Champions League:Schön, sie scheitern zu sehen!

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Frenkie de Jong und Kollegen nach dem 0:3 gegen den FC Bayern. (Foto: Albert Gea/Reuters)

Juventus Turin und der FC Barcelona, die immer noch eine Superliga gründen wollen, um ihr aus den Fugen geratenes Geschäftsmodell zu retten, scheiden aus der Champions League aus - da ist Schadenfreude nicht unmoralisch, sondern angebracht.

Kommentar von Philipp Selldorf

Der Moment der Momente während der jüngsten Europacup-Woche war zweifellos die Szene mit dem kreiselnden Brasilianer Antony. Wie er den Ball mit der Innenseite seines rechten Fußes führte und sich dabei zweimal akkurat um sich selbst drehte, das war ein Streich, wie ihn die Fußball-Welt noch nicht gesehen hat. Allerdings gehörte das Kunststück dort auch gar nicht hin. Statt auf dem Rasen des Stadions Old Trafford hätte er es besser in der Manege eines Zirkus aufgeführt. Als Clown.

Antony ließ mit seiner kunstfertigen Drehung nicht einen oder zwei oder drei Gegenspieler verzweifelnd ins Leere rutschen - sondern keinen einzigen. Kein Kontrahent befand sich auch nur in der Nähe des Rechtsaußen von Manchester United, der sein Schauspiel sogar noch zu krönen wusste: mit einem Steilpass, der geradewegs ins Aus rollte.

Dies war zwar nur die misslungene Show-Einlage eines ball- und vielleicht auch selbstverliebten Virtuosen, es fiel aber nicht schwer, in der Szene eine Allegorie auf den pervertierten Fußballzirkus zu erkennen. So manieriert und sinnlos, wie Antony um sich selbst kreiste, so zweckentfremdet und exzessiv geht es zu auf den Märkten des Profigeschäfts, die das schöne Spiel zu erdrücken drohen.

Im Sommer hatte Manchester United mit Ajax Amsterdam wochenlang um die Übernahme des 22 Jahre alten brasilianischen Stürmers gefeilscht. Anfangs boten die Engländer 50 Millionen Euro, bis sie am Ende des Gefechts bereit waren, 95 Millionen hinzulegen, selbstredend plus "Boni". Und für diesen riesigen Berg an Geldscheinen führte Antony nun im Europa-League-Spiel gegen Sheriff Tiraspol aus Moldawien einen Trick auf, der keiner war, und der ihm und Manchester United nichts einbrachte außer höhnisches Gelächter.

Für Spott und Häme war es ohnehin eine ergiebige Europapokal-Woche. Die Champions League verabschiedete der Reihe nach einige notorische Fälle in die zweite europäische Liga, denen man den Abstieg ohne schlechtes Gewissen gönnen durfte. Während Juventus Turin und der FC Barcelona mit United und Antony in der Europa League weitermachen werden - was der eine oder andere Snob im jeweiligen Anhang als Deklassierung auffassen dürfte -, ist bei Atlético Madrid nicht mal das gewiss.

Demut? Besinnung? Neue Spieler müssen her!

In Barcelona löst die nächste demütigende Begegnung mit dem FC Bayern, die sechste Niederlage hintereinander im katalanisch-bajuwarischen Duell, nicht etwa, was man ja meinen könnte, Demut und Besinnung aus. Sondern die übliche bornierte Hektik: Kommt Rúben Neves schon im Winter aus Wolverhampton? Und wann heuert endlich Manchester Citys Bernardo Silva an? Schnellstens müssen neue Spieler her, weil selbst eine vorübergehende Versetzung aus der Ober- in die Mittelschicht nicht erträglich ist.

Schadenfreude ist in diesem Fall ausdrücklich nicht unmoralisch. Juventus Turin und der FC Barcelona sind zwei der drei Großklubs, die nach wie vor die Gründung einer Superliga zu betreiben versuchen, um ihr finanziell aus den Fugen geratenes Geschäftsmodell zu retten. Die beiden Klubs sind gewillt, den verbliebenen Rest an Wettbewerbsgleichheit und sportlicher Gemeinschaft zu eliminieren, da ist es schon schön, sie im Wettbewerb scheitern zu sehen.

Den Anhängern des FC Bayern, aber nicht nur denen, ist es außerdem gestattet, mit einem Lächeln des Lästerns zuzusehen, wie Robert Lewandowski im neuen Jahr seine Tore in der Europa League statt in der Champagnerliga schießen wird. Er wird seine Treffer setzen, zweifellos, aber für einen goldenen Ball wird die Bühne zu klein sein. Für lustige Momente taugt sie jedoch allemal.

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