FC Bayern: Abwehrprobleme:Der härteste Job

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Beim FC Bayern steht vor dem Pokalspiel gegen Schalke 04 die Defensive in der Kritik. Dabei gibt es derzeit kaum eine schwierigere Position als die des Innenverteidigers in einer von Louis van Gaal trainierten Elf.

Jürgen Schmieder

Louis van Gaal hatte eine andere Meinung als der Reporter. Das war nun nicht besonders überraschend, weil sich der Journalist blasphemisch verhalten hatte. Der Mann hatte indirekt angedeutet, der Trainer des FC Bayern habe sich beim Spiel gegen Dortmund übertölpeln lassen und das persönliche Taktik-Duell mit Jürgen Klopp verloren.

Ein Übergewicht der Dortmunder im Mittelfeld wollte der Reporter ausgemacht haben, das letztlich zu den Gegentoren führte. "Sie haben kein Übergewicht gehabt", blaffte van Gaal. "Im Mittelfeld haben wir individuelle Fehler gemacht, das ist was anderes."

Die Defensive des FC Bayern steht nicht erst seit der Niederlage gegen Dortmund in der Kritik, sondern bereits die gesamte Spielzeit über. Vor allem die Innenverteidiger - zu Beginn der Saison waren es Daniel Van Buyten und Holger Badstuber, beim DFB-Pokal-Spiel gegen Schalke 04 werden es wohl Anatolij Timoschtschuk und Breno sein - stehen im Zentrum der Diskussion.

Dass Timoschtschuk nach 16 Profijahren als defensiver Mittelfeldspieler aufgrund seiner Physiognomie und Spielweise nicht unbedingt ein idealer Innenverteidiger ist und dass die juvenilen Holger Badstuber (21 Jahre) und Breno (ebenfalls 21) altersbedingten Formschwankungen unterliegen und sich beide derzeit in einem Tief befinden, steht außer Frage. Der Alternative Daniel Van Buyten traut van Gaal offensichtlich nicht mehr.

"Man hat sich im Zentrum ein großes Problem geschaffen", urteilte Oliver Kahn etwa nach der Niederlage gegen Dortmund - und watschte die aktuellen Verteidiger ab, indem er ehemalige Verteidiger wie Samy Kuffour oder Thomas Linke als "gestandene Größen" ausrief. Doch es wäre zu kurz gegriffen, die Verantwortung für die wacklige Defensive allein bei Badstuber, Timoschtschuk oder Breno zu suchen - oder die vielen Gegentreffer nur an individuellen Fehlern festzumachen.

Vielmehr gibt es im Fußball derzeit kaum einen härteren Job als den des Innenverteidigers beim FC Bayern. Das liegt vor allem an der Philosophie von Louis van Gaal. Der Trainer verspricht Offensivspektakel, das auf Ballkontrolle und wohlinszenierten Angriffen fußt. Probleme gibt es beim FC Bayern vor allem dann, wenn der Gegner in Ballbesitz ist - was nicht nur daran liegt, dass Offensivkünstler wie Arjen Robben und Franck Ribéry wohl lieber zum Zahnarzt gehen als zu verteidigen.

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Kritiker werfen dem Trainer vor, zu wenig Fokus auf die Defensive zu legen - dabei hat van Gaal sehr wohl ein Defensivkonzept, allerdings eines, das extreme Risiken mit sich bringt. Das van Gaal'sche Defensivprinzip sieht vor, sich das Spielgerät möglichst schnell zurückzuholen, was meist auf Kosten der defensiven Statik geschieht.

Aus dem Gleichgewicht: Anatolij Timoschtschuk beim Spiel gegen Borussia Dortmund. (Foto: dpa)

Für die rasche Rückeroberung des Balles nämlich ist oftmals extremes Verschieben notwendig. Die defensiven Mittfeldspieler rücken weit nach außen, die Außenverteidiger nach vorne. Von den Innenverteidigern wird dann gefordert, ebenfalls nach außen zu rücken, gleichzeitig aber auch den eigenen Strafraum zu sichern.

Es ist eine Quadratur des Kreises, die da von Timoschtschuk und Badstuber verlangt wird - nicht selten stellt ein Außenverteidiger wie Philipp Lahm verdutzt fest, dass er der Einzige ist, der gegen eine Hereingabe des Gegners zu verteidigen hat, weil seine Kollegen an die Seitenlinie geeilt sind.

Ein Umstand, den Lahm intern schon wochenlang angeprangert hatte, am Montag dann machte er seinen Unmut öffentlich: "Jeder macht sich Gedanken. Jetzt müssen wir das ändern, was wir analysiert haben. Und es gibt einiges zu ändern." Lahm forderte zusätzlich, sich nicht immer spielerisch aus Notsituationen zu befreien, sondern den Ball auch mal wegzuprügeln. Das freilich ist eine Strategie, die bei van Gaal ein nervöses Zucken hervorruft.

Verstärkend zu diesen - durch das Verschieben bedingten - Freiräumen für den Gegner kommt, dass es im defensiven Mittelfeld keine Autorität gibt, keinen Organisator, keinen Pfeiler. Bastian Schweinsteiger ist in der vergangenen Saison auf dieser Position zu einem Weltklasse-Akteur herangereift, doch ist er mehr ein Initiator eigener Angriffe denn ein Abwehrstratege. Derzeit agiert Danijel Pranjic neben ihm, ein Vielläufer und Extremverschieber, aber kein ruhender Pol.

Luiz Gustavo könnte wie schon in Mailand gegen Schalke 04 wieder im defensiven Mittelfeld agieren. Der Brasilianer könnte eine Konstante werden in der Zentrale des FC Bayern - eine Konstante, die diese Elf dringend benötigt. "Vielleicht spielt er im nächsten Spiel nicht, dann sind alle wieder überrascht", sagte van Gaal. Wirklich überrascht wären die Beobachter derzeit nur, wenn ein Gegner des FC Bayern weniger als fünf Torchancen hätte.

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