FC Bayern:Boateng spielt wieder wie Boateng

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Auf dem Weg zurück: Jérôme Boateng. (Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images)
  • Zwei turbulente Jahre liegen hinter Bayerns Innenverteidiger Jérôme Boateng - sie waren geprägt von Verletzungen und Debatten um seine Person.
  • Nun nutzt er das Frühjahr dazu, um wieder die alte Form zu erlangen.

Von Benedikt Warmbrunn

Die weiteren Wege des Balles konnte er nicht mehr beeinflussen, er konnte ihm nur noch zusehen auf seiner Bahn durch die Lüfte, entspannt, er ahnte ja bereits, dass gerade etwas Großes entstand. Er sah eine kleine, geniale Ballberührung von David Alaba mit dem linken Fuß, dann eine kleine, abgeklärte Ballberührung von Robert Lewandowski mit dem rechten Fuß, und schon war das Große vollbracht. Ein Tor, das alles in sich vereinte, Geschwindigkeit, Übersicht, Technik, Geniales, Abgeklärtes, mannschaftliches Verständnis. Und er, Jérôme Boateng, war der Schöpfer dieser Szene.

17 Minuten waren gespielt, als Boateng am Samstagnachmittag ein erstes Zeichen dafür gab, dass er sich selbst wieder eingeholt hat. Kurz vor der Mittellinie legte er sich den Ball mit dem rechten Fuß vor, schickte ihn mit dem linken hoch in den Strafraum, Alaba, Lewandowski, Tor.

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An diesem Mittwoch (18 Uhr) tritt der FC Bayern im Rückspiel im Achtelfinale der Champions League bei Besiktas Istanbul an, nach dem 5:0 im Hinspiel steht das Weiterkommen nur mathematisch noch nicht fest. Es ist also ein Spiel wie so viele Spiele des FC Bayern in diesen Wochen, eines, in dem es darum geht, sich vorzubereiten auf die großen Begegnungen, die in dieser Saison noch anstehen. Die Spieler und Trainer Jupp Heynckes werden oft gefragt, ob das zu einem Spannungsabfall führt; in der Liga hat die Mannschaft 20 Punkte Vorsprung auf den Zweiten. An Jérôme Boateng zeigt sich zurzeit jedoch, dass sich diese Wochen auch nutzen lassen, um die alte Form wiederzuerlangen.

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Im weiteren Verlauf des Samstags holte Boateng, der Innenverteidiger, noch einmal an der gegnerischen Strafraumgrenze einen Eckball heraus, durch ein Dribbling. Einmal passte er mit der Hacke zu Franck Ribéry. Er spielte 90,1 Prozent seiner 91 Pässe zum Mitspieler, er gewann all seine Zweikämpfe, was bei diesem Gegner, dem Hamburger SV, bedeutete: Er gewann alle zwei Zweikämpfe. Der Gegner mag an diesem Nachmittag harmlos gewesen sein, dennoch lieferte Boateng mit seinem Auftritt ein unmissverständliches Signal: Er ist wieder er selbst.

Hinter dem 29-Jährigen liegen ja zwei turbulente Jahre. Es fing an mit einem Muskelbündelriss im Januar 2016, dem im Halbfinale der EM 2016 ein weiterer Bündelriss folgte. Wenige Wochen später wurde er zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt, es war auch eine Auszeichnung für ihn als Integrationsfigur; vor der EM hatte der AfD-Politiker Alexander Gauland gesagt, "die Leute" wollten "einen wie Boateng nicht als Nachbarn" - woraufhin sich sehr viele Leute meldeten, die Boateng ausgesprochen gerne als Nachbarn gehabt hätten; Ende August hatte er einen Termin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Ende November bat Karl-Heinz Rummenigge, der Klubboss des FC Bayern, Boateng darum, "back to earth" zu kommen, er fand, es habe "ein bisschen zu viel Hype" gegeben; warum genau, hat der Spieler nie richtig verstanden. 2016 endete für Boateng mit einer schweren Sehnenverletzung in der Schulter. 2017 war geprägt von Oberschenkel- und Adduktorenproblemen.

Zu Beginn der aktuellen Saison warb Boateng dann erstaunlich offen dafür, dem Körper mehr Zeit geben zu dürfen, und sein Körper bekam diese Zeit, manchmal war es für Boateng sogar fast ein bisschen zu viel. Doch Niklas Süle verteidigte so boatengig, dass das Original nicht ganz so häufig gebraucht wurde, zumal Boateng nach all den Pausen noch am Anfang seines Weges zurück zur alten Form war. In den kleinen Dingen fehlte ihm manchmal der Rhythmus, in der Abstimmung, im vorausschauenden Denken, sogar bei seinen einst gefürchteten weiten und hohen Bällen. "Mein Körper war nicht mehr so, wie ich ihn kannte", gestand Boateng der Welt am Sonntag.

Im Januar sagte dann Heynckes: "Bleibt Jérôme gesund, wird er wieder Weltklasse." Boateng blieb gesund. Und er wurde zumindest so stark wie lange nicht mehr. Von den vergangenen 14 Spielen hat Boateng nur drei verpasst. Einmal fiel er aufgrund einer Magen-Darm-Grippe aus, einmal war er erkältet, einmal wurde er geschont, für das Hinspiel gegen Besiktas. Ansonsten stand er stets in der Startelf. Sollte er im heutigen Rückspiel in Istanbul nicht von Beginn an spielen, dann nur, weil Heynckes ihm und seinem Körper eine Pause gönnen will - eine Pause, die Arjen Robben definitiv bekommt, der Flügelspieler blieb in München. "Eine Vorsichtsmaßnahme", erklärte Rummenigge, "es zwickt irgendwo der Nerv."

Auf dem Weg zurück zur Weltklasse hat Jérôme Boateng nach 250 Spielen und acht Treffern für den FC Bayern übrigens auch einen Tipp von seinen beiden Töchtern bekommen. Sie raten ihm, erzählt er gerne, einfach mehr Tore zu schießen.

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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