Bayern mit 2:0 in Sinsheim:Nagelsmann findet die richtige Mixtur

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Ungewohnte Einwechslung: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (re.) erklärt Königstransfer Sadio Mané, was er gegen Hoffenheim zu tun hat. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Der FC Bayern besiegt Hoffenheim routiniert, auch weil Eric Maxim Choupo-Moting erneut startet und trifft - trotzdem sagt Trainer Julian Nagelsmann: "Für den Kopf" sei es kein einfaches Spiel gewesen.

Von Philipp Schneider, Sinsheim

Das Spiel war gespielt, Bayern München hatte die TSG 1899 Hoffenheim nicht ganz standesgemäß aber doch mit 2:0 besiegt, die zwei Trainer begaben sich zur Pressekonferenz. Und einer von ihnen war selbstverständlich begeistert, er sprach nun so beseelt über den Auftritt seiner Mannschaft, als wäre er Zeuge der Erscheinung von Sinsheim geworden. "Sehr gut" sei sein Team ins Spiel gekommen. Die ersten Minuten habe es die Partie "klar dominiert". Und es sei auch so: "Wir haben den Gegner voll unter Druck gesetzt, haben ihn gejagt - und zu einfachen Ballverlusten gezwungen."

Neben André Breitenreiter saß Julian Nagelsmann, er war in diesem Moment zufällig damit beschäftigt, einen Schluck aus seiner Wasserflasche zu nehmen. Keine Chance also, aus seiner Mimik zu schließen, was er wohl dachte über die Lobpreisung des Trainers der Hoffenheimer. Und es war ja so: Breitenreiter Analyse war nicht einmal falsch. Sie ließ sozusagen nur Teile der Wahrheit aus. Überraschend war, wie stark Hoffenheim loslegte. Aber noch überraschender war, wie stark Hoffenheim einbrach - leider schon nach 20 Minuten.

Und so ergab sich in Sinsheim jene für den Zuschauer toxische Mischung aus kurzzeitiger Erregung und längerer Betäubung, die selbst den Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn, bekanntlich ein Meister der Selbstmotivation, nicht gänzlich unberührt lassen konnte. Als er nach dem Abpfiff auf der Tribüne applaudierte, schien er beinahe einzuschlafen.

Euphorie sieht anders aus: Vorstandschef Oliver Kahn (li.) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (2. v. li.) in Sinsheim. (Foto: Matthias Hangst/Getty)

Ach, wie die Zeit verfliegt ... Wenige Wochen ist es erst her, da hatte Kahn nach dem Schlusspfiff getobt wie ein Derwisch, nachdem seine Mannschaft in der Schlussphase noch eine 2:0-Führung gegen Dortmund verspielt hatte. Es ist halt manchmal nicht einfach, die richtige Mischung zu finden, um seinen Chef weder zu langweilen, noch in Rage zu treiben. Für Nagelsmann allerdings war die Mixtur am Samstagnachmittag genau die richtige. Er war vom Auftritt seiner Mannschaft sogar noch begeisterter als Breitenreiter von dem der Hoffenheimer. Weil es ja "für den Kopf" kein einfaches Spiel gewesen sei, wie Nagelsmann referierte.

Ach nein? Oh nein! Gerade weil seine Mannschaft nach Kahns Ausraster mit drei Siegen in drei unterschiedlichen Wettbewerben gegen Pilsen (Champions League), Freiburg (Bundesliga) und Augsburg (Pokal) so erfolgreich war, erklärte Nagelsmann. "Und dann kommt so ein Spiel, wo deine Mannschaft entweder noch einen Schritt weiter geht - oder doch nur einen Tick weniger, weil sie zuletzt so gut war."

Sadio Mané erlebt gerade die volle Amplitude des Daseins eines Fußballprofis

Wer nun dachte, sie sei vielleicht doch einen Tick weniger gegangen als beim begeisternden 5:0 gegen Freiburg, dem konnte der Bayern-Trainer eine Statistik entgegenhalten: "Bis zur 35. Minute hatten wir 71 Prozent Zweikampfquote. Das ist für Bayern München, die generell viel den Ball haben, schon außergewöhnlich gut und sehr gierig." Tatsächlich. Und war "Gier" nicht zufällig gefordert worden von Kahn nach dem Dortmund-Spiel?

Am Samstag geschah es erstmals, dass ein hochgefeierter 32-Millionen-Euro-Transfer einem auf der Ersatzbank vergessenen 33-Jahre-Stürmer von Anfang an weichen musste. Sadio Mané erlebt gerade die volle Amplitude des Daseins eines Fußballprofis, beim Ballon d'Or wurde er kürzlich als zweitbester Spieler des Planeten ausgezeichnet. Von der Preisverleihung flog er zum Pokalspiel nach Augsburg, wo er so auftrat, als stehe er noch mit einem Fuß auf dem roten Teppich im Théâtre du Châtelet in Paris. Früh wurde er ausgewechselt, schaute sehr traurig von der Bank. Nun saß er gleich zu Beginn auf selbiger. Und kam nach 61 Minuten in ein bereits entschiedenes Spiel - für Kingsley Coman, der einen Pferdekuss erhalten hatte, der aber wohl "keine strukturelle Verletzung" bewirkte, wie Nagelsmann klarstellte.

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Zum dritten Mal nacheinander betraute der Bayern-Trainer dafür Eric Maxim Choupo-Moting mit einem Einsatz in der Startelf - zum dritten Mal dankte er es ihm: Gegen Freiburg schoss er ein Tor, bereitete eins vor, leitete eins ein. Gegen Augsburg gelangen ihm zwei Tore und eine Vorlage. Und nun traf er auch noch gegen Hoffenheim. Wer nun eins und eins zusammenzählt, der könnte mit der sicher zugespitzten, wenngleich nicht ganz falschen Theorie glänzen, dass die Rückkehr der von Kahn geforderten Gier zeitlich zusammenfiel mit dem Comeback des Eric Maxim Choupo-Moting.

Ob er ein Geheimnis habe, wurde der Stürmer nach dem Spiel gefragt. Nein, kein Geheimnis, antwortete er. "Wir trainieren gut. Ich trainiere auch persönlich gut."

Jamal Musiala bereitet den Bayern den Weg

Mit dem Mut derjenigen, die nichts zu verlieren haben, attackierten die Hoffenheimer ihre Gäste tatsächlich zunächst bei jener wilden "Jagd", von der Breitenreiter sprach. Zehn Minuten dauerte es, ehe die Münchner erstmals mit einem Pass ihren Zielspieler Choupo-Moting fanden - dieser jedoch keinen Weg vorbei an Torwart Oliver Baumann. Um überhaupt einen Weg in den Strafraum zu fräsen, bedurfte es mal wieder der optisch storchenartigen, in Wahrheit aber hasengleich wendigen Beine von Jamal Musiala, dessen wunderbare Vorlage Serge Gnabry nicht nutzte.

Weswegen es Musiala alleine lösen musste. Nach einem Eckball von Joshua Kimmich drang Leon Goretzka von hinten in den Strafraum, verlängerte per Kopf auf Musiala, den diesmal vor dem zweiten Pfosten offenbar niemand decken wollte. Ein Schuss aus spitzem Winkel - die frühe Führung für die Bayern (17.). Goretzkas Luftbrücke war entweder sagenhaft gekonnt, oder aber sensationell verpatzt, weil er in Wahrheit aufs Tor köpfen wollte. Den Bayern durfte das herzlich egal sein.

Seit Wochen treffsicher: Jamal Musiala ist wieder an einem Bayern-Tor beteiligt. (Foto: Sascha Meiser/Jan Huebner/Imago)

Denn den Hoffenheimern fuhr nun derart geschwind der Mut aus ihren blauen Leibchen, dass man meinte, es bis auf die Sinsheimer Tribünen pfeifen zu hören. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Bayern in jenen seltsamen Modus mit lauter verballerten Chancen zurückfielen, den sie in den vergangenen Partien abgestellt haben wollten. Sie erspielten sich Chance um Chance, einmal sogar eine groteske Dreifachchance, als Baumann erst einen Schuss von Goretzka klärte, dann den Nachkopfball von Musiala - und auch noch Comans Nachschuss.

Choupo-Moting schlägt die Doppelbewachung

Und Choupo-Moting? Er gab wieder den selbstlosen Ballverteiler - und war trotzdem genau an der richtigen Stelle, als mal ein guter Pass zu ihm zurückkehrte. Er befand sich eigentlich in aussichtsloser Doppeldeckung zweier Hoffenheimer, als ihn Gnabrys Doppelpass mit derartiger Präzision erreichte, dass er trotz Geleitschutz einschieben konnte (38.). Ulreich rettete gegen Rutter (40.) und Grischa Prömel (45.). Danach, man muss es leider so sagen, trudelte die Partie einem ersehnten Ende entgegen.

Die Bayern sahen keine Notwendigkeit mehr für mitreißenden Fußball, die Hoffenheimer waren offensichtlich zu dem Ergebnis gelangt, dass Widerstand zwecklos war. Dargeboten wurde noch ein Zweikampf im griechisch-römischen Stil zwischen Rutter und Dayot Upamecano, bei dem Letzterer im Gesicht getroffen wurde. Das ist nicht nur im Fußball ein Foul, sondern sogar im Ringen. Die zwei Trainer nahmen die Rangelei zum Anlass, um ihrerseits an der Seitenlinie wie Kampfhähne aufeinander zuzumarschieren. Sie brüllten sich kurz an, ein paar Argumente gab es auch, dann schlugen sie ihre Fäuste bei einem sogenannten Fist bump gegeneinander.

Alles paletti. An diesem Tag, an dem beide Trainer hochzufrieden waren nach einem sehr eindeutigen Sieg der Bayern.

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