FC Bayern in der Euroleague:Die Bayern können das Undenkbare packen

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Am Ende nervenstark: Bayerns Spielmacher Wade Baldwin IV (rechts). (Foto: Eduard Martin/imago)

Was für ein Statement, was für ein Spiel: Die Münchner Basketballer schlagen auch den Titelfavoriten Anadolu und stehen kurz davor, als erstes deutsches Team der Geschichte die Playoffs der Euroleague zu erreichen.

Von Ralf Tögel

Es war die Szene des Spiels: Gerade hatte Jalen Reynolds den Ball trotz eines Fouls zum 53:53 in den Korb gelegt, dann schritt er auf seine Teamkollegen zu und spannte wie Popeye seine mächtigen Muskeln an. Es war ein Ausdruck der Stärke, ein Bild, das für diese Mannschaft steht. Die Basketballer des FC Bayern München strotzen gerade nur so vor Kraft. Und inzwischen ist das in Europa für niemanden mehr zu übersehen.

Das Team von Trainer Andrea Trinchieri stoppte jetzt mit einem 80:79 die Siegesserie des Euroleague-Titelfavoriten Anadolu Efes Istanbul. Achtmal nacheinander hatte der türkische Meister zuletzt gewonnen und dabei Teams wie Titelverteidiger ZSKA Moskau deklassiert. Die Münchner stehen nun als Tabellendritter der Eliteliga des europäischen Basketballs bei 19:11 Siegen. Das ist längst Bestmarke für ein deutsches Team. Und bei vier ausstehenden Partien hat der FCB die Teilnahme an den Playoffs der besten Acht so gut wie sicher - was ebenfalls bislang keinem deutschen Klub gelang.

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Rechnerisch sind die Bayern zwar noch nicht durch, aber es müsste schon alles schief laufen, um die Münchner Endrundenteilnahme noch zu verhindern. Trainer Trinchieri bleibt dennoch vorsichtig, zu viel musste er in dieser verrückten Saison schon erleben: "Ich habe keine Ahnung, ob wir die Playoffs schaffen. Immer wenn ich vom Training nach Hause komme und auf der Couch überlege, was zu tun ist, passiert irgendetwas anderes." Also verschwende er erst gar keine Energie an solche Gedankenspiele. Vor der Saison wären sie noch undenkbar gewesen.

Trinchieri, der neue Trainer, hatte neue Schlüsselspieler zu integrieren, teilweise Akteure ohne Euroleague-Erfahrung. Aber der Italiener hat aus seiner Auswahl in akribischer Arbeit ein äußerst stimmiges Kollektiv geformt. Und er hat dem Team eine Siegermentalität eingeimpft. Er sagt: "Diese Mannschaft hasst es, zu verlieren."

Andrea Trinchieri hat aus den Bayern eine europäische Spitzenmannschaft geformt. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Am Freitagabend zollte sogar Istanbuls Trainer Ergin Ataman Respekt: "Das ist ein großes Team, sie haben viele Spiele in den letzten Sekunden gedreht und knapp gewonnen. Der Trainer weiß seinen Kader optimal zu nutzen, mit Trinchieri und seiner Taktik sind die Bayern in dieser Saison sehr gut." Ataman, das muss man dazusagen, befehligt selbst den derzeit wohl besten Kader Europas. Schon in der abgebrochenen Corona-Saison hatte Anadolu überlegen das Klassement angeführt, zudem haben die Türken die edle Auswahl um das Spielmacher-Duo Vasilije Micic und Shane Larkin, dem derzeit besten Regisseur in Europa, zusammengehalten. Wichtige Schlüsselspieler wie auch der Coach stehen seit Jahren in Diensten des finanziell bestens ausgestatteten Klubs.

Die Gäste dominierten in München die erste Halbzeit mit scheinbar unerschütterlichem Selbstvertrauen, spielerischer Leichtigkeit und enormer Effizienz. Schnell lagen die Münchner hinten (4:13/5. Minute), bald war der Rückstand zweistellig (31:46/19.). Vor allem die Guards mit NBA-Vergangenheit, Rodrigue Beaubois (14 Punkte) und Larkin (16), sowie Topscorer Micic (19), dem viele eine NBA-Zukunft prognostizieren, waren kaum zu stoppen. Aber die Münchner Mannschaft lässt sich in dieser Saison eben auch durch nichts entmutigen. Zur Pause schaffte Paul Zipser (12), ebenfalls mit NBA-Vergangenheit, den 37:46-Anschluss. Und dann wurde es ein exemplarisches Spiel für diese besondere Saison der Münchner.

Die Bayern triumphierten schon im Hinspiel, da war Istanbul aber noch im Formtief

"Wir hatten Probleme, aber wir wollten nicht aufgeben. Und langsam, sehr langsam konnten wir einige Dinge ändern, Spieler tauschen und haben erneut ein Comeback geschafft", erklärte Trinchieri. Muskelmann Reynolds (14) fand immer besser ins Spiel, Spielmacher Wade Baldwin (12) tanzte durch die gegnerischen Reihen und D.J. Seeley (10) setzte mit seinen Dreiern Nadelstiche. Zudem erhöhten die Münchner einmal mehr die Schlagzahl in der Abwehrarbeit, das ist die Grundlage ihrer Erfolge. Jeder Block, jeder Ballgewinn streute Zweifel bei den Istanbulern. Schon das Hinspiel hatten die Bayern gewonnen, zu einer Zeit allerdings, als Anadolu aufgrund einiger Verletzungsprobleme noch seine Form suchte.

Vladimir Lucic, der mit 18 Punkten abermals wichtige Impulse gab, traf mit zwei Freiwürfen zehn Sekunden vor der Schlusssirene zum 80:79 für die Bayern. Und dann gab es wieder eine Szene, die für das Münchner Team steht. Den letzten Angriff hatte Istanbul, der Ball kam wie erwartet zu Shane Larkin. Doch Nick Weiler-Babb bearbeitete Istanbuls Besten auf dem Weg zum Korbleger, ehe James Gist dessen Wurf blockte. Zwei Akteure, die nicht mit Punkten in Erscheinung traten, aber einen entscheidenden Beitrag für das Kollektiv leisteten: "Das spiegelt unser Spiel perfekt wider", befand Trinchieri. Sein Team habe "die ganze Zeit zurückgelegen. Aber es war kein Platz für Frustration."

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