FC Bayern:Frühe Lösung oder späte Lösung?

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Befinden sich in der Trainersuche in einer schwierigen Situation: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß. (Foto: dpa)
  • Der FC Bayern möchte gerne am kommenden Montag eine Lösung in der Trainerfrage präsentieren.
  • Entweder ist es eine große Lösung sofort (dann wohl Thomas Tuchel) oder eine Übergangslösung bis Sommer (dann wohl Julian Nagelsmann).
  • Derzeit erscheint jede Option möglich. Der Vorstand diskutierte am Montag den ganzen Tag.

Von Christof Kneer, München

Carlo Ancelotti hat etwas getan, was sie in München schon länger von ihm erwartet haben. Er hat sich erklärt. Nein, er werde in dieser Saison weder den AC Mailand noch irgendeine andere Mannschaft übernehmen, sagte Ancelotti gegenüber italienischen Medien, er werde sich "die nächsten zehn Monate erholen".

Am Ende ist sich Ancelotti aber auch nach seiner Entlassung beim FC Bayern treu geblieben: So richtig viel erklärt hat er dann doch nicht. In München hätten die Leute von "Verrat, falscher Taktik, Verschwörungen und falscher Vorbereitung gesprochen", meinte er, aber er selbst mache es lieber "wie dieser italienische Schriftsteller, für den das Schweigen eine Tugend war. Also lieber weiter schweigen und nachdenken". Das ehrt Ancelotti natürlich, und klar: Warum sollte er den Bayern jetzt auch zorniges Zeugs hinterher rufen, wenn er dafür doch den Kaugummi aus dem Mund nehmen müsste? Bei Bayern finden sie inzwischen ja, dass Ancelottis Stärke (Unaufgeregtheit) gleichzeitig seine Schwäche ist (Unaufgeregtheit). Er habe auch intern wenig kommuniziert, sagt ein Verantwortlicher, und am Ende habe man nicht mehr gewusst, wo der Trainer mit dieser Mannschaft eigentlich hin wolle.

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Das 2:2 in Berlin zeigt, dass den FC Bayern auch ohne Carlo Ancelotti viele Probleme plagen. Franck Ribéry fällt einem Medienbericht zufolge für den Rest der Hinrunde aus.

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Ja gut, und dass Jérôme Boateng vor dem Spiel in Paris erst um halb sieben erfahren habe, dass er auf der Tribüne sitze, das gehe natürlich auch nicht.

Ob es Ancelotti im Stillen amüsiert, dass sie bei Bayern jetzt alle Anti-Ancelottis sein müssen? Jedenfalls muss gerade sehr ausführlich kommuniziert werden an der Säbener Straße, gerne auch mal aufgeregt, die Lage ist ja selbst für diesen Superroutinier unter den Spitzenklubs einigermaßen neu. Um diese Jahreszeit muss der FC Bayern sonst nie auf den Markt, und so haben Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportdirektor Hasan Salihamidzic am Montag zum Beispiel von zehn Uhr morgens bis zum frühen Abend diskutiert. An diesem Mittwoch wollen sie weitersitzen und weiterdiskutieren, um vor allem diese Grundsatzfrage zu klären: Braucht der Klub jetzt sofort die große und endgültige Lösung auf der Trainerbank, also wohl Thomas Tuchel? Oder kann der Klub es sich leisten, die Bank bis zum nächsten Sommer mit einem Übergangstrainer anzuwärmen, um die große und endgültige Lösung (also wohl Julian Nagelsmann) erst dann zu präsentieren?

Bis zum Wochenende, so heißt es im Klub, wolle man sich Zeit lassen, im Moment stehen dank der Länderspielpause ohnehin kaum Spieler zum Trainieren auf dem Platz. Aber spätestens am nächsten Montag - so sieht es ein interner Fahrplan mal vor - würde man den neuen Mann schon gern vorstellen.

Die Bayern sind von der Dynamik des Falles selbst überrascht worden, im Grunde staunen sie immer noch, dass sie gerade ihren Trainer entlassen haben. Aber nach Ansicht der Paris-Aufstellung haben sie es mit der Angst zu tun bekommen: Wie um des Mia-san-mia-Gottes Willen sollte die Saison halbwegs vernünftig weitergehen, wenn die Gefahr besteht, dass außer Boateng auch Mats Hummels, Franck Ribéry, Arjen Robben und Thomas Müller dem Trainer emotional die Zusammenarbeit aufkündigen? Auch das müssen die Bosse bei ihrer komplexen Entscheidung jetzt berücksichtigen: dass sie es gemeinsam mit Ancelotti zugelassen haben, dass nicht nur der Spielstil der Elf, sondern auch das Kabinenklima ein wenig verwildert ist.

Und so lautet nun die Frage: Kann man es einem Coach wie dem akademisch versierten Tuchel zutrauen, aber auch zumuten, direkt in so einen Lotterladen reinzugehen? Andererseits: Kann man es einer Übergangslösung zumuten?

In München wissen sie, dass die Trainerfrage den Klub in einer sensiblen Phase trifft: schlechtester Saisonstart seit sieben Jahren, fünf Punkte Rückstand auf Dortmund, eine langwierige Verletzung bei Franck Ribéry (Außenbandanriss), null Automatismen auf dem Platz. Die Trainer-Entscheidung muss sitzen, und so finden sich in der Chefetage durchaus Befürworter einer Übergangslösung, mit der sich bis Juli etwas Zeit gewinnen ließe. Co-Trainer Willy Sagnol ist spätestens nach dem 2:2 in Berlin aus den Überlegungen ausgeschieden, ansonsten erscheint aber kaum eine Lösung so unmöglich, als dass die Bosse sie nicht zumindest diskutieren würden.

Markus Weinzierl, Andries Jonker, Armin Veh? Irgendein Bayern-Gen-Besitzer in Kombination mit Hermann Gerland? Oder, das neueste Branchengerücht: Mark van Bommel, zurzeit U 19-Coach in Eindhoven und bei Bayern in den vergangenen Monaten schon als Co-Trainer, U 23-Trainer und Sportdirektor im Gespräch gewesen.

Hoeneß hält viel von Nagelsmann. Aber für einen Bayern-Trainer ist er halt arg jung, der Bursche

Zumindest ist im Klub derzeit kein Automatismus erkennbar, wonach die Sache zwingend auf Tuchel zulaufen müsste, den sie gleichwohl für absolut fähig halten, dem unfreiwilligen Freestyle-Fußball dieser Elf wieder eine bündige taktische Struktur zu verpassen. Aktuell dürften beide Parteien geheime Pro-und-Kontra-Listen führen, und die nächsten Tage werden zeigen, ob dieser große Verein und diese große Trainerbegabung zusammenfinden.

Sollte den Bayern aber ein vertretbares Übergangsmodell einfallen, dann könnte es gut sein, dass sie doch auf Julian Nagelsmann warten, von dem Hoeneß viel hält, auch wenn er findet, dass 30 halt schon arg jung ist für einen Coach, der Robben vielleicht mal erklären muss, warum er auf der Bank sitzt. Aber wenigstens auf eines können sich die Bayern in diesen unsicheren Zeiten verlassen: Im nächsten Juli wird der Bursche tatsächlich schon 31.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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