FC Bayern:Mitunter Weltklasse

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Im Team des FC Bayern scheint es zu rumoren. Doch im Überangebot an starken Stürmern findet sich immer einer, der die wichtigen Spiele entscheidet.

Thomas Hummel

Während rundherum das Volk tobte, die Spieler von einem Eck des Innenraums zum anderen gingen, um sich die Ovationen abzuholen, während der Stadionsprecher beide Fäuste in den Himmel hob und jeder Mitarbeiter des FC Bayern den Drang verspürte, glücksstrahlend seine Nebenmänner zu umarmen, stand Louis van Gaal einsam und steif an der Seitenlinie. Als würde er nicht dazugehören. Allein beobachtet von einem nur einen Meter entfernten Kameramann, der seine Linse unerbittlich auf den Niederländer hielt.

Eine halbe Ewigkeit standen die beiden da mitten im Trubel: van Gaal und der Kameramann. Van Gaal schien nicht zu wissen, was er mit diesen Emotionen, mit diesem zehntausendfachen Freudenausbruch anfangen sollte. Bis endlich der glücksstrahlende Mediendirektor Hörwick den Trainer am Arm nahm und ihn wegzog, hinein in die Katakomben des Münchner Stadions.

Die großen Gefühlsausbrüche und Herzlichkeiten sind nicht das Wohlfühlgebiet des Louis van Gaal. Doch diesmal konnte man fast den Eindruck gewinnen, dass er mit dem Geschehen einfach nichts anfangen konnte. Wie hatte es passieren können, dass sein FC Bayern den Tabellenführer der englischen Premier League, das große Manchester United, derart dominiert hat? Und vor allem mit zunehmender Spieldauer immer besser wurde?

Nur drei Tage zuvor "haben wir gedacht, wir können nicht mehr Fußball spielen", bemerkte Kapitän Mark van Bommel. Zu Hause gegen den VfB Stuttgart hatten die Münchner wie schon eine Woche zuvor in Frankfurt eine 1:0-Führung verspielt, und hatten über 90 Minuten ganze drei nennenswerte Torchancen. Dazu hatte sich Arjen Robben am Muskel verletzt. Angst und Bange war den Bayern-Freunden geworden im Hinblick auf das Duell mit Manchester United.

Bastian Schweinsteiger, die Konstante im Mittelfeld, war ja auch noch gelbgesperrt. Und als dann Martin Demichelis nach 15 Sekunden den Portugiesen Nani tölpelhaft foulte, als er beim folgenden Freistoß ausrutschte und Wayne Rooney nach 64 Sekunden das 1:0 für die Engländer erzielte, da machte sich erster Galgenhumor breit im Münchner Stadion.

Doch der FC Bayern München wird in dieser Saison immer unberechenbarer. Schwache Auftritte in der Bundesliga (Nürnberg, Freiburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart), dazwischen ein hochverdienter Sieg im Pokal-Halbfinale in Schalke (1:0) und nun der hochverdiente Sieg gegen Manchester United (2:1). Teilen die Münchner ihre Kräfte ein? Können sie ihr Höchstniveau nur punktuell abrufen?

Der Eindruck liegt nahe und wäre die folgerichtige Reaktion auf eine fragwürdige Personalpolitik, im Winter den Kader in einem nie gesehenen Ausmaß auszudünnen. Trainer van Gaal misstraute vielen Spielern, sechs wurden deshalb im Winter weggeschickt, teils ausgeliehen, teils verkauft. Und selbst von den Verbliebenen stehen einige weit abseits. Die spannendste Frage vor der Partie gegen United war, wie sich Hamit Altintop im rechten Mittelfeld führen würde. 90 Minuten hatte der Türke zuletzt am 21. Oktober 2009 in Bordeaux absolviert.

In der Bayern-Mannschaft herrscht eine Klassengesellschaft: Hier die Stammkräfte, dort die Ersatzleute. Lediglich im Sturmzentrum rotieren Klose, Gomez und Olic. Sonst gibt es Wechsel nur bei Verletzungen. Dazu genießen vor allem Robben und Franck Ribéry Sonderstellungen, was nicht mehr allen gefällt - und über die sich Miroslav Klose etwa bereits öffentlich beschwerte.

Nach dem Stuttgart-Spiel bemerkten einige Profis: Die können doch nur glänzen, weil wir die Drecksarbeit für sie erledigen. Nach dem Manchester-Spiel sagte der immer stärker gewordene Altintop: "Im Vergleich zu den letzten zwei Monaten war unser Spiel extrem gut. Wir hatten diesmal eine Mannschaft auf dem Platz."

Bislang funktioniert das Gebilde vor allem in den wichtigen Partien. Im Überangebot an herausragenden Offensivspielern findet sich immer einer, der noch das entscheidende Tor erzielt. Mit Mario Gomez und Robben sind die zuletzt Angeschlagenen wieder dabei, Ribéry kommt immer besser in Form.

Das könnte trotz aller Sonderstellungen und interner Debatten dazu führen, dass die Bayern auch die hammerharte kommende Woche überstehen, mit den Auswärtsspielen in Schalke, Manchester und Leverkusen binnen acht Tagen. Und danach wäre für diese Mannschaft unter diesem Trainer alles möglich.

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