FC Bayern München:Und nun: Die Weltherrschaft

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Hat 2001 als Spieler den Weltpokal mit dem FC Bayern München gewonnen: Oliver Kahn (vorne, Mitte). (Foto: Aflosport/Imago)

Als Klubweltmeister mag der FC Bayern für das globale Ansehen des deutschen Fußballs ein Gewinn sein - für die Bundesliga ist die Dominanz der Nimmersatten eher ein Unglück. Und im Hintergrund entwickeln die Klublenker um Oliver Kahn die nächsten visionären Masterpläne.

Kommentar von Philipp Selldorf

Seit dem vorigen Jahr arbeiten Spezialisten und führende Verantwortliche des FC Bayern an einem geheimen Projekt namens "FC Bayern AHEAD". Es geht darin, wie der Titel "ahead"/vorneweg besagt, um nichts Geringeres als die Weltherrschaft. Als Leiter der Operation fungiert ein Mann in mittleren Jahren, der den Decknamen "Titan" trägt. Kenner beschreiben ihn als ehrgeizig und entschlossen. Als er früher im Außendienst des Unternehmens stand, galt er als hochexplosiv, sogar seine Vorgesetzten fürchteten ihn. In einer Befragung gab er an, während seiner Einsätze manchmal drei Kilo Gewicht verloren zu haben - "nicht durch Bewegung, sondern allein durch die Anspannung".

Gut, die Aktion "Ahead" ist nicht ganz so geheim wie einst das CIA-Programm "Artischocke" zur Anwendung von Gehirnwäsche als Verhörmethode, und obwohl Oliver "Titan" Kahn früher tatsächlich ein fanatischer Einzelkämpfer im Tor war, so blieb die Menge an Kleinholz, die er hinterließ, überschaubar. Wahr ist jedoch, dass er mit den Bayern die Weltherrschaft anstrebt, wenn auch vorerst nur im Fußball. Dazu brauche man, erklärte Kahn unlängst, "eine ganzheitliche Klubstrategie, die Komplexität reduziert und Orientierung gibt".

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Was immer er damit sagen wollte, wichtig dürfte ihm sein, dass er es gesagt hat. Bevor er zum Jahreswechsel von Karl-Heinz Rummenigge den Vorstandsvorsitz beim FC Bayern übernimmt, will Kahn sich als Visionär profilieren. Im Moment sieht es allerdings so aus, als bräuchten die Bayern keine Strategie mehr zur Übernahme des Planeten Fußball, denn es hat den Anschein, dass ihnen dieser Planet längst gehört. Kahn muss kein Weltreich erobern, sondern verwalten.

Nach dem Münchner Weltpokalsieg musste die Polizei keine spontanen Straßenfeiern auflösen, es hat solche Feiern in Deutschland nicht gegeben, vielleicht nicht mal in den Wohnzimmern von Bayern-Fans. Der Titel "Klub-Weltmeister" genießt hierzulande wenig Renommee, umso mehr ehrt die Spieler und den Trainer Hansi Flick, wie ernst sie die Sache genommen haben. Der Titel komplettiert ihre Kollektion, und er befördert ihre Erfolge in eine historische Dimension. Lediglich Barcelona hat schon mal innerhalb einer Saison den ganzen Satz verfügbarer Pokale gewonnen.

Pep Guardiola, damals 2009 Trainer der katalanischen Institution, hat sich nun vor die Videokamera gesetzt und seinem Münchner Kollegen und Nachfolger gratuliert. Das war nicht nur eine sehr nette Geste, sondern auch Ausdruck ehrlicher Hochachtung. Neben dem großen Geschäft ist Spitzenfußball immer noch eine sportive Form von Kunst und Kultur. Während Guardiola damals als Dirigent des Tiki-Taka einen stilistischen Maßstab setzte, hat Flick jetzt gegen das mexikanische Team seines brasilianischen Kollegen Tuca - also gegen die Tuca-Taco-Truppe - seine Linie der Effizienz fortgesetzt. Die Münchner Siege seit dem vorigen Sommer rufen das alte Markenzeichen der deutschen Wertarbeit wach. Der Ball kreiselt nicht wie bei Xavi und Iniesta, er nimmt den geraden Weg in Richtung Lewandowski. Flick lässt sein Team aktiv angreifen, aber er verzichtet darauf, das Spiel zu zelebrieren. Sehenswert ist das allemal, der Rest ist Geschmackssache.

Für das globale Ansehen des deutschen Fußballs ist der grandios erfolgreiche FC Bayern ein Gewinn, als Tourist darf man sich dafür in allen Erdteilen bewundern lassen. Für den Wettbewerb in der Bundesliga hingegen bleibt der hyperehrgeizige, sich immer wieder selbst erneuernde FC Bayern ein Unglück. Mit sechs Titeln geben sie sich nicht zufrieden, so viel steht fest, und im Hintergrund läuft bereits dieses enorm visionäre Projekt an. Was der Masterplan wert ist, könnte sich aber schon dann zeigen, wenn irgendwann wieder ein neuer Trainer gefunden werden muss. Meisterlich war es, den Assistenten Flick zum Chef zu küren. Auf so eine Idee muss Oliver Kahn erst noch kommen.

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