Favoriten in der Champions League:Die phantastischen Vier

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Stars haben Spaß beim FC Barcelona, wo sie das fulminante Sturmtrio Neymar, Luis Suárez und Lionel Messi (v.l.) schon mal in rosa Trikots stecken. (Foto: Miguelez Spor/Imago/Cordon Press)

Nach der Champions-League-Vorrunde kristallisiert sich ein Trend heraus: Die reichen Klubs aus Madrid, Barcelona, London und München sind nicht mehr nur reich, sondern auch schlau. Der Vorsprung auf die Verfolger könnte so noch weiter wachsen.

Von Christof Kneer

Der Trainer Massimiliano Allegri hat gerade eine sehr scharfsinnige Analyse über den europäischen Fußball vorgelegt. Zunächst hat er über das 0:0 seines Klubs Juventus Turin gegen Atletico Madrid das gesagt, was es darüber zu sagen gibt (nichts), und dank dieser raffinierten Einleitung konnte er seine Pointe umso wirkungsvoller platzieren. Allegri sagte, dass die Champions League im Achtelfinale ja erst richtig losgehe, und dann sagte er noch, dass es "günstig" wäre, Real Madrid, den FC Barcelona, den FC Chelsea und den FC Bayern "erst einmal zu vermeiden". Gegen alle anderen, so Allegri, "haben wir eine realistische Chance".

Allzu viel sollte sich Signore Allegri aber doch nicht einbilden auf seine Urteilskraft. Die schönen Sätze, die er gerade gesagt hat, hätten fast wortgleich auch Paulo Sousa (Basel), Roger Schmidt (Leverkusen), Arsène Wenger (Arsenal), Manuel Pellegrini (Manchester City), Laurent Blanc (Paris), Roberto Di Matteo (Schalke) und Mircea Lucescu (Donezk) sagen können. Den Trainern der Tabellenzweiten der Gruppen B bis H geht es genauso wie Allegri, dem Coach des Tabellenzweiten der Gruppe A.

All die Gruppenzweiten, die im Achtelfinale der Champions League auf die Gruppenersten treffen, wissen, ahnen und bilden sich ein, dass sie gegen vier von den Gruppenersten (Atlético Madrid, Monaco, Dortmund, Porto) eine aufrichtige Chance haben. Und gegen die anderen vier, gegen Real, Barcelona, Chelsea, Bayern? Gegen die hat man auch eine Chance, zum Beispiel, wenn bei diesen Vieren 15 Verletzte ausfallen und wenn sich außerdem Tagesform, Tagesumstände und Tagesspielverlauf zu ein paar roten Karten sowie vier bis fünf Eigentoren summieren.

Es muss also gar nicht so viel zusammenkommen, dann kann man die großen Vier besiegen. Aber sonst halt eher nicht.

Der europäische Fußball ist im Jahr 2014 eine recht ironische Angelegenheit geworden. Viele fragen sich ja, warum am Montag unter Zuhilfenahme amtlich versiegelter Lostöpfe eine feierliche Ziehung fürs Achtelfinale anberaumt ist, wo doch eh' schon jedes Kind weiß, dass man diese Runde auch überspringen könnte? Wer die abgelaufene Vorrunde nimmt und zu den in den vorigen Jahren abgelaufenen Wettbewerben in Beziehung setzt, könnte tatsächlich auf die Idee kommen, eine weise Berti-Vogts-Sentenz geringfügig abzuwandeln. Die Spitze an der Spitze ist spitzer geworden ist, so müsste es jetzt heißen.

Dass der elitäre Zirkel der Superreichen seine handverlesenen Mitglieder immer noch superreicher macht, ist längst kein Geheimnis mehr; es gehört ja zur Idee dieser Champions League, so viele Prämien abzuwerfen, dass die, die erfolgreich sind, immer reicher und damit noch erfolgreicher und damit wieder reicher werden.

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An dieses Modell haben sich auch all jene nicht so reichen Mitglieder gewöhnt, die draußen vor den hohen Mauern der Oberschichtvillen herumlungern und nur ab und zu einen Blick auf die vergoldeten Garagentore erhaschen; aber viele Jahre verbrachten die Klubs da draußen in der Gewissheit, dass man die Bonzen vorübergehend auch mal aus ihren Villen vertreiben kann. So haben sich - zum Beispiel - Porto, Dortmund oder Atlético Madrid immer wieder Zutritt verschaffen können, mit pfiffiger Personalpolitik und/oder einem Spielstil, der den Großen lästig war.

Das ist nun die neue, schlechte Nachricht für die Jungs da draußen: Sie werden künftig noch schwerer über die Mauer kommen, weil die Bonzen nicht nur reich, sondern inzwischen selber schlau sind.

Es sei ein klarer Trend, "dass das Transfergeschäft an der Spitze viel seriöser und gewissenhafter betrieben" werde als noch vor einiger Zeit, sagt Michael Reschke, der Technische Direktor des FC Bayern. Er reist seit vielen Jahren quer durch Europa, bis zum vorigen Sommer noch in Leverkusener Diensten, er hat Atlético Madrid oder Chelsea fast so oft gesehen wie seine alte Werkself vom Rhein. Reschke - Jobprofil: Kaderplaner - ist der Mann, der kraft Amtes hinters große europäische Stratego blickt, und was er sieht, ist nicht geeignet, Porto oder Atlético Mut zu machen. "Bei allen Topklubs steht jetzt eine klare Idee hinter dem, was sie tun", sagt er, "es reicht nicht mehr, nur Namen zu haben." Die Zeiten, in denen Real auf einen Ronaldo noch einen Zidane, einen Figo und einen Beckham türmte, sind vorbei.

Zwar verstehen sich die Madrilenen immer noch am ehesten als fußballerische Variante der Harlem Globetrotters, sie fühlen sie sich schon noch der Show verpflichtet und den Trikotverkäufen, die die Show abwirft. Aber es ist kein reines Posing mehr, das Real betreibt. Im Sommer kam ein bleicher Junge aus Mecklenburg-Vorpommern, der nicht sehr unterhaltsam ist, aber in seinen Füßen genau jene Pässe stecken hat, die der Posterboy Cristian Ronaldo und sein Nebenboy Gareth Bale brauchen. Toni Kroos macht nicht nur die Marke Real Madrid attraktiver, weil er ein Weltmeister ist. Er macht Reals Fußball besser.

Er habe aber nicht nur die großen Vier auf der Rechnung, sagt Reschke und verweist pflichtgemäß auf Dortmund, Arsenal oder "das Kraftwerk Atlético Madrid". Vor allem Paris hält er "auch an der Spitze für konkurrenzfähig", trotzdem folgen die mit Millionen aus dem Morgenland aufgepumpten Franzosen eher noch den Strategien der Superreichen von gestern. Sie spielen Zlatan-Ibrahimovic-Superstar-Fußball, und in der Abwehr haben sie zum Brasilianer Thiago Motta jetzt halt noch den Brasilianer David Luiz dazugekauft.

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Das ist es, was Paris St. Germain noch von den phantastischen Vier unterscheidet: Paris zeigt weniger das Sporthemd, eher das Muskelshirt. Die vier Favoriten dagegen haben ihre Kader planvoll vervollständigt, siehe Real und Toni Kroos. Der FC Barcelona hat seinen zuletzt allzu netten Spielstil mit dem scharfkantigen Luis Suárez treffsicher verändert; die Stahlmänner des FC Chelsea haben ihr Repertoire um den feinen Passspieler Cesc Fabregas erweitert und dem Passspieler noch den Vollstrecker Diego Costa dazu spendiert; und der FC Bayern hat den allzu scharfkantigen Mandzukic durch den rundum kompletten Robert Lewandowski ersetzt und dazu einen neuen Stahlmann für die Defensive angeschafft (Medhi Benatia), der im Frühjahr mit Jérôme Boateng und Javier Martinez eine herrliche Ochsenabwehr abgeben könnte.

"Wenn die großen Klubs mit viel Geld viel richtig und nur wenig falsch machen", sagt Michael Reschke, "dann könnte ihr Vorsprung noch weiter wachsen." Vor allem, wenn das Richtigmachen jenen Klubs weh tut, die gerade dabei waren, über die Mauern der Oberschichtvillen zu klettern: wenn Bayern also den Dortmundern die Spieler Lewandowski und Götze entwendet; wenn Chelsea bei Atlético Madrid den Stürmer Costa herauskauft und von dort den ausgeliehenen Torwart Courtois heimbeordert; wenn der FC Barcelona dem FC Liverpool den Stürmer Suárez wegnimmt.

Den Klubs hinter den phantastischen Vier bleibt immerhin eine doppelte Hoffnung: jene, dass sie das Los am Montag vor Bayern, Barcelona, Real und Chelsea verschont. Und dass die Großen dann bei der nächsten Auslosung, bei der fürs Viertelfinale, vielleicht aufeinandertreffen.

© SZ vom 13.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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