Europa League: Stuttgart - Lissabon:Ersatzbank, Tor, Krankenhaus

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Der gerade von Trainer Labbadia beförderte Torwart Marc Ziegler verlässt das Europa-League-Spiel gegen Lissabon mit einer schweren Gehirnerschütterung. Der VfB Stuttgart verliert 0:2.

Jürgen Schmieder

Man kann dem VfB Stuttgart nun wahrlich nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben bei der Europa-League-Partie gegen Benfica Lissabon. Vor dem Spiel dröhnte Musik aus den Lautsprechern, zu der Rocky Balboa einst bei seiner Vorbereitung auf den Russen Ivan Drago trainierte. Guido Buchwald war als Maskottchen im Stadion und die treuen Fans durften von der Baustellen-Tribüne auf die Haupttribüne auswandern.

Freude und Erleichterung: Michael Ballack jubelt gemeinsam mit Arturo Vidal. (Foto: AFP)

Bruno Labbadia erinnerte sich daran, dass er als Trainer auch ein wuchtiges Zeichen setzen könnte - also nahm er den 22-jährigen Sven Ulreich aus dem Tor und ersetzte ihn durch den zwölf Jahre älteren Marc Ziegler. "Wir mussten etwas tun und einen Akzent setzen", hatte er vor der Partie gesagt. "Wir erhoffen uns Stabilität durch Erfahrung." Die Maßnahmen blieben jedoch ohne Erfolg: Ziegler musste verletzt ausgewechselt werden, der VfB Stuttgart verlor die Partie mit 0:2 (Hinspiel: 1:2) und schied damit aus der Europa League aus.

Die Torwartposition war indes auch die einzige, auf der Labbadia noch hatte Veränderungen vornehmen können, ansonsten durfte beim VfB Stuttgart jeder von Beginn an auflaufen, der sich einigermaßen schmerzfrei bewegen konnte. "Wir spielen mit dem letzten Aufgebot", sagte Labbadia, nachdem sich am Nachmittag auch noch Verteidiger Serdar Tasci verletzt abgemeldet hatte.

Der VfB Stuttgart setzte zu Beginn der Partie tatsächlich positive Akzente. Ziegler entschärfte einen Heber von Nicolás Gaitán (6.) und parierte reaktionsschnell gegen Fabio Coentrao (17.). Christian Träsch gelang eine Grätsche, die Mark van Bommel zur Ehre gereicht hätte (9.), der temperamentvolle Zugang Shinji Okazaki dribbelte immer wieder gekonnt auf der linken Seite und auch die Gesten von Bruno Labbadia am Spielfeldrand (1.-31.) konnten sich sehen lassen.

Die ansehnlichste Gelegenheit der ersten Halbzeit hatte Martin Harnik, in der Rückrunde ohnehin die prägende Figur der Stuttgarter, weil er entweder wichtige Tore erzielt oder formidable Gelegenheiten grotesk vergibt. In der 22. Minute entschied sich der Österreicher für die zweite Variante, aus zehn Metern prügelte er den Ball an die Fäuste von Roberto Jimenez.

Auf diese starke Phase der Stuttgarter folgte der Führungstreffer durch die Portugiesen in der 31. Spielminute. Harnik klärte einen harmlosen Eckball aus dem Strafraum, der Ball sprang zu Eduardo Salvio. Der drosch das Spielgerät aus 22 Metern ins linke untere Eck. Es hatte nach diesem Treffer den Anschein, als wären die Stuttgarter Spieler derart schockiert, dass nicht einmal Rocky Balboa höchstselbst noch etwas hätte bewirken können - auch Labbadia stand nun regungslos und mit den Händen in der Manteltasche herum.

Der nächste Schock für die Stuttgarter ereignete sich direkt zu Beginn der zweiten Halbzeit. Ziegler prallte unglücklich mit einem Gegenspieler zusammen, blieb minutenlang auf dem Rasen liegen, war kurz bewusstlos und musste mit einer schweren Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das hatte freilich zur Folge, dass der vor dem Spiel degradierte und nach eigener Aussage "todtraurige" Ulreich wieder zwischen die Pfosten durfte.

Am Freitagvormittag sagte ein VfB-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa: "Die Computertomographie hat ergeben, dass er keine Schäden am Kopf oder Hals davongetragen hat." Wie lange Ziegler ausfällt, sei derzeit offen. Der 34-Jährige werde aber auf jeden Fall am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt fehlen. Die Klinik darf Ziegler immerhin am Freitag schon verlassen.

Im Gegensatz zum Gegentreffer in der ersten Halbzeit hatte dieses Schockerlebnis jedoch positive Auswirkungen auf die Stuttgarter. Sie kombinierten wieder wie zu Beginn des Spiels, setzten den Gegner früh unter Druck und erspielten sich zahlreiche Torchancen. Träsch (54.) und Okasaki (70./74.) schossen knapp vorbei, die Versuche von Hajnal (56.) und Kuzmanovic (59.) wurden geblockt.

Ähnlich wie in der ersten Halbzeit fiel auch der zweite Gegentreffer unerwartet. Oscar Cardozo schnibbelte in der 78. Spielminute den Ball an den Innenpfosten, von wo aus er ins Tor sprang. Die Partie war gelaufen, außer ein paar gefälligen Angriffen war von den Stuttgartern kaum mehr etwas zu sehen. Am Ende wurde Kuzmanovic gar noch des Feldes verwiesen.

Nach der Niederlage kann sich der VfB Stuttgart von nun an komplett auf den Abstiegskampf in der Bundesliga konzentrieren. "Wir wollen uns in der Europa League Selbstvertrauen für die Liga holen", hatte Sportdirektor Fredi Bobic vor der Partie gesagt. Das ist nicht gelungen.

Europa League
:Schusters nächste Blamage

Besiktas Istanbul und sein deutscher Trainer kassieren wieder vier Tore, Michael Ballack trifft beim Comeback, Liverpool und Glasgow kommen erst spät weiter.

Ein besseres Trainingsspiel hat Torschütze Michael Ballack und Bayer Leverkusen zum Achtelfinal-Einzug in der Europa League genügt. Bayer gewann gegen Metalist Charkow nach der 4:0-Gala in der Ukraine daheim 2:0 (0:0). Ballack (70.) erzielte am Donnerstag nach der Führung durch Kapitän Simon Rolfes (47.) den Endstand.

Trainer vor der Baustelle: Bruno Labbadia beim Spiel gegen Benfica Lissabon. (Foto: dapd)

Der Tabellen-Zweite der Bundesliga trifft am 10. und 17. März auf den FC Villarreal, momentan auf Platz vier in Spanien. Villarreal besiegte den SSC Neapel mit 2:1 und setzte sich nach 0:0 im Hinspiel durch. Die Leverkusener müssen zunächst daheim vorlegen.

Bayer-Trainer Jupp Heynckes hatte seine Startformation im Vergleich zum 4:2-Sieg am Sonntag gegen den VfB Stuttgart auf fünf Positionen verändert. Während Ballack neben Lars Bender im defensiven Mittelfeld begann und zu seinem dritten Saisoneinsatz über die volle Distanz kam, agierte Rolfes hinter Stürmer Stefan Kießling. Rolfes hätte schon in der fünften Minute für die Führung sorgen können, scheiterte aber am herausgelaufenen Torhüter Vladimir Disljenkovic.

Nur eine Minute später war der gebürtige Serbe geschlagen, doch Bender bekam den Ball nicht an dessen früherem Landsmann Milan Obradovic vorbei, der das Leder vor der Torlinie im Liegen abblockte. Heynckes hatte trotz des bequemen Polsters aus dem Hinspiel vor der Partie Engagement von seinen Schützlingen gefordert, die nach 20 Minuten aber den Schongang einlegten.

"Wenn man heute gut spielt, ist das auch sehr gut für das Bremer Spiel", sagte der Coach mit Blick auf den Bundesliga-Auftritt bei Werder am Sonntag. Ballack sollte in seinem 94. Europapokal-Einsatz weitere Spielpraxis sammeln. "90 Minuten in diesem Wettbewerb bringen ihn weiter", betonte Heynckes. Die Zuschauer munterten den 34-Jährigen auf.

Ballack leitete in der 16. Minute den nächsten gefährlichen Angriff ein, nach dem folgenden Eckball schoss Manuel Friedrich über das Tor. Auch der Tabellendritte aus der Ukraine bemühte sich, war aber harmlos. René Adler musste bis zur Pause nur einen Schuss von Marko Devic parieren (19.). Danach schläferten beide Mannschaften die 16.212 Fans in der BayArena ein. Erst ein gehaltener 20-Meter-Knaller von Nicolai Jørgensen weckte die Zuschauer (41.) kurz vor dem Halbzeitpfiff.

Ballack bekam in der zweiten Hälfte Arturo Vidal an die Seite gestellt und leitete mit einem abgeblockten Schuss das 1:0 ein. Renato Augusto passte gedankenschnell auf Rolfes, der diesmal einschoss. Ballack schaltete sich nun häufiger in die Offensive ein und ließ gelegentlich alte Klasse aufblitzen. Die Hausherren wirkten insgesamt wieder engagierter.

Jørgensen scheiterte beim Versuch, die Kugel in den Torwinkel zu zirkeln (63.). Heynckes gab nun auch Nachwuchskräften eine Chance. Nach Rückpass des 17-jährige Danny da Costa war Ballack zur Stelle, zimmerte den Ball aus kurzer Entfernung unter die Latte und krönte seine insgesamt gelungene Vorstellung mit seinem 20. Europapokal-Tor. Da Costa (81.) und Kevin Kampl (86.) verpassten danach noch das 3:0.

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