Topspiel BVB vs. FCB:Sorgen im bayerischen Zentrum

Topspiel BVB vs. FCB: Der eine fehlt, der andere muss ihn wohl ersetzen: Joshua Kimmich und Corentin Tolisso.

Der eine fehlt, der andere muss ihn wohl ersetzen: Joshua Kimmich und Corentin Tolisso.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Nach der im Chaos geendeten Jahreshauptversammlung rückt beim FC Bayern wieder der Sport in den Fokus - und damit die Frage, wer Kimmich in der bisher wichtigsten Partie der Saison gegen Dortmund ersetzen kann.

Von Sebastian Fischer

Ein Blick in die Historie der Vergleiche mit Borussia Dortmund ist für Menschen, die es mit dem FC Bayern halten, diesmal keine gute Idee. Normalerweise stößt man im Archiv ja auf eine Fülle an Bildern, die für Münchner Überlegenheit stehen: Oliver Kahn als Torwart jubelnd mit dem Ball in der Hand auf der Torlinie, Arjen Robben mit weit aufgerissenen Augen nach dem Siegtor im Champions-League-Finale, um nur zwei ikonische zu nennen. Doch diesmal käme man nicht umhin, auch zwei Szenen aus der jüngeren Vergangenheit zu betrachten, die für das Duell am Samstag auf einen Nachteil für den Tabellenführer hinweisen.

26. Mai 2020: Die Bayern gewinnen in Dortmund 1:0, es ist der wegweisende Sieg zur achten Meisterschaft in Serie. Das Tor des Tages vor leeren Rängen im Westfalenstadion schießt mit einem genialen, genauso geplanten Chip vom Strafraumrand über den etwas zu weit vor dem Tor stehenden Dortmunder Torwart Roman Bürki: Joshua Kimmich.

30. September 2020: Die Bayern gewinnen im Supercup 3:2, es ist ein wegweisender Sieg auf der Titeljagd bis zum sogenannten Sextuple. Das Tor des Tages zum Endstand erzielt im Fallen mit dem Außenrist: Kimmich.

Am Samstagabend wird Kimmich, 26, diesmal fehlen, seine Quarantäne nach positivem Corona-Test dauert noch mindestens bis zum nächsten Mittwoch. Dass er sich in der vergangenen Woche infizierte, während er sich als Kontaktperson ohnehin schon in Quarantäne befand, war aus Sicht seines Vereins in doppelter Hinsicht unglücklich. Erstens war er wohl tatsächlich kurz davor, sich von einer Impfung überzeugen zu lassen, jedenfalls wenn man jenen ihm wohlgesonnenen Menschen glaubt, zu denen zum Beispiel Bundestrainer Hansi Flick zählt. Zweitens fällt er nun zu einem sportlich ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt aus.

Das beherrschende Thema beim deutschen Rekordmeister war zu Wochenbeginn noch der Versuch der Moderation der spektakulär eskalierten Jahreshauptversammlung am vergangenen Donnerstag. Dafür verschickte der Verein eine Mail an seine Mitglieder. Darin heißt es zwar, dass der Klub "vorbildlich" dastehe, "sportlich, wirtschaftlich wie gesellschaftlich". Allerdings wird in einem für den Klub eher seltenen Moment von Selbstkritik auch erwähnt, im Dialog mit den Fans zum Thema Katar-Sponsoring "sicher nicht alles richtig gemacht" zu haben. Man habe bereits erste konkrete Entscheidungen zur Verbesserung des Dialogs mit den Mitgliedern getroffen.

Je näher das Wochenende rückt, desto mehr lösen allerdings der Sport und die Vorbereitung auf das Spitzenspiel gegen den nur einen Punkt entfernten, ersten Verfolger in der Liga die vereinspolitischen Debatten ab. Nach dem Training am Donnerstag verschickte der Klub die Mitteilung, dass Ersatzverteidiger Josip Stanišić mit einem Muskelbündelriss ausfällt. Dazu fehlt Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer verletzt. Und so lag das Augenmerk auch auf Leon Goretzka, der Medienberichten zufolge nicht die volle Einheit mit seinen Kollegen bestritt. Dass wenigstens Kimmichs Stammpartner im zentralen Mittelfeld in Dortmund auflaufen kann, ist offenbar nicht ganz sicher. Beim 1:0 am vergangenen Samstag gegen Arminia Bielefeld war er zu Beginn der zweiten Hälfte mit Hüftproblemen ausgewechselt worden.

Tolisso oder Musiala könnten in Dortmund wichtig werden, vielleicht auch beide

Das Spiel gegen Bielefeld war einmal mehr eines, das den Plan offenbarte, den Trainer Julian Nagelsmann nach inzwischen rund fünf Monaten in München mit der Mannschaft verfolgt: Das Spiel mit Dreierkette durchs Zentrum aufbauen, den gegnerischen Strafraum möglichst dicht mit vielen Spielern besetzen. So knapp bemessen der Raum gegen den defensiv eingestellten Gegner auch war, so waren es trotzdem die Angriffe durch die Mitte, die am vielversprechendsten aussahen. Das Siegtor durch Leroy Sané entstand so, genau wie der schönste Spielzug, an dessen Ende Sané knapp vorbeischoss.

Doch umso mehr der FC Bayern seinen Fußball durch die Mitte plant, desto mehr fällt es natürlich auch ins Gewicht, wenn genau dort die wichtigsten Spieler ausfallen. Kimmich war nicht nur mit seinen beispielhaft erwähnten Toren gegen Dortmund in der Vergangenheit der entscheidende Mann, er ist im Münchner Spiel die zentrale Figur, wenn er auf dem Platz steht: Oft sind es seine Chipbälle hinter die Abwehrkette, aus denen Gelegenheiten entstehen, er schießt die Standards. Außerdem läuft er oft am weitesten und hat im Schnitt die meisten Ballkontakte. "Mit Josh sind wir besser als ohne", sagt Nagelsmann.

Wenn es nun in Dortmund darum geht, Kimmich zu ersetzen, hat der Trainer zwei naheliegende Möglichkeiten: Da Marc Roca in dieser Saison noch keine Bundesligaminute gespielt hat, kommen Corentin Tolisso oder Jamal Musiala infrage. Sollte Goretzka ausfallen, könnten gar beide gemeinsam spielen. Musiala, 18, war es auch gegen Bielefeld, der das Tor mit einem Pass aus dem Mittelfeld einleitete. Er wäre die offensivere Option, ist im Optimalfall eher ein Spieler für eine Position weiter vorne. Nagelsmann sagte jüngst: "Jamal Musiala hätte ich schon früher mal auf der Sechserposition testen sollen, darüber ärgere ich mich." Auch Tolisso, 27, ist kein "Sechser" wie Kimmich, eher ein "Achter" wie Goretzka. Im Falle des Franzosen wäre ein Einsatz aus einem anderen Grund bemerkenswert: Es könnte einer seiner letzten von großer Wichtigkeit beim FC Bayern sein.

Tolisso kam im Sommer 2017 für die damalige Rekordsumme von knapp mehr als 40 Millionen Euro aus Lyon. Doch wenn im kommenden Sommer sein Vertrag ausläuft, könnte seine Zeit in München enden, von einer Verlängerung war bislang jedenfalls eher nicht die Rede. Und wie ein Rekordspieler wird er Stand jetzt nicht in die Vereinschronik eingehen; eher als ein hochveranlagter Fußballer, der sein vielseitiges Können immer wieder aufblitzen ließ, aber häufig wegen diverser Verletzungsprobleme fehlte. Immerhin: Beim letzten Liga-Auswärtsspiel in Dortmund war Tolisso gesund. Er kam nach 36 Minuten für den verletzten Kimmich. Die Bayern gewannen mit 3:2.

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