EM-Qualifikation der DFB-Elf:Weltmeister im Improvisieren

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Absolvierte sein drittes Länderspiel von Beginn an: Sebastian Rudy (li.) im Zweikampf gegen Schottlands Ikechi Anya (Foto: dpa)

Überraschend hilft Mittelfeldspieler Sebastian Rudy in der EM-Qualifikation gegen Schottland auf der Rechtsverteidiger-Position aus. Der Hoffenheimer erledigt seine Aufgabe weitgehend gewissenhaft - zukünftig will Rudy aber lieber an anderer Stelle helfen.

Von Lisa Sonnabend, Dortmund

Sebastian Rudy bot sich plötzlich eine neue Perspektive auf dem Fußballplatz. Die Gegner, die ihm gegenüber standen, kamen nicht aus der Bundesliga, sondern waren von weit her aus Schottland angereist. Was dem Mittelfeldspieler noch mehr zu schaffen machte: Er befand sich auf einer völlig ungewohnten Position wieder. Bundestrainer Joachim Löw hatte ihn für das EM-Qualifikationsspiel am Sonntagabend als Rechtsverteidiger aufgestellt.

Nur wenige hatten damit gerechnet, dass Sebastian Rudy von der TSG Hoffenheim bei seinem dritten Länderspiel von Beginn an auf dem Platz stehen würde. Dass die gelernte Mittelfeldkraft beim 2:1-Erfolg gegen Schottland in der Abwehr eingesetzt wurde, überraschte ihn selbst. "Ich war doch schon froh, dass ich überhaupt nachnominiert wurde", sagte der 24-Jährige nach der Partie. Erst am Dienstag hatte der Bundestrainer bei Rudy angefragt, ob er Zeit und Lust für zwei Länderspiele habe. Er hatte.

Seine Karriere begann Rudy in der Jugend des VfB Stuttgart. Einsätze als Rechtsverteidiger sind aus dieser Zeit nicht überliefert. Seit er 2010 nach Sinsheim wechselte, musste er immerhin einmal in der Abwehr aushelfen. Doch das ist bereits eine Weile her: im DFB-Pokal in der Saison 2010/2011.

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Warum war Löw nun auf die Idee gekommen, einen ungelernten Verteidiger im ersten Pflichtspiel nach der WM aufzustellen? Gegen die defensiv agierenden Schotten setzte der Bundestrainer auf eine Elf, die sich weit in die Hälfte des Gegners vortastete. Löw stufte Kevin Großkreutz nach dessen schwacher Leistung im Testspiel gegen Argentinien als vorübergehend ungeeignet ein. Beim zweiten Anwärter für die rechte Außenbahn, Stuttgarts Innenverteidiger Antonio Rüdiger, hatte der Bundestrainer Mängel in der Spieleröffnung ausgemacht. Also wurde Rudy kurzerhand umgeschult. "Ich habe ihn aufgestellt, weil er im Training am Ball sehr sicher war", erklärte Löw nach der Partie. "Ich habe gesehen, dass er auf der Position in der Spielauslösung nach vorne sehr gut sein kann."

Zunächst erledigte der Hoffenheimer seinen neuen Job, als spiele er seit der E-Jugend auf dieser Position. Rudy rannte viel, er leitete offensive Aktionen ein, bot sich den Teamkollegen ständig an, und die dankten es ihm mit frequenten Zuspielen. Als Rudy einmal Ikechi Anya früh störte und den Ball abnahm, gab es Szenenapplaus. In der 18. Minute beförderte Rudy eine Flanke derart präzise in den Strafraum, dass Thomas Müller nur noch hochhüpfen musste, um den Führungstreffer zu erzielen.

In der zweiten Hälfte exponierten die schottischen Angreifer allerdings Rudys Defensivschwächen. Der 1,77 Meter große Mittelfeldspieler agierte unkonzentrierter, befand sich dabei allerdings in bester Gesellschaft - auch die Abwehrkollegen Jérome Boateng, Benedikt Höwedes und Erik Durm arbeiteten nun phasenweise nur noch in Teilzeit-Schichten. In der 66. Minute entwischte der flinke Anya dem unachtsamen Rudy und erzielte den Ausgleich.

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Auch weil Müller anschließend noch für den Siegtreffer sorgte, zeigte sich Löw durchaus zufrieden mit seinem Rudy-Experiment. "Es war eine gute Variante in diesem Spiel", pries sich der Bundestrainer selbst. Auch für den Hoffenheimer gab es ein Lob, wenn auch kein überschwängliches. "Über lange Zeit war ich mit beiden Außenverteidigern zufrieden", sagte Löw.

Rudy trottete nach der Partie zum Ausgang des Westfalenstadions, eine Hand hielt er in der Hosentasche, mit der anderen zog er eine schwarze Ledertasche hinter sich her. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die langen Haare nach dem Duschen zu föhnen. Rudy sah ein bisschen aus wie Thorsten Frings - nur zarter.

Ob er in Zukunft öfter auf der Abwehrposition spielen werde, wollte jemand wissen. "Eher nicht", antwortete Rudy knapp. Demnächst einmal als Mittelfeldspieler für die Nationalelf aufzulaufen, dagegen hätte er allerdings nichts einzuwenden.

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