ERC Ingolstadt:Von Eseln geritten

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Der Psychologe ist gefragt: Ingolstadts Cheftrainer Mark French (rechts vorne) muss sein Team wieder in die Spur bekommen. (Foto: Johannes Traub/Imago)

Nach einem beinahe perfekten Saisonstart mit neuem Trainer ist der ERC Ingolstadt in eine Niederlagenserie geschlittert. Aus der anfänglichen Leichtigkeit ist Verunsicherung geworden.

Von Christian Bernhard

Am Tag danach war es im Training des ERC Ingolstadt ruhig. Die Gruppe war kleiner als üblich, einige Spieler hatten die kurze Einheit am Freitagvormittag krankheitsbedingt verpasst. Die Ruhe hatte aber auch mit dem Vorabend zu tun, an dem der ERC sein Heimspiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen die Kölner Haie mit 1:4 verloren hatte - womit er seinen Negativtrend fortsetzte: Vier der jüngsten fünf Partien haben die Oberbayern verloren.

Dabei hatte der Saisonstart ganz andere Hoffnungen geweckt. Zehn von zwölf möglichen Punkten gewann der ERC, doch seit dem 1:3 beim EHC Red Bull München Anfang Oktober ist Sand im Getriebe. "Wir haben den Flow verloren", sagt Angreifer Marko Friedrich. Alles sei verkrampft, die Leichtigkeit dahin. Für Friedrich fühlt es sich an, "als ob wir einen Esel auf dem Rücken hätten".

Wenn es bei den Ingolstädtern gut läuft, ist ihr Spiel energiegeladen und vor allem eines: schnell. Im Moment sind die Umschaltmomente, die große Stärke des ERC, aber nicht mehr so explosiv und schnörkellos wie in guten Phasen. Friedrich spricht von einer "mentalen Geschichte", die den ERC derzeit hemmt. Es gehe los mit Kleinigkeiten, die sich dann zu einem "größeren Gefühl" aufbauschen. Und dieses Gefühl trägt einen Namen: Verunsicherung.

Drei neue Importstürmer kommen gemeinsam erst auf vier Saisontore - nur eines der Probleme

Dem neuen Trainer Mark French missfielen zuletzt verschiedene Aspekte im Spiel seines Teams. Bei der 0:3-Niederlage gegen die Eisbären Berlin vor einer Woche monierte er fehlendes Zweikampfverhalten, zwei Tage später, nach dem 2:4 in Düsseldorf, vermisste er die Puckkontrolle. Das schwache Spiel mit der Scheibe habe seine Mannschaft in "schlechte Situationen" gebracht. Das 1:4 gegen Köln offenbarte Ingolstadts aktuelle Probleme in Über- und Unterzahl.

Über allem hängt die fehlende Durchschlagskraft der Offensive: Bei den vier jüngsten Niederlagen trafen die Oberbayern insgesamt nur fünfmal. "Deine besten Spieler müssen auch deine Besten sein, speziell in der Offensive", sagte French am Donnerstag und gab damit zu verstehen, dass sie dies aktuell nicht sind. Die Statistiken geben dem ERC-Trainer Recht. Brian Gibbons bereitete das zwischenzeitliche 1:0 von Tye McGinn zwar schön vor, doch addiert haben die drei neuen Importstürmer, zu denen auch Charles Bertrand gehört, erst vier Treffer in dieser Saison erzielt. Wayne Simpson, Ingolstadts verlässlichster Scorer der vergangenen Spielzeiten, hat auch erst einmal getroffen.

Da ist es doppelt bitter, dass Justin Feser, der mit drei Toren und vier Assists sehr gut in die Saison gestartet war, gegen Köln Teil eins seiner Drei-Spiele-Sperre absaß, die er für einen Stockschlag in Düsseldorf aufgebrummt bekommen hatte. Auch deshalb hatte French gegen Köln all seine Sturmreihen durcheinander gewürfelt. Nicht mit den Spielern aufzulaufen, mit denen man normalerweise eine Linie bildet, mache einen Unterschied, erklärte Frederik Storm, der sehr gut mit Feser und Friedrich harmonierte, ehe Fesers Sperre das Trio trennte. "Aber wir sind Profis, wir sollten das besser handhaben."

Marko Friedrich macht sich Mut: Sie seien immer noch dieselben Spieler wie vor zwei Wochen

Friedrich hat zwei Hauptaspekte für die stotternde Offensive ausgemacht. Zum einen kreiere der ERC nicht mehr so viele Torchancen wie zu Beginn der Saison, zum anderen fehle die Vehemenz, diese zu nutzen. Ob auch die Präsenz vor dem gegnerischen Tor fehle? "Absolut", findet Friedrich.

Beispielhaft zeigte diese Qualität am Donnerstag Louis-Marc Aubry. Man kennt das aus der vergangenen Saison in Ingolstadt, doch im Sommer ist der Kanadier eben nach Köln gewechselt. Er ließ sich in Minute 32 in Überzahl einfach nicht vor ERC-Torhüter Michael Garteig aus der Gefahrenzone schieben und fälschte die Scheibe zum spielentscheidenden 2:1 ab.

Solche Fähigkeiten gehen der technisch versierten und temporeichen Ingolstädter Offensive derzeit ab. Deshalb sprach der erfahrene Storm diesen Punkt hinterher auch explizit an. "Wir gewinnen die Zweikämpfe vor dem gegnerischen Tor nicht", monierte der Däne bei Magentasport. "Da müssen wir stärker sein." Speziell am Sonntag, wenn die Ingolstädter bei den physisch robusten Mannheimer Adlern zu Gast sind (16.30 Uhr).

Der studierte Psychologe French muss seinen (Offensiv-)Spielern wieder Vertrauen in ihre Fähigkeiten einhauchen. Verbal arbeitete er bereits am Donnerstag in diese Richtung. Er sei fest davon überzeugt, dass das Leben zu zehn Prozent daraus bestehe, was passiert, sagte er - und zu 90, wie man darauf reagiert. Marko Friedrich nahm diesen Gedanken auf. Es gehe darum, mit dem Bewusstsein ins Mannheim-Spiel zu gehen, "dass wir immer noch die gleichen Spieler wie vor zwei Wochen sind".

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