FC Bayern:Gegentore mit System

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Jonathan Burkardt überwindet Manuel Neuer zum 1:0 für Mainz 05. (Foto: Pool via REUTERS)

Die Münchner sind im Jahr nach dem Triple weiterhin eine Mannschaft der spektakulären Offensive. Doch die Anfälligkeit der Defensive wird allmählich zum grundsätzlichen Problem für Trainer Hansi Flick.

Von Sebastian Fischer, München

Die Ansprachen des Trainers Hansi Flick sind bei den Fußballern des FC Bayern normalerweise ziemlich beliebt. Man kennt zwar keine Details, die sind streng geheim. Aber es heißt, er verbinde prägnante Anweisungen oft mit kleinen Geschichten, die selbst Profis helfen, die in ihrem Leben schon sehr viele Kabinenreden gehört haben. Flicks Worte in der Halbzeit der Partie gegen Mainz 05, seine erste Pausen-Ansprache des Jahres 2021 also, dürfte den Profis des Rekordmeisters allerdings aus anderen Gründen in Erinnerung bleiben. "Ich kann schon laut werden", erzählte der Trainer, "man lernt ja mit den Jahren dazu."

Nun sind auch hierzu die Details geheim: Ob es sich womöglich um einen Wutausbruch handelte, wie ihn Flick als junger Assistenztrainer von Giovanni Trapattoni in Salzburg zu Beginn des Jahrtausends bestimmt mal miterleben konnte? Ob er vielleicht doch eher sachlich blieb, wie man sich das bei seinem langjährigen Vorgesetzten Joachim Löw vorstellt? Er habe sich "an der Ehre gepackt gefühlt", berichtete jedenfalls stellvertretend Joshua Kimmich. "Es ist wichtig, dass man nicht nur in den Wald schreit", erläuterte Flick dazu. Man müsse den Spielern auch etwas an die Hand geben, "um es besser zu machen".

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So gelang nach einem 0:2 gegen den Tabellenvorletzten zur Pause am Sonntagabend noch ein 5:2, der zehnte Saisonsieg und die Verteidigung der Tabellenführung. Doch wahrscheinlich dürfte Flick das, was er in der Halbzeit sagte, auch in den kommenden Wochen noch beschäftigen.

Der erste Erfolg des neuen Jahres war ein durchaus typischer für den FC Bayern in dieser Saison. Er beinhaltete nicht nur die Saisontore Nummer 18 und 19 des Weltfußballers Robert Lewandowski zum 4:2 und 5:2, sondern auch die nächsten unglaublichen Rettungstaten des Welttorhüters Manuel Neuer in höchster Not - sowie im achten Münchner Spiel in Serie einen Rückstand zum 0:1. Neu war diesmal, dass der Rückstand beinahe zu einem 0:3 angewachsen wäre, hätten Neuer und der Pfosten dies nicht verhindert. Neu war außerdem, wie Flick diesmal seine Elf umbauen musste, damit der FC Bayern im achten Spiel in Serie nicht verlor - und eine beeindruckende Reaktion folgen ließ.

Kimmich zeigt, wie man als Außenverteidiger spielen sollte

Besonders neu war am Sonntag dabei, dass Flick für seine Umstellungen sogar mit einem seiner Prinzipien brach. Er löste die vielgelobte zentrale Achse der Mannschaft auf und verschob Kimmich, erstmals nach seinem Meniskusschaden wieder in der Startelf, zur Pause aus dem Mittelfeldzentrum auf die Rechtsverteidigerposition. Zuletzt hatte er dort im Champions-League-Finale ausgeholfen, aber diesmal war anders als damals niemand verletzt. Kimmich habe gezeigt, sagte Flick, "wie man einen Außenverteidiger interpretiert". Der ausgewechselte Benjamin Pavard, sollte das heißen, hatte das zuvor versäumt. Auch Alphonso Davies auf der linken Seite unterliefen viele Fehlpässe.

"Gerade bei den Außenverteidigern ist es wichtig, dass wir weniger Fehler machen, und dass wir nach vorne Impulse setzen", sagte Flick. Kimmich leitete sein eigenes Tor zum 1:2 selbst ein, bereitete das 2:2 durch Leroy Sané vor und schlug den Eckball vor dem 3:2 durch Niklas Süle, alles innerhalb von 20 Minuten. Doch es war danach Kimmich selbst, der im TV-Interview sagte, dass es so eigentlich nicht weitergehen könne: "Wenn man sieht, wie viele Spiele wir haben, ist es sehr anstrengend, wenn du immer wieder einem Rückstand hinterherlaufen musst."

Strenger Blick am Spielfeldrand: Hansi Flick konnte auch diesmal eine Lösung für die Münchner Abwehrprobleme finden, ... (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Sechs Partien erwarten den Rekordmeister allein noch im Januar. Im Februar folgt die Klub-WM in Katar und das Achtelfinale der Champions League gegen Lazio Rom. Die fehlende Trainingszeit zwischen den Spielen führt Flick seit Monaten als einen der Hauptgründe für die Anfälligkeit in der Defensive an, für bereits 21 Gegentore, mehr als Augsburg und Wolfsburg. Doch es wird in dieser Saison weiterhin kaum Gelegenheiten für taktische Einheiten geben, genauso wie es weiterhin kaum möglich sein wird, dass sich eine Viererkette in der Abwehr einspielt - ein weiterer Grund, den Flick häufig anführt.

... denn selbst Manuel Neuer kann nicht jede Chance vereiteln wie hier gegen Jonathan Burkardt. (Foto: GÜNTER SCHIFFMANN/REUTERS)

Und so dürften sich den Gegnern, zum Beispiel Borussia Mönchengladbach am Freitag, wohl weiterhin solche Gelegenheiten bieten wie jene systemimmanente und deshalb exemplarische, die am Sonntag zum Führungstor führte: Ein schneller Stürmer, in dem Fall der Mainzer Jonathan Burkardt, läuft einem der stets weit vorgerückten Verteidiger davon, in dem Fall Jérôme Boateng. Fehler, die zu Ballverlusten und Kontern führen, lassen sich bei hoher Belastung wohl auch nicht immer vollständig vermeiden - genauso wie es ähnlich kompliziert bleibt, diese Fehler noch in der gegnerischen Hälfte im Gegenpressing zu korrigieren.

Anfang Dezember, als die Bayern beim 3:3 gegen Leipzig dem vierten Rückstand in Serie hinterhergelaufen waren, hatte Flick einmal über die Möglichkeit taktischer Veränderungen an der offensiven Ausrichtung gesprochen. Allerdings hatte er da schon eingeschränkt: "Für die letzten vier Spiele in diesem Jahr." In den letzten beiden Spielen 2020 stellte er dann in einer sogenannten asymmetrischen Kette einen dritten Innenverteidiger auf, nämlich Niklas Süle, der die Rechtsverteidigerposition defensiv interpretieren sollte. Gegen Mainz spielte aber rechts in einer symmetrischen Kette bis zu seiner Auswechslung wieder der in dieser Saison bisher anhaltend formschwache Pavard.

Und nun? Kimmich, betonte Flick, habe seine Lieblingsposition trotzdem weiterhin in der Mitte. Das riskante System betont trotz der momentanen Probleme in der Defensive weiterhin die unaufhaltbaren Stärken des FC Bayern in der Offensive. "Im Moment brauchen wir immer einen Weckruf, um Vollgas zu geben", sagte Leroy Sané. Vielleicht muss Hansi Flick seine Stärken bei der Halbzeitansprache in den kommenden Wochen also noch ein paar Mal ausspielen.

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