Fußball: Aliaksandr Hleb:Mehr Gefühl als eine Bundesliga-Elf

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Aliaksandr Hleb hatte eine gigantische Karriere vor sich: Er wechselte vom VfB Stuttgart zum FC Arsenal, dann holte ihn Josep Guardiola zum FC Barcelona und versprach ihm einen Stammplatz. Heute hält er sich bei Stabhochspringer Tim Lobinger fit - und träumt von einer Rückkehr in die Bundesliga.

Christof Kneer

Der FC Barcelona ist in der Stadt, Aliaksandar Hleb weiß das. Er weiß, dass es da diesen Vorbereitungs-Cup gibt und dass Barça am Dienstag und Mittwoch zwei Spiele in der Arena bestreitet. In welchem Hotel der FC Barcelona in München wohnt? Das weiß Hleb nicht. In seinem jedenfalls nicht.

Welchen Verein wird Hleb seinen Körper in Zukunft zur Verfügung stellen? Felix Magath wartet schon. (Foto: dpa)

Aliaksandar Hleb ist Spieler des FC Barcelona, immer noch. Er besitzt einen Vertrag bis Sommer 2012, aber in München ist er auf eigene Rechnung. Er wird Xavi, Iniesta und Messi nicht treffen, er wird sie auch nicht in der Arena besuchen.

Der Vereinsarzt des FC Barcelona hat sich mal erkundigt, wie es ihm geht, er wollte auch wissen, ob man sich am Abend im Stadion sieht. Aber Hleb will sein operiertes linkes Knie nicht im Auto verstauen, und er will sich auch nicht in einen Schalensitz in der Arena zwängen. Außerdem: "Fußball schauen und nicht mitspielen können, das tut mir zu sehr weh", sagt er.

Ja, Aliaksandar Hleb gibt es noch. Das Letzte, was Deutschland vom hoch veranlagten Weißrussen mitbekommen hat, war sein Abschied aus Stuttgart, man erinnert sich, dass es Ärger mit dem seltsamen Trainer Gross gab, der aussah wie Kojak ohne Lolli, und dass ständig geschrieben würde, der Hleb würde sechs Millionen verdienen.

Das war das Gehalt, das der VfB aus Barcelona übernehmen musste, um den Spieler kostengünstig auszuleihen. Dass er nach Birmingham weiterverliehen wurde, wo er sich diese Meniskusruptur einfing, derentwegen er jetzt in München ist - das wissen nur jene Fundamentalisten unter den Experten, die auch die Tabelle der weißrussischen Liga auswendig kennen.

Jetzt sitzt Hleb im Frühstücksraum eines Münchner Hotels, ein einsamer Trainingsanzug unter lauter Krawattengesichtern. Nach ein paar Minuten kommt Tim Lobinger, der Leichtathlet, er holt sich einen Stuhl und sagt, dass die Medizinbälle schon warten.

Nach den Medizinbällen warten die Elektroden der Elektrotherapie. "Ich will am Ende aber nicht wie ein Stabhochspringer aussehen", sagt Hleb und grinst. Lobinger ist sein personal trainer in den nächsten Wochen, in Absprache mit Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt trainiert er mit ihm am Münchner Olympiastützpunkt.

Ob es Hleb gut oder schlecht geht zurzeit, ist Definitionssache. Einerseits bestreitet er die komfortabelste Rehabilitation seit Erfindung des Krankenscheins, er wird ja weiter vom FC Barcelona bezahlt. Andererseits weiß Hleb, dass er auch mit drei gesunden Knien keine große Rolle mehr spielen wird beim besten Klub der Welt. Er würde sich gerne nochmal ausleihen lassen, aber um sich ausleihen zu lassen, müsste er gesund sein.

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Im September, hat Doktor Müller-Wohlfahrt am Montag gesagt, dürfte er wieder voll belastbar sein. Problem: Am 31. August endet die Transferfrist.

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Aliaksandar Hleb ist 30 inzwischen, und er will mit Macht zurück in jene Karriere, die einmal eine ganz, ganz große werden sollte. Auf diese ganz, ganz große Karriere ist er lange zugesteuert, aber irgendwo hat er eine Abbiegung verpasst. Der Wechsel von Stuttgart zum FC Arsenal 2005, der Wechsel vom FC Arsenal zum FC Barcelona 2008, die vorübergehende Heimkehr nach Stuttgart auf Leasingbasis 2009, es hatte immer alles seinen Sinn, es sah immer aus wie die beste von vielen guten Möglichkeiten.

Heute, im Frühstücksraum des Münchner Hotels, die Medizinbälle vor Augen, überlegt Hleb nochmal, ob er damals, im Sommer 2008, nicht doch auf den FC Bayern hätte vertrauen sollen. "Die wollten mich, aber sie haben gesagt: Du musst noch ein bisschen warten, Aleks, bis wir wissen, wie der Kader genau aussieht."

Aber kann man warten, wenn plötzlich siebenmal in der Woche Barcelonas Trainer Guardiola anruft? Guardiola hat Hleb erklärt, Eto'o würde den Klub verlassen und Henry künftig Mittelstürmer spielen - und Henrys Stammplatz auf der linken Offensivseite sei jetzt für ihn, für Aleks Hleb, reserviert. So hat er Guardiola verstanden. "Da fühlst du dich geschmeichelt, das ist doch toll, oder?"

Nicht so toll war, dass Hleb beim ersten Training in Barcelona Samuel Eto'o traf. Der hatte den Verein doch nicht verlassen. Er blieb Mittelstürmer, Henry blieb links. Hleb? Spielte mal, mal spielte er nicht. Und als er bei Guardiola mal nachfragte, spielte er gar nicht mehr.

"Aleks wieder fit zu kriegen, ist mein Projekt", sagt Tim Lobinger jetzt. Hleb hat immer noch mehr Gefühl im Fuß als manche Bundesliga-Elf zusammen, und er ist so motiviert wie ein ganzer Kader. "Ich habe aus meinen Fehlern gelernt, ich hab' ja nicht mehr ewig Zeit." Er hat sich mitunter zu sehr auf sein spektakuläres Talent verlassen. Heute weiß er, dass auch das spektakulärste Talent zur Entfaltung einen Körper braucht.

Hleb wird fit sein, da hält er jede Wette, aber noch weiß er nicht, welchem Klub er künftig seinen Körper zur Verfügung stellt. Vielleicht bleibt er bis 2012 in Barcelona, aber spätestens dann zieht er weiter, am liebsten heim in die Bundesliga. Wolfsburgs Trainer Felix Magath, ein alter Bekannter aus frühen Stuttgarter Tagen, verfolgt Hlebs Weg genau, und die Geschichte mit Tim Lobingers Medizinbällen dürfte er mit Vergnügen zur Kenntnis nehmen.

© SZ vom 27.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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