5:2 gegen Mainz:Bayern sehnt sich nach weniger Spektakel

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Strenger Blick am Spielfeldrand: Hansi Flick konnte auch diesmal eine Lösung für die Münchner Abwehrprobleme finden, ... (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Sogar der Tabellenvorletzte Mainz 05 bringt den FC Bayern in ernste Schwierigkeiten. Das Comeback der Münchner nach 0:2-Rückstand gelingt - doch Trainer Flick muss laut werden.

Von Martin Schneider

Gerade ist ja die Zeit der wackelnden Bundesliga-Rekorde. Schalke 04 jagt Tasmania Berlins Sieglosserie, Robert Lewandowski ist Gerd Müllers 40 Toren pro Saison auf den Fersen, aber die Bestmarke, die die beste Abwehr der Bundesliga-Geschichte aufstellte, die scheint relativ sicher zu sein. Nur unglaubliche 17 Gegentore kassierte dieses historische Bollwerk in 34 Spielen, nur jedes zweite Spiel ein Gegentreffer, die Gegner verzweifelten damals in der Saison 2015/16 an Manuel Neuer, Jérôme Boateng und David Alaba.

David Alaba war zwar damals noch Linksverteidiger, heute ist er Abwehrchef, aber es ist eine schöne Klammer der Geschichte, dass auch genau diese drei am Sonntag die Münchner Verteidigung bildeten, als der in dieser Saison mit der Bundesliga weitgehende überforderte 1. FSV Mainz 05 den Bayern die Gegentore 20 und 21 einschenkte - nach 14 Spielen. Das sind mehr als Augsburg hat (19).

Einzelkritik FC Bayern
:Kimmich bläst das Jagdhorn

Der Münchner hat genug Willensstärke für sechs bis zwölf Tore, Corentin Tolisso schreit den Rasen an und Thomas Müller profiliert sich als Vorbereiter. Der FC Bayern gegen Mainz in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider

"Man muss auch sagen, dass wir Glück hatten, dass Mainz nicht das dritte Tor macht", sagte Joshua Kimmich nach dem 5:2-Sieg des FC Bayern und er hätte auch noch "und das vierte Tor" sagen können. Denn Mainz hatte in der ersten Halbzeit zwei gute Chancen, die nur dank Manuel Neuer nicht den Weg ins Netz fanden, und traf in der zweiten Halbzeit Pfosten (Danny Latza, 48. Minute) und Latte (Robin Quaison, 59.). "Wir wissen alle, dass die erste Halbzeit nicht das war, was wir uns vorstellen", meinte Trainer Hansi Flick.

Flick stellt in der Halbzeit um

Es war ein ungewöhnlich spektakuläres Spiel, wenn man bedenkt, dass der Vorletzte beim Tabellenführer antrat. Jonathan Burkardt traf nach einem Konter, Alexander Hack per Kopfball nach einer Freistoßflanke. Vor allem das erste Gegentor war symptomatisch für die Bayern in dieser Saison - die Mannschaft steht hoch, verliert den Ball, bekommt keinen Zugriff und dann muss der alte Recke Boateng in ein Eins-gegen-eins-Duell. Zwar reklamierte der intensiv Foul, doch Burkardt hatte durchaus einen Punkt, wenn er meinte: "Ich habe ganz normal mit dem Körper gearbeitet, gegen einen Mann, der wahrscheinlich 20 Kilo mehr wiegt als ich."

Nun gehört zur Geschichte dieses Spiels natürlich auch, dass Hansi Flick in der Halbzeit eingriff, Boateng (nach gelber Karte) und Benjamin Pavard (der offensiv wirkungslos blieb) durch Leon Goretzka und Niklas Süle ersetzte, Joshua Kimmich zum Rechtsverteidiger machte und so das kampfstarke Zentrum der Mainzer zu umspielen versuchte. "Die Umstellungen haben uns gutgetan und waren letztendlich richtig. Aber es ging auch darum, dass wir die Zweikämpfe angenommen haben", meinte Flick.

Entwarnung bei Gnabry

Der erneut starke Kimmich, der seit seiner Rückkehr nach Verletzung an fast jedem Bayern-Tor beteiligt war, traf per Kopf (50.), bereitete Leroy Sanés sehenswertes Tor nach Robben-Dribbling vor (56.) und schlug den Eckball zu Süles Führung (70.). Robert Lewandowski erzielte dann seine Saisontore 18 und 19 per Elfmeter (76.) und Fernschuss (83.). Leichte Entwarnung gab es beim ausgewechselten Serge Gnabry - bei ihm wurde eine Schienbeinprellung diagnostiziert.

Zum achten Mal geriet der FC Bayern in Rückstand, zum achten Mal verhinderte die Mannschaft eine Niederlage, meistens drehte das Team das Spiel noch in einen Sieg, Thomas Müller bezeichnete die Serie der Rückstände schon nach dem Spiel gegen Leverkusen (2:1 nach 0:1) als "Running Gag" und Kimmich verwies darauf, dass Comeback-Qualitäten natürlich schön seien, aber: "Wenn man sieht, wie viele Spiele wir haben, ist es sehr anstrengend, wenn du immer wieder einem Rückstand hinterherlaufen musst."

Hansi Flick wurde nach eigenen Angaben in der Halbzeitpause deutlich ("Ich kann schon laut werden, man lernt ja mit den Jahren dazu") und es konnte ihm ja auch nicht gefallen, was er sah. Es scheint so, als hätten sich viele Gegner ein Vorbild an Werder Bremen genommen, das Ende November ein 1:1 in der Arena holte und das wie Mainz die Spielfeldmitte schloss und schnell konterte.

Am Freitag wartet Gladbach

Dass der FC Bayern unter Flick sehr risikoreich spielt, ist nicht neu, neu ist allerdings, dass die Absicherung nach hinten nicht mehr so greift wie in Flicks Anfangszeit. Flick selbst erklärt sich das mit einer nichteingespielten Abwehr und während er in der vergangenen Saison mit der Formation Davies-Boateng-Alaba-Kimmich die Champions League gewann, rotieren in dieser Saison Lucas Hernández und Niklas Süle immer wieder in die Formation. Außerdem fehlte Alphonso Davies lange verletzt und der junge Kanadier - immer noch eine Attraktion bei jedem Antritt - fiel gegen Mainz auch mit mehreren gefährlichen Ballverlusten auf, die zu Kontern führten.

Gleichzeitig ist das laufintensive Verteidigen in einer Saison mit einem Pflichtspiel alle vier Tage kaum aufrechtzuerhalten. Aber eine kraftsparendere Alternative hat Flick noch nicht gefunden, oder seine Mannschaft setzt es noch nicht um. Man müsse das "sehr schnell ändern", meinte der Trainer.

Kommenden Freitag spielt Bayern gegen Gladbach, nicht direkt ein Spiel zum Kräftesparen, danach geht es im Pokal gegen Kiel und zum Abschluss der Hinrunde gegen die eher unangenehm zu spielenden Augsburger und Freiburger. Keine Giganten, aber sie wissen mittlerweile, dass gegen diese Bayern immer was geht. Und Augsburg hat ja sogar die bessere Abwehr.

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