FC Augsburg:Angriff auf die Gummiwand

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Vier Siege nacheinander sollten das Ziel sein, sagt Ermedin Demirovic (links, hier gegen Freiburg), der zurzeit seine beste Profisaison abliefert. (Foto: Bernd Feil/M.i.S./Imago)

Dank seiner Widerstandskraft hat sich der FC Augsburg an die obere Tabellenhälfte herangearbeitet und steht nun vor einem Monat der lösbaren Aufgaben. Allerdings tut er sich gegen vermeintlich schwächere Gegner oft am schwersten.

Von Maik Rosner

Bisher haben sie das beim FC Augsburg mit dem Timing ganz gut hinbekommen in der Amtszeit von Trainer Jess Thorup. Nach der 1:2-Heimniederlage gegen den SV Darmstadt 98 hatte der Däne im Oktober die Nachfolge von Enrico Maaßen angetreten, und sofort glückte ein 5:2-Sieg nach 0:2-Rückstand beim heimstarken Aufsteiger 1. FC Heidenheim. Den 15. Tabellenplatz, auf dem Thorup die Mannschaft übernommen hatte, ließen die Augsburger mit zwölf Punkten aus sechs Spielen umgehend hinter sich.

Es passte zu ihrem guten Timing, dass sie sich am vergangenen Sonntag vorerst aus dem Abstiegskampf verabschiedet haben, bevor sie überhaupt wieder so richtig in ihn hineingeraten konnten. Nach einer schwierigen Phase mit nur einem Sieg aus neun Spielen gewannen die Augsburger 2:1 (0:1) gegen den SC Freiburg, just in jenem Moment, in dem ihnen die Rückkehr auf Rang 15 gedroht hatte. Doch weil sie nach dem 0:1 einen weiteren Beweis ihrer ligaweit größten Widerstandskraft antraten, indem sie die Partie durch die Tore von Felix Uduokhai und Arne Engels drehten und nun schon 20 Punkte nach Rückständen angehäuft haben, sind sie vorerst befreit von akuten Sorgen. Mit neun Zählern Vorsprung auf den Relegationsplatz grüßen sie von Rang elf.

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Der Erfolg zur rechten Zeit eröffnet eine neue Perspektive. Angefangen mit dem Spiel am kommenden Samstag beim Aufsteiger und Tabellenletzten Darmstadt bekommen es Thorup und sein Team im März mit lauter Gegnern zu tun, für die in der Fußballsprache der Begriff "machbar" herangezogen wird. Nach Darmstadt kommt Heidenheim nach Augsburg, danach geht's zum VfL Wolfsburg, und nach der Länderspielpause stellt sich der 1. FC Köln beim FCA vor. Alles Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte, aus der sich die Augsburger mittelfristig gerne verabschieden würden. Geschäftsführer Michael Ströll hatte die Top Ten vor mehr als einem Jahr als Ziel ausgerufen.

Nun besteht die Möglichkeit, sich schon einmal an diesem ambitionierten Anspruch zu versuchen. Gerade einmal vier Punkte beträgt der Rückstand auf Platz sieben, und Ermedin Demirovic hat bereits mit jener Zuversicht hochgerechnet, mit der er nach der knappen Rettung am Ende der vergangenen Saison die Conference League als Wunschziel auserkoren hatte. "Wir haben jetzt noch mal drei Gegner vor der Brust, die wir alle schlagen können", sagte der Kapitän bei Dazn mit Blick auf die Spiele vor der Länderspielpause. Unter Hinzunahme des Sieges gegen Freiburg ergänzte Demirovic: "Klar ist auch, dass das nicht einfach ist, vier Spiele in Folge zu gewinnen, aber das sollte das Ziel sein."

Ein Tor fehlt Ermedin Demirovic noch bis zur Einstellung des Vereinsrekords

Aus Demirovic spricht auch deshalb viel Selbstvertrauen, weil der Angreifer gerade die beste Saison seiner Profilaufbahn erlebt. Zwölf Tore hat der 25-Jährige bereits erzielt, womit ihm nur noch ein Treffer fehlt, um den FCA-Rekord von 13 Toren in einer Bundesligasaison einzustellen. Die früheren Augsburger Stürmer Michael Gregoritsch (in der Saison 2017/18) und Florian Niederlechner (2019/20) hatten diese Bestmarke jeweils erreicht. Bei Demirovic kommen je nach Zählweise noch sieben oder acht Vorlagen hinzu. Insgesamt 19 oder 20 Scorerpunkte hat er also gesammelt, nur Bayerns Harry Kane und Leipzigs Loïs Openda kommen auf mehr (sowie, je nach Erhebung, auch Stuttgarts Serhou Guirassy). Demirovics Optimismus hat also gute persönliche Gründe, und der starke Auftritt der gesamten Mannschaft gegen Freiburg leistete ein Übriges. "Wenn wir weiter die Leistung auf den Platz bringen, dann können wir ein bisschen nach oben schauen", befand Demirovic.

Die Erfahrung lehrt allerdings, dass sich die Augsburger traditionell schwertun, wenn sie es mit Gegnern aus der unteren Tabellenhälfte zu tun bekommen. Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, doch häufig wirkte es in der Vergangenheit, als pralle der FCA von einer unsichtbaren Gummiwand ab, sobald er gegen Mannschaften auf Augenhöhe antrat oder sogar als leichter Favorit. Das lag nicht selten daran, dass es schlicht schwieriger ist, ein Spiel auf engem Raum zu gestalten, als in Freiräume hinein zu kontern. Genau an dieser Entwicklungsschwelle stehen die Augsburger nun wieder, und sollte es vermehrt gelingen, diese erfolgreich zu überwinden, dürfte das auch zunehmend mit Platzierungen unter den ersten Zehn der Liga belohnt werden.

Thorup hält sich lieber zurück mit hohen Zielen, was auch an der schwierigen Phase vor dem Sieg gegen Freiburg liegen könnte. Er kenne das anstehende Programm, sagte er und bezeichnete die Verabredung mit dem vermeintlich machbaren Gegner Darmstadt als "ganz schwieriges Auswärtsspiel". Viel Vorsicht sprach aus dem 54-Jährigen, er sagte: "Solange der Klassenerhalt nicht sicher ist, müssen wir um jeden Punkt kämpfen." Wann die Augsburger vielleicht in der Tabelle weiter nach oben gucken könnten, ließ Thorup offen. Auch das ist vermutlich eine Frage des richtigen Timings.

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