DFB-Team:Kroos' süffisante Konter

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Stellte Kroos nie in Frage: Budestrainer Löw. (Foto: Andreas Gebert/REUTERS)

Immer mehr Beobachter stellen Toni Kroos in Frage oder äußern Zweifel. Der Regisseur von Real Madrid reagiert auf die Debatte gelassen und mit verstecktem Witz - denn er weiß Joachim Löw auf seiner Seite.

Von Philipp Selldorf, Herzogenaurach

Wie im Ferienklub gibt es auch in der Nationalmannschaft für jeden Zeitvertreib eine Neigungsgruppe. Unter anderem sind da die Golfspieler, allen voran Niklas Süle, Thomas Müller und Jonas Hofmann, die es bereits zu hoher Platzreife gebracht haben. Andere gehen bei jeder Gelegenheit auf den Tennisplatz, wo sich Manuel Neuer auf mindestens semiprofessionellem Niveau bewegen soll, während das Duo Bernd Leno und Marcel Halstenberg weiterhin im Amateurstatus verharrt. Auch Toni Kroos hat bereits seine Bestimmung für die Freizeit gefunden, wie er am Freitag in Herzogenaurach mitteilte: "Ich bin mittlerweile in der Gruppe Regeneration angekommen", erklärte der 31 Jahre alte Profi von Real Madrid. Man werde ihn zwischen Training und Spiel sehr selten beim Leistungssport "erwischen - die Wege werde ich mir ersparen".

Kroos hatte immer schon einen Hang zum versteckten Witz und zur Ironie, in dieser Bemerkung steckt allerdings einerseits Selbstironie und andererseits eine Retourkutsche: Er kokettiert mit seinem vergleichsweise fortgeschrittenen Alter und gibt zugleich den Kritikern eine Antwort, die ihm einen nachlassenden Bewegungsradius nachsagen. Dieser ketzerische Kreis hat in letzter Zeit Zulauf erhalten, aktuell ist ihm zum Beispiel der Kolumnist und Multi-Kommentator Lothar Matthäus beigetreten. Dessen ideale Startelf für das Auftakt-Spiel gegen Frankreich ist eine Elf ohne Toni Kroos, den Matthäus sogar zum "Problem" erklärte. Kroos erwiderte darauf als Gast in einem Podcast namens "Eine Halbzeit mit ..." angemessen süffisant. Es gebe so viele Experten, dass das Studium ihrer Empfehlungen "anstrengend" werde. Und unnötige Anstrengungen will Kroos ja bekanntlich meiden.

Es ist aber auch nicht zu überhören, dass Kroos die Debatte auf die Nerven geht. Offenbar hat er den Eindruck gewonnen, dass die öffentliche Meinung sich zunehmend gegen ihn wendet. Die Argumente, die er dabei immer wieder zu hören bekommt - mangelndes Defensiv- und Tempospiel - wies er am Freitag mit einer Art Grundsatzlektion zurück: "Es kommt wie immer darauf an, wie wir das als gesamte Mannschaft lösen, mit und ohne Ball. Man kann die defensivste Aufstellung wählen - wenn die Abstände und das Anlaufen nicht stimmen, dann wird's schwer. Entscheidend ist, wie die gesamte Mannschaft arbeitet und verteidigt." Diese Vorlesung hätte wortwörtlich auch der Bundestrainer halten können, und es dürfte Toni Kroos zugutekommen, dass Jogi Löw nicht nur seine Spielauffassung teilt, sondern auch sein wichtigster Verbündeter ist.

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