Englischer Fußball:England freut sich auf die Schlacht der Bosse

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"Je länger ich warte, desto schwieriger wird es werden": Arsène Wenger (Foto: Alex Broadway/Getty Images)

Guardiola, Mourinho, Klopp: Mit der größten Ansammlung stattlicher Trainer-Egos startet die Premier League in die neue Saison. Für Arsène Wenger dürfte es die letzte sein.

Von Javier Cáceres, London

Der Dienstälteste hat Angst, und das geht ihm schon länger so. Man kann es nachlesen in einem Buch, das pünktlich zum Premier-League-Auftakt an diesem Wochenende erschien und in den Buchhandlungen in England ausliegt: "Game Changers". Die Furcht, von der die Rede ist, gehört Arsène Wenger, er wurde am 30. September 1996 als neuer Trainer des FC Arsenal vorgestellt und geht nun als Dekan in die neue Saison.

Der Abschied naht, am 22. Oktober wird er 67 Jahre alt, sein Vertrag läuft 2017 aus. "Es ist mein Leben gewesen, und ehrlich gesagt habe ich ziemliche Angst vor dem Tag", sagte Wenger dem Buchautor Alan Curbishley und meinte: den Tag, an dem alles vorüber sein wird. "Je länger ich warte, desto schwieriger wird es werden (aufzuhören), und desto schwieriger wird es (danach) sein, die Sucht zu überwinden."

Game Changer - das wäre ein Titel, der zu einer Biografie Wengers passen würde. Er hat in seiner Zeit in England viel dazu beigetragen, dass sich der Fußball änderte, und auch, dass die Insel sich in ein beispielloses Trainer-Labor verwandelt hat. "Noch nie gab es in England - und vermutlich auch sonst nirgendwo - eine solche Ansammlung von so außergewöhnlichen Trainerbegabungen", schrieb das Magazin Four-Four-Two in seiner Saisonvorschau.

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Die aufregendsten Figuren der Trainerszene sind in diesem Jahr in der Premier League zu finden: Josep Guardiola bei Manchester City, José Mourinho bei Manchester United, Jürgen Klopp beim FC Liverpool, Antonio Conte beim FC Chelsea fordern Claudio Ranieri von Meister Leicester City heraus. Allesamt Ausländer - wie überhaupt nur vier englische Klubs von Engländern trainiert werden, zahlenmäßig sind die Italiener ebenbürtig.

Eine derartige Ballung von nichtbritischen Führungskräften in Zeiten des Brexit, des Austritts der Briten aus der Europäischen Union, der ja auch von xenophober Stimmungsmache getragen wurde - welche Ironie. Aber auch vor dem Hintergrund der englischen Fußballgeschichte ist es bemerkenswert.

Nur ein Brite holte seit 1996 den Titel - dafür zehn Mal

Der erste Trainer, der einen englischen Erstligisten coachen durfte, war der Slowake Jozef Venglos - im Jahr 1990. Seit Wengers Ankunft hat es nur einen Briten gegeben, der den Premier-League-Titel gewinnen konnte, das allerdings zehn Mal: der Schotte Alex Ferguson mit Manchester United, letztmals 2005. 2014 wurde erstmals ein nichteuropäischer Trainer Meister: der Chilene Manuel Pellegrini mit Manchester City.

"Das alles", sagt Gérard Houllier und meint die Hinwendung zu nichtbritischen Trainern, "hat sehr viel mit Arsène zu tun. Der schnelle Erfolg, den er mit dem Doublegewinn 1998 an den Tag legte, hat anderen Trainern aus dem Ausland den Weg geebnet." Houllier, 68 und zuletzt Sportdirektor bei RB New York, kam zwei Jahre nach Wengers Ankunft zum FC Liverpool, er gewann 2001 den Uefa-Cup und den FA-Cup - als erster nichtbritischer Trainer des Klubs, der nun von Klopp trainiert wird und am Sonntag gegen Wengers Arsenal antritt.

"Wenger importierte eine neue Mentalität", sagt Houllier. "Er änderte die Vorbereitung, sorgte für neue Trainingsanlagen, baute ein neues Stadion. Man kann wahrscheinlich sagen, dass er alles professioneller gemacht hat."

Dreimal wurde Wenger mit Arsenal Meister, 2004 auf unerhörte Weise. Seine Mannschaft verlor in der gesamten Meisterschaft nicht ein einziges Spiel, "The Invincibles", wurden sie genannt, die Unbezwingbaren. Allein: Seitdem hat Arsenal keinen Titel mehr gewonnen; im vergangenen Jahr wurde das Überraschungsteam Leicester City Meister, dessen Trainer Claudio Ranieri sagt, "die Wahrscheinlichkeit, dass E. T. auf dem Piccadilly Circus landet, ist größer, als dass Leicester City wieder den Titel holt". Die Buchmacher sagen ein Duell zwischen den beiden Manchester-Klubs City und United voraus, die den Markt mit dem Geld zuballern, das den Premier-League-Klubs zur Verfügung steht. Und das ist obszön viel Geld.

Arsenal-Fans sind nervös

Seit 1994 sind die TV-Einnahmen um das 150-Fache gestiegen, auf nun mehr als eine Milliarde Euro jährlich. Sieben der zehn teuersten Transfers des bisherigen Sommers tätigten laut transfermarkt.de Premier-League-Klubs, der teuerste war Paul Pogba, der für 105 Millionen Euro von Juventus Turin zu Manchester United ging; am ersten Spieltag gegen Bournemouth fehlt Pogba allerdings, seine Gelbsperre aus dem italienischen Pokal wurde auf die Premier League übertragen.

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Auch angesichts dieser Zahlen sind die Arsenal-Fans seit Wochen nervös, weil Wenger kaum Anstalten macht, Geld in Spieler zu investieren - obwohl er laut The Guardian 159 Millionen Pfund auf der Bank liegen hat - 184 Millionen Euro. Der namhafteste Zugang ist Granit Xhaka aus Mönchengladbach, er kostete 41 Millionen Euro. Zurzeit ist der deutsche Nationalverteidiger Shkodran Mustafi vom FC Valencia im Gespräch, als Ersatz für den am Knie verletzten Per Mertesacker.

Das erhöht den Druck auf Wenger, der in der "Schlacht der Bosse" ( The Sunday Times) beweisen muss, dass er mit den neuen Impulsgebern des Fußballs Schritt halten kann - etwa in einer Schlacht der Ideen. Wenger war ein Revolutionär, der zahllose Talente vom Festland nach England brachte, eine neue Philosophie installierte. Nun sind dort nicht mehr nur die Klopps, Guardiolas, Contes und Mourinhos, sondern auch interessante, junge Trainer wie Mauricio Pochettino (Tottenham), Ronald Koeman (Everton), Slaven Bilic (West Ham United), die unterschiedlichste Vorprägungen einfließen lassen.

"Die langen Bälle gibt es nicht mehr"

Nur vier der Trainer, die in diesem Jahr in England coachen, waren als Trainer aktiv, als Wenger sein Amt bei Arsenal antrat, der Rest spielte noch: Guardiola beim FC Barcelona, Klopp in der zweiten Liga bei Mainz 05, Conte bei Juventus, der Waliser Mark Hughes (Stoke City) beim FC Bayern. Sie stehen allesamt für einen komplexeren Fußball, der weit entfernt ist vom klischee-englischen Stil, den Wenger ebenfalls zu überwinden half. "Die langen Bälle gibt es nicht mehr", sagt Houllier, "sogar Leicester hat im letzten Jahr versucht, das Spiel von hinten aufzubauen."

Doch nicht alles hat sich geändert, seit Wenger da ist. "Das Tempo ist geblieben", sagt Houllier, und es deutet nichts darauf hin, dass es nun gedrosselt wird. "Schnallt euch an!", richtete Trainer Pep Guardiola den Fans von Manchester City aus.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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