Englands hochveranlagte Fußball-Generation hat die eigenen Fans gleich zum Start in die Europameisterschaft von einem großen Sommer träumen lassen. Angetrieben von mehr als 20 000 Zuschauern im heimischen Wembley-Stadion legten die Three Lions am Sonntag mit einem hart erkämpften 1:0 (0:0)-Sieg gegen Vize-Weltmeister Kroatien los und bejubelten Englands ersten Sieg zum EM-Auftakt im zehnten Versuch seit 1968. "Es ist super, mit einem Erfolg zu starten. Es wird ein harter Weg, aber der Start ist uns gelungen. Das ist ein gutes Zeichen für das gesamte Turnier", sagte Kapitän Harry Kane.
Raheem Sterling (57. Minute) erzielte den erlösenden Treffer, der das Stadion im Nordwesten Londons trotz vergleichsweise geringer Auslastung für einige Sekunden zum Beben brachte. Der Auftakterfolg könnte auch ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Versöhnung mit einem Teil der eigenen Anhänger sein.
Einige von ihnen hatten die Mannschaft auch kurz vor dem EM-Start für eine Anti-Rassismus-Geste ausgebuht. Als Kapitän Harry Kane und seine Mitspieler vor dem Anpfiff mit einem Knie auf den Boden gingen, bekundeten erneut einige Zuschauer ihren Unmut, der allerdings im lautstarken Beifall des Rests so gut wie unterging. Auch vor dem zweiten Vorrundenmatch am Freitag gegen Schottland wollen die Three Lions wieder niederknien. Kroatien spielt ebenfalls Freitag gegen Tschechien und steht dann schon unter Druck.
Das erste Topspiel dieser Europameisterschaft hielt über weite Strecken nicht, was sich viele Fans erhofft haben dürften. Nach einer stimmungsvollen Begrüßung durch die eigenen Anhänger schienen die Three Lions den Vize-Weltmeister zwar in der Anfangsphase zu überrollen. Doch nach einem Pfostentreffer von Phil Foden (6.) und einem Volley von Mittelfeldspieler Kalvin Phillips (9.) bauten sie genauso schnell wieder ab.
England kann Luka Modric kaum kontrollieren
Southgate verzichtete beim EM-Auftakt etwas überraschend auf Borussia Dortmunds Flügelstürmer Jadon Sancho, der es nicht mal in den Spieltagskader geschafft hatte. Kapitän Harry Kane wurde im Angriff stattdessen von Sterling und Foden flankiert, die den 27-Jährigen jedoch kaum in Szene setzen konnten. Weil auch Kroatiens Offensivtrio um den Hoffenheimer Andrej Kramaric kaum in Erscheinung trat, entwickelte sich in Wembley eine zähe Partie.
Bei der Neuauflage des WM-Halbfinals von 2018 dirigierte erneut Kroatiens Luka Modric das Spiel der Gäste. Fast alles lief über den mittlerweile 35-Jährigen, den die Engländer kaum unter Kontrolle bekamen. Gleichzeitig leisteten sich die Three Lions unerwartet viele Fehler im Spielaufbau. Vor allem Manchester Citys Rechtsverteidiger Kyle Walker unterliefen schon im ersten Durchgang mehrere Fehlpässe.
Bis zu sechs Heimspiele inklusive Finale könnten die Engländer in Wembley bestreiten. Alles andere als mindestens das Halbfinale wäre daher eine Enttäuschung, wie auch Southgate vor dem Turnier zugegeben hatte. Diese Erwartungshaltung schien sein Team zunächst zu erdrücken - bis Sterling für die Erlösung sorgte.
Nach einem feinen Schnittstellenpass von Mittelfeldspieler Phillips kam Sterling frei vor Kroatiens Keeper Livakovic an den Ball und versenkte ihn zur Führung. Ganz Wembley atmete in diesem Moment auf. Modric (55.) probierte es kurz darauf aus der Distanz, sein Flachschuss stellte aber kein Problem für Englands Torhüter Jordan Pickford dar. Aber auch die Engländer trieb die eigene Führung nicht zur Bestleistung an. Es blieb zäh in London. Ein Freistoß von Mason Mount (67.) ging knapp über das Tor.