss nun die interne Analyse ergeben. Prognose? Eher nicht. Der Münchner Vorsprung in der Tabelle vor den nur im Verfolgerfeld auffindbaren Gladbachern beträgt noch neun Punkte.

Hinrundenspiele gegen Gladbach waren für die Bayern schon in den vergangenen Jahren keine erquickliche Angelegenheit gewesen. Drei von vieren hatten sie bereits seit 2015 verloren. Bei den Gladbachern haben Yann Sommer, Nico Elvedi und Lars Stindl jeden dieser Siege mitgemacht. Alle drei standen auch diesmal auf dem Feld und konnten ihre diesbezüglichen Erfahrungen bestens einbringen.

Bei den Münchnern war man zunächst gespannt gewesen, wen Flick als Außenverteidiger nominiert. Das war zuletzt ja einer der wenigen wunden Punkte gewesen. Wenn man Gladbachs Trainer Marco Rose fragt, welchen Spieler vom FC Bayern er sich für seine Borussia wünschen würde, dann zählt er die ganze Mannschaft auf, aber Außenverteidiger wie Benjamin Pavard oder Alphonso Davies nennt er nicht auf Anhieb. Flick berief sie trotzdem wieder in die Startelf. Neu nominierte er dafür in der Innenverteidigung Niklas Süle (für Jérôme Boateng), im Mittelfeld Leon Goretzka (für Corentin Tolisso) und auf dem linken Flügel Douglas Costa (für den verletzten Serge Gnabry) statt Kingsley Coman.

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"Von der ersten Sekunde an!", hatte Flick vor dem Anpfiff beim Sender Dazn gemahnt, wolle er eine hellwache Mannschaft sehen. Das war für seine Verhältnisse ein ziemlicher Rüffel, der natürlich darauf abzielte, dass seine Mannschaft in zuvor acht Bundesliga-Spielen nacheinander mit 0:1 in Rückstand geraten waren. Eine lästige Angewohnheit war das gewesen, mit der die Münchner immerhin brechen konnten, weil sich in der 17. Minute ein Gladbacher mit behandschuhten Fingerspitzen im eigenen Strafraum nach dem Ball streckte: Florian Neuhaus, 23, aus dem bayrischen Landsberg am Lech, der Vater glühender Bayern-Fan, berührte den Ball nach einem Lupfer von Davies zwar nur haarfein, ließ dem Schiedsrichter Harm Osmers im Videostudium aber keine andere Wahl. Robert Lewandowski verwandelte den Elfmeter in der 20. Minute zur 1:0-Führung. Erstmals seit dem 31. Oktober in Köln erfuhren die Münchner wieder, wie sich in der Bundesliga eine 1:0-Führung anfühlt. Damals hatte Thomas Müller ein 1:0 erzielt - per Elfmeter.

Für Lewandowski war es im 15. Bundesliga-Saisonspiel bereits das 20. Tor. In 17 Bundesligaspielen gegen Mönchengladbach hatte er zuvor nur vier Mal und damit vergleichsweise selten getroffen. Obwohl die Gladbacher dem Münchner Leon Goretzka in der 26. Minute dann auch noch so viel Platz ließen, dass dieser vom Strafraumrand aus ziemlich unbedrängt das 2:0 hatte schießen dürfen - und das schon wie eine Vorentscheidung aussehen ließ, gewannen die Gladbacher schon bis zur Pause neue Hoffnung zurück. Es erwies sich, dass die Bayern zwar von der ersten Sekunde an recht wach gewesen waren, aber nicht mehr so richtig nach dem 2:0 und einer guten halben Stunde.

Jonas Hofmann erlief zunächst in der 36. Minute und dann gleich noch ein weiteres Mal in der 45. zwei Steilvorlagen von Stindl und verwandelte sie derart kühl, dass die Gladbacher ein 2:2 in die Pause entführten. Für Torwart Manuel Neuer bedeuteten die Gegentreffer außer drohendem Ungemach, dass es wieder nichts wurde mit der Einstellung des Oliver-Kahn-Rekords von 196 Spielen ohne Gegentor.

Über den Angreifer Hofmann sagt sein Gladbacher Trainer Rose bewundernd: "Er denkt sehr vertikal." Diesen Nachweis wollte Hofmann natürlich nicht schuldig bleiben, vermochte dies aber nur deshalb so trefflich umzusetzen, weil sein Kapitän Stindl es mit der Ballrichtung genauso hält. Vertikal ist die Bewegung gen Tor, und wie gut die Gladbacher dies beherrschen, zeigten sie auch gleich nach der Pause schon wieder. Süle spielte einen fatalen Fehlpass, den Hofmann abfing und zu Neuhaus ins Zentrum beförderte. Neuhaus hatte nach seiner Elfmeterschuld ja noch etwas gutzumachen. Und er machte etwas gut. Er schoss aus 18 Metern zur 3:2-Führung ein. Zum Thema 'Relevanz von Wachphasen' wird Flick in den nächsten Tagen erheblich zu referieren haben. "Nach dem 2:3 konnten wir nicht so zurückkommen, wie wir das erhofft haben", gab Flick zu. "Wir müssen uns diese Niederlage selbst zuschreiben."

Gladbach bediente einmal mehr ein saisonales Klischee: gegen champions-league-artige Gegner liefern sie auch champions-league-würdige Leistungen. Nach eigenem Gutdünken spielten die Bayern aber wohl eher nicht so recht im Königsklassenformat. Sie standen nun unter Druck - ergebnistechnisch. Gladbach stand ebenfalls unter Druck - abwehrtechnisch. Ball um Ball flog nun gen extrem dicht behütetes Borussentor, aber ein Treffer wollte nicht mehr gelingen, so dass die Münchner die zweite Saisonniederlage erlitten und am Ende dachten: Gott sei dank ist dieser Freitag vorbei.

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