FC Bayern:Hansi, der Hometrainer

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Ein ziemlich verlassener Ort: das Trainingszentrum an der Säbener Straße im März 2020. (Foto: Lackovic/imago images)
  • Der FC Bayern verzichtet in der Corona-Krise auf Mannschaftstraining in Kleingruppen und hält sich ausschließlich zu Hause fit.
  • Für Hansi Flick ist die Situation herausfordernd. Er will den Kontakt zur Mannschaft nicht verlieren.
  • Neben Fitnessübungen hält der Trainer auch Taktik-Videoschulungen ab.

Von Christof Kneer, München

Homestories fallen eigentlich ins Ressort der bunten Magazine. In jenen Heftchen, die die vielversprechendsten Kartoffelschäler und die besten 30 Wellnesshotels unter 100 Euro prämieren, darf man manchmal auch ins Wohnzimmer eines halb oder dreiviertel Prominenten blicken, man sieht dann vielleicht eine Vase rumstehen oder ein Bild an der Wand hängen und ist dann herzlich eingeladen, sich den Rest dazu zu denken. Unter dreiviertel oder ganz prominenten Fußballprofis sind Homestories traditionell tabu, der Blick ins eigene Wohnzimmer ist mindestens genauso verboten wie der Blick in die Kabine, weshalb bis heute niemand weiß, ob es den sagenumwobenen Pausentee wirklich gibt. Der FC Bayern, Arbeitgeber einiger wirklich sehr prominenter Fußballprofis, hat die Privatgemächer seiner heiligen Helden nun freiwillig einen Spalt geöffnet, man sieht die Terrasse von Javi Martínez, die Wand vom Phonzy Davies, ein Dachfenster hinter Leon Goretzka.

Und natürlich, im standesgemäß bayerischen Landhaus-Stil, ein Holzdach und grüne Fensterläden bei Thomas Müller.

Coronavirus
:Bayern-Spieler verzichten auf Teil des Gehalts

Die Mannschaft und die Verantwortlichen des FC Bayern vereinbaren in der Coronavirus-Krise eine Kürzung der Bezüge: Sie lassen sich laut Medienberichten nur noch 80 Prozent auszahlen.

Der FC Bayern kommt aus dem Laptop-und-Lederhose-Land, weshalb er das, was er seine Angestellten da gerade tun lässt, selbstverständlich "Cyber Training" nennt. Auf der Klub-Homepage kann man gerade ein paar Sequenzen besichtigen, man sieht Bayerns Fitnesschef Holger Broich samt Reha-Coach Peter Schlösser in einem Fitnessraum an der Säbener Straße, und nach einem kurzen Rundruf in die angeschlossenen Prunkhäuser melden sie ihrem Trainer: "Alle vollzählig, Hansi". Hansi Flick kommt dann ebenfalls vollzählig ins Bild, "work" steht auf seinem ausgezeichnet ausgesuchten Shirt, er wünscht seinen Spielern "viel Spaß" - und dann sieht man, wie Broich und Schlösser Übungen vormachen oder das Tempo ansagen, und man sieht die per Tablet zugeschalteten Spieler hüpfen, radeln und schwitzen. Einmal läuft Thiagos Hund durchs Bild.

"Mir ist wichtig, dass ich auch über die Distanz Kontakt zu den Spielern halte", sagt Flick

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"Das Wichtigste ist, dass wir topfit aus der aktuellen Situation rauskommen", sagt Flick, "wir müssen unser Fitnessniveau halten." Er ist als Chefcoach immer noch neu auf dieser großen Bühne, und er muss plötzlich etwas beherrschen, was noch nie ein Chefcoach des FC Bayern beherrschen musste. Er könnte sich im Moment eine neue Jobbezeichnung auf die Visitenkarte schreiben lassen, Hansi Flick, Hometrainer des FC Bayern.

Er muss ein Team trainieren, das nicht auf dem Trainingsplatz steht. Er muss Trainingspläne für eine Phase entwickeln, von der niemand weiß, ob sie zwei oder zwölf Wochen dauert. Er muss Grundlagenausdauer mit intensiven Intervallphasen mischen. Und er darf die Spieler nicht verlieren, die er nur auf dem Tablet sieht und die womöglich schon vergessen haben, dass sie erst ein halbes Champions-League-Achtelfinale hinter sich haben. Das Rückspiel gegen Chelsea findet vermutlich sogar statt (Ort: Allianz Arena, Termin: irgendwann), und dann ist es trotz 3:0-Führung nicht so schlecht, wenn man sich vor grünen Fensterläden fit gehalten hat.

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Möglicherweise hätten die Bayern in Kleingruppen und unter gewissen Auflagen sogar auf dem Trainingsplatz üben können, Flick sagt, der Verein habe das seriös geprüft, aber er, Flick, habe sich dann gemeinsam mit den Spielern dagegen entschieden, aus symbolpolitisch-moralischen Gründen sozusagen. Die Spieler hätten sich so vehement für die stay-at-home-Kampagne eingesetzt, da wäre es doch unverantwortlich gewesen zu sagen: Okay, ihr lieben Leute, bleibt schön zu Hause, nur wir heiligen Helden trainieren draußen auf dem Platz. Also haben die Bayern ihre Spieler mit Tablets, Pulsgurten, Gummibändern, Gymnastikmatten, Blackrolls und Spinning-Rädern ausgerüstet und ins Dahoam-Office geschickt. Aber natürlich beobachten sie die Lage, und sie gehen davon aus, dass sie demnächst mal wieder an der frischen Luft Sport treiben können.

Auch Flick lernt gerade eine Menge, zum Beispiel, dass auch ein anspruchsvoller Sportlehrer in dieser völlig neuartigen Bedrohungslage mal loslassen muss. Die Fitness der Sportler kann der Trainerstab kontrollieren, an den Pulsuhren kann Flick erkennen, ob seine Spieler in ihren angrenzenden Wäldern resp. Großgärten pflichtschuldig ihre Wendeläufe absolviert haben, 16 Meter Sprint hin, 16 Meter Sprint zurück, viermal das Ganze. Auch am taktischen Detail lässt sich weiterhin lustvoll feilen, Flick schaltet sich regelmäßig in Video-Calls mit kleineren Gruppen zusammen, mit den Verteidigern, den Mittelfeldspielern, den Stürmern. Auf den Tablets erscheinen dann Szenen aus Bayern-Spielen der Vorrunde, "es gibt dann Aufgaben für die Spieler", sagt Flick, "sie müssen sich reinversetzen in die Szene und ihre Position, und es geht dann darum, was in dieser Szene richtig oder falsch gewesen wäre". Alle relevanten Themen könne man auf diese Weise bearbeiten, den Spielaufbau aus der Abwehr, das Übergangsspiel im Mittelfeld, das Spiel ganz vorne im letzten Drittel.

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"Mir ist wichtig, dass ich auch über die Distanz den Kontakt zu meinen Spielern halte", sagt Hansi Flick, "ich darf nicht zu weit von der Mannschaft weg sein, der Faden darf nicht abreißen."

Nur eines kann der Fußballtrainer Flick im Moment halt nicht trainieren lassen: Fußball. Da müssten die Spieler halt mal daheim gegen die Garagenwand schießen, sagt Flick, oder im Garten jonglieren oder sich den Ball von irgendjemandem zuwerfen lassen und ihn dann stoppen und losdribbeln. So, wie Zwölfjährige das halt machen, wenn sie auf der Straße rumdaddeln oder auf dem Grundstück der Eltern.

Natürlich weiß Hansi Flick, dass nicht jeder seiner Spieler mit dieser Situation gleich gut zurecht kommt, auch das ist wie in der Schule. Dem einen Schüler fällt homeschooling leichter, der andere braucht den Lehrer im Frontalunterricht vor sich. Aber das sei kein Grund, sich zu beklagen, sagt Flick. Es gehe ja gerade allen so.

Macht's gut, Jungs, ciao, rufen die Spieler in ihre Tablets, wenn das Cyber Training dann vorbei ist, irgendeiner macht immer einen Witz, und zu hoffen steht, dass Thomas Müller sein Golf-Basecap später wieder auszieht. Hansi Flick bedankt sich dann bei seinen Spielern, und alle wissen: Morgen früh um elf sieht man sich wieder.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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