FC Bayern:Nur Hummels hält still

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Mats Hummels musste gegen schwache Stürmer aus Hannover wenig tun. (Foto: REUTERS)
  • Beim FC Bayern ist die Stimmung nach dem 4:0 in Hannover wieder viel besser.
  • Nur bei Mats Hummels ist nicht klar, wie er damit umgeht, kein Stammspieler mehr zu sein.

Von Thomas Hahn, Hannover

Pirmin Schwegler gehörte zu denen, die selbst drin waren in diesem Albtraum vor 49 000 Zuschauern. Er hatte mintgrüne Hemden gesehen, die sich in hoher Geschwindigkeit bewegten, weiße Hosen von hinten, Fersen von Fußballschuhen, und ab und zu auch einen Ball, der wie eine unerreichbare Beute über den Rasen schnellte. Dieses Spiel gegen den FC Bayern kam dem Mittelfeldspieler von Hannover 96 vor wie ein Ereignis zwischen Wirklichkeit und schlechter Fantasie.

Er konnte nur versuchen, den Außenstehenden zu erklären, wie es gewesen war da draußen in den Fängen des Rekordmeisters. Sein Bericht war kurz, aber präzise. "Man will sich wehren. Man läuft viel hinterher." Ob die Leute ihn verstanden? Er wusste, was sie gesehen hatten. "Aber glaubt mir", sagte er mit matter Stimme, "auf dem Platz hat es sich noch beschissener angefühlt."

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Dieser 4:0-Sieg des FC Bayern beim Abstiegskandidaten Hannover 96 ist so einseitig gewesen, dass er schon wieder interessant war. Was sagt ein Spiel, bei dem sich jede Spannung in einer Art Einbahnstraßen-Erfahrung auflöst? Was bedeutet eine derart klare Angelegenheit für die Widersacher? Wenn ein Rekordmeister auf ein Team aus dem Ligakeller trifft, sind die Rollen im Grunde klar verteilt. Hannovers Trainer André Breitenreiter hatte vor der Partie selbst gesagt, eine 96-Niederlage sei "das Normalste der Welt". Aber dieses Null-vier war nicht mehr normal.

Es war die Aufführung zweier sehr unterschiedlicher Formzustände. Die Bayern strahlten eine Präsenz aus, die von der ersten bis zur letzten Minute andauerte. Sie kombinierten, sie rannten, sie ließen nicht nach. Nur vier Tage nach dem anstrengenden 3:3 in Amsterdam zeigten sie dem Rest der Liga, dass sie das Dominieren nicht verlernt haben.

Und Hannover 96? Die vier Gegentore durch Joshua Kimmich (2.), David Alaba (29.), Serge Gnabry (53.) und Robert Lewandowski (62.) waren noch eine gnädige Strafe für ihr kraftloses Wirken. Andere Zahlen zeigten die Dimension der Chancenlosigkeit besser: 0:14 Ecken. 2:17 Flanken aus dem Spiel. 62:173 Ballaktionen. Nur 42 Prozent gewonnene Zweikämpfe.

Breitenreiter sah seine Mannschaft derart bloßgestellt, dass er schon gar nicht mehr über Fehler sprechen wollte. "Wir brauchen da nicht so viel analysieren. Weil da gibt's nicht so viel." Er sagte: "Wir haben uns zu wenig gewehrt." Die Niederlage offenbarte, dass der neue Tabellenletzte derzeit nicht einmal die Kampfkraft besitzt, einer spielerischen Übermacht zu trotzen.

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Die Begegnung war für beide Mannschaften so etwas wie ein Brückenspiel, eine Pflichtaufgabe zwischen den wichtigeren Kämpfen in ihren jeweiligen Preisklassen. Freiburg und Düsseldorf sind Hannovers letzte Gegner vor der Winterpause, zwei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf. Der FC Bayern spielt am Mittwoch gegen Leipzig, am Samstag in Frankfurt, gegen zwei Vertreter der Spitzengruppe also, gegen welche die Münchner bestätigen müssen, dass sie ihre Schwächephase überwunden haben. In solchen Brückenspielen geht es weniger um Punkte als um die richtigen Zeichen. Deshalb waren die Hannoveraner so niedergeschlagen nach der Begegnung - und die Münchner so gut gelaunt.

Nur bei Bayern-Verteidiger Mats Hummels war nicht klar, wie versöhnt er sich fühlte nach seinem fehlerfreien Einsatz gegen harmlose 96-Stürmer. Trainer Niko Kovac hatte ihn zuletzt auf der Bank gelassen. Ausgerechnet in den Spielen, in denen die Bayern wieder sattelfester wirkten, saß er draußen. Das fällt auf bei einem Weltmeister, und so demonstrativ, wie Hummels stillhielt, konnte man ahnen, dass in ihm drin die Unzufriedenheit grollte. Am Samstag ging er wieder wortlos an den Reportern vorbei. Gespannt wird er auf die Aufstellung für Mittwoch warten. Wenn er in der wieder fehlt, darf er sich als Stammkraft für die leichteren Fälle fühlen.

Aber sonst? Sonnenschein über den Bayern. Diese Leichtigkeit, mit der sie die Hannoveraner umspielt hatten, gab ihnen ein gutes Gefühl. Kovac lobte "mit die beste Leistung in dieser Saison". Allerdings hätte man "die Chancen durchaus mehr nutzen dürfen", räumte Thomas Müller ein, um dann ausführlich über "hohes Balltempo und viel Spaß" zu sprechen. Und höflich nahmen sie die Luxusdebatten an, die sich aus dem Auftritt ergaben. Der starke Thiago besetzte wieder die Sechserposition, Kimmich musste dafür zurück auf den rechten Abwehrflügel.

Schade für den Versetzten? "Ich habe oft gesagt, dass es mir egal ist, wo ich spiele", sagte Kimmich geduldig, ehe er die Episode bestätigte, mit der Hasan Salihamidzic seinen Spielbericht bereichert hatte. Kimmich habe ihm seinen Treffer angekündigt, erzählte der Sportdirektor. So war's, erklärte Kimmich, "und es hat Gott sei Dank geklappt, sodass die Versprechung nicht leer gewesen ist". "Ein Mann, ein Wort", ergänzte Salihamidzic. Die Stimmung war fast süßlich. Aber sie zeigte, dass der FC Bayen wieder mit sich im Reinen ist. Und der 2:0-Schütze Alaba fand: "Darauf kann man aufbauen."

Ob sie es dann wirklich tun, ist eine andere Frage. Und Borussia Dortmund ist immer noch neun Punkte entfernt, wie auch Kimmich bemerkte. Nach den Aussichten auf den nächsten Meistertitel wurde er gefragt und verhaspelte sich prompt in seinem Anspruch, selbstbewusst und trotzdem nicht weltfremd zu sein. "Ich werde immer dran glauben", sagte Kimmich, "aber bei mehr als neun Punkten Rückstand ist der Titel unrealistisch."

"Ich wünsche Hannover 96 alles Liebe", sagte Kovac zum Abschied. Das klang nach Mitleid, aber Mitleid wollten die 96er natürlich nicht. Ein bisschen Stärke wollten sie schon zeigen an diesem Tag, der ihre Schwäche schonungslos aufgedeckt hatte. "Einen auf den Deckel bekommen. Richtig fest, tut auch weh", bilanzierte Schwegler leise, ehe er in einen festeren Tonfall wechselte. "Glaubt mir", sagte er, "wir werden wieder da sein." Nur da zu sein, reicht allerdings selten im Abstiegskampf.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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