Euroleague:Tanz mit den Riesen

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Slalom: Wade Baldwin (Mitte) lässt Aaron White und Georgios Papagiannis (v.l.) stehen. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/imago)

Die Basketballer des FC Bayern München schlagen nach Belgrad auch Athen innerhalb einer Woche, der 18. Sieg lässt die Playoff-Teilnahme sehr nahe rücken.

Von Ralf Tögel, München

Basketball-Profi James Gist ist 34 Jahre alt, wurde in der NBA gedraftet, spielte im US-Nationalteam und ist seit elf Jahren für diverse Top-Klubs in der Euroleague unterwegs. Man darf also annehmen, dass der Center so einiges erlebt hat im Laufe dieser Karriere. Am Donnerstagabend aber blickte er ungläubig gen Himmel, als habe er gerade eine Erscheinung gehabt, dann schlug er sich mit seiner riesigen Pranke auf das kahle Haupt, so als wollte er sichergehen, sich nicht gerade in einem Traum zu befinden. Sein Teamkollege Wade Baldwin war kurz davor Richtung Korb gesegelt, als habe er sich für einen Moment den Gesetzen der Schwerkraft entledigt, und hämmerte den Ball anschließend über den griechischen Nationalspieler Konstantinos Mitoglou hinweg mit einem Dunking in den Korb. Der griechische Nationalspieler ist 2,10 Meter groß und misst rund 20 Zentimeter mehr als Baldwin.

Das waren nun nicht nur zwei Punkte für den FC Bayern München zum 76:71-Sieg gegen Panathinaikos Athen. Das war ein Kunststück, ein Statement an den Gegner und die gesamte Liga. Der 18. Sieg im 28. Spiel brachte dem FC Bayern bei sieben ausstehenden Partien an diesem Abend den dritten Tabellenplatz und der Konkurrenz die Gewissheit, dass mit dieser Mannschaft zu rechnen sein wird.

Längst eilen die Bayern von Rekord zu Rekord, die erste Teilnahme eines deutschen Teams an den Playoffs rückt immer näher

Längst stellen die Bayern mit jedem weiteren Triumph einen neuen Rekord auf, noch nie hat ein deutsches Team so oft in der Euroleague gewonnen, war so gut platziert und so nah dran an einer Endrundenteilnahme. Das war nicht einmal der famosen Bamberger Mannschaft der Saison 2015/16 gelungen, der Trainer der Franken damals war: Andrea Trinchieri. Der Italiener versteht es nun auch beim FCBB Leistungen herauszukitzeln, die nicht zu erwarten waren. Im Vorjahr war der Kader prominenter besetzt, Kapitän Danilo Barthel und Spielmacher Maodo Lo waren nicht zu halten, Center Greg Monroe, der aus der NBA den Weg an die Isar gefunden hatte, suchte nach der verkorksten Euroleague-Saison ebenfalls das Weite. Geblieben ist ein Spielerstamm, gekommen sind neben aufstrebenden Akteuren wie Nick Weiler-Babb ein paar Euroleague-erfahrene Akteure wie Jalen Reynolds oder James Gist, große Namen aber waren nicht unter den Neuen. Die Münchner bedienen sich angesichts vieler finanziell potenterer Euroleague-Konkurrenten weiter in Nischen, das trifft auch für Wade Baldwin zu.

Spielmacher Baldwin hat außerordentliche Möglichkeiten, sieht sich aber als Teil des Kollektivs

Der spielte zwar in der vergangenen Saison für den griechischen Traditionsklub und Euroleague-Dauerteilnehmer Olympiakos Piräus, war dort aber nicht erste Wahl. Zwar sammelte Baldwin etwas NBA-Erfahrung, geriet dann jedoch in die berüchtigten Wechselmühlen der weltbesten Liga, in der Spielerrechte oft in ganzen Paketen verschachert werden. Sein folgender Wechsel nach Piräus war ebenfalls keine Erfolgsgeschichte, national spielte der Klub nach einem Streit mit dem Verband nur zweitklassig, die hochbezahlten Profis spielten ausschließlich Euroleague. Baldwin bekam wenig Einsatzzeiten und Vertrauen, das hat sich nun beim FC Bayern grundlegend geändert. Auch wenn Baldwin mit dem Ruf eines schwierigen Charakters nach München gekommen war, vertraute Trinchieri dem 24-jährigen Amerikaner die Führung des Teams an, auch am Donnerstag gegen Athen sah man die beiden immer wieder im taktischen Zwiegespräch.

JaJuan Johnson und Vladimir Lucic leiten die neuerliche Aufholjagd ein

Mittlerweile dürften auch die härtesten Kritiker verstummt sein, die dem Point Guard nachsagen, dass er mit seinem egoistischen Spiel immer wieder das Team mit in den Abgrund reiße. Fehlerlos agiert der Spielmacher keineswegs, aber er ist mit großen basketballerischen Möglichkeiten ausgestattet: Baldwin trifft aus der Distanz, hat blitzschnelle Beine und enorme Sprungkraft, beherrscht atemberaubende Finten und hat einen unglaublichen Zug zum Korb. Darüber hinaus ist er ein exzellenter Abwehrspieler. Und er sieht sich unter Trinchieri als Teil des Kollektivs. Denn die Münchner Erfolge sind das Resultat von stimmigem Teamwork. Der FCBB verteidigt auf höchstem Niveau, kämpft bis zum Umfallen und gibt bei keinem noch so aussichtslos wirkenden Rückstand auf. Dabei weiß jeder Akteur seine Fähigkeiten gewinnbringend einzusetzen. Wie JaJuan Johnson etwa, der mit einem Block gegen Athens 2,20-Meter-Riesen Georgios Papagiannis die Aufholjagd beim zwischenzeitlichen 24:35-Rückstand einleitete. Erst versenkte Vladimir Lucic einen Dreipunktewurf mit Signalwirkung, ehe Baldwin in seiner lässig-eleganten Art ein ums andere Mal zu einem Tänzchen durch die Reihen der griechischen Riesen ansetzte. Und Aktionen zeigte, die man kaum glauben mochte.

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