Eiskunstlauf in Oberstdorf:Kaltstart in den Winter

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Tanzpremiere: Minerva Hase und ihr neuer russischer Partner Nikita Volodin überzeugen die Juroren in Oberstdorf. (Foto: Raniero Corbelletti/Aflosport/Imago)

Für die deutschen Eiskunstläufer bleibt der Paarlauf die erfolgreichste Disziplin: Das neue Duo Minerva Hase und Nikita Volodin gewinnt auf Anhieb bei der Nebelhorn-Trophy - ein Verbandswechsel machte dies möglich.

Von Barbara Klimke, Oberstdorf

Zwischen Toeloop und Temperatursturz besteht kein auffälliger Zusammenhang. Zur Nebelhorn-Trophy der Eiskunstläufer in Oberstdorf hatte sich das Wetter diesmal trotzdem vorbildlich an den Allgäuer Veranstaltungskalender gehalten: 15 Grad weniger über Nacht, kalter Regen, und anderntags lag Puder auf dem Nebelhorn und den umliegenden Gipfeln. Das passte zum Kaltstart von Kai Jagoda in die Wintersaison.

Für Jagoda, 23, und internationale Konkurrenten diente die Nebelhorn-Trophy dazu, auf Betriebstemperatur zu kommen, von Null auf Hundert auf Kufen. Sein letzter Wettkampf lag Monate zurück. Nicht jeder Sprung saß gleich auf Anhieb, aber als Jagoda seine neue Kür, einen Walzer, vor den Juroren auf den Prüfstand brachte und schließlich ein siebter Rang feststand, war er nicht komplett unzufrieden. 187 Punkte, "man muss es positiv sehen", sagte er. Das war nur einen Punkt weniger als seine persönliche Bestleistung.

Jagoda gehört noch nicht zu den Vierfachspringern wie der fabelhafte Franzose Adam Siao Him Fa, der 22-jährige Europameister, der gleich drei dieser Turbos (Toelop, Lutz, Salchow) zündete und den Männer-Wettbewerb mit 279 Punkten gewann. Über den Sommer, so sagte Trainer Michael Huth, habe Jagoda, die Nummer zwei in Deutschland, sehr gute Fortschritte gemacht: "Und was die Vierfachen betrifft, das kommt noch."

Punkesammler: Kai Jagoda erreicht zum Saisonbeginn fast sein persönliches Bestergebnis. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Vor zwei Jahren erst ist der Psychologiestudent Kai Jagoda nach Oberstdorf gezogen, an einen Standort, den der internationale Eislaufverband ISU zum "Center of Excellence" kürte, ein Gütesiegel, das im Kunstlauf weltweit nur sechsmal vergeben wurde, unter anderem an Peking und Detroit. Vorher hatte er in Berlin trainiert und an der Humboldt-Universität studiert, inzwischen findet die akademische Ausbildung online statt. Manchmal, sagt Jagoda selbstironisch, neige er dazu, die Dinge auch auf dem Eis zu sehr zu hinterfragen, statt auf scharfen Kanten einfach loszuflitzen. Ziel dürfte die Teilnahme an einer internationalen Meisterschaft sein, an EM oder WM. Diesen Platz hat ihm zuletzt der deutsche Meister Nikita Starostin, 21, streitig gemacht, der in Oberstdorf fehlte, weil er seinen Saisonstart zwei Wochen vorverlegte und in Bergamo auftrat. Warum die Deutsche Eislauf-Union (DEU) trotzdem mit dem abwesenden Starostin auf dem Plakat die Nebelhorn-Trophy bewarb, blieb ein Mysterium des Wochenendes.

Im Stützpunkt in Oberstdorf profitiert Jagoda auch davon, dass er mit einigen der Besten Europas täglich Rittberger und Salchows um die Wette springen kann: etwa mit Lukas Britschgi aus der Schweiz, dem EM-Dritten 2023, der ebenfalls zu Michael Huths Athletengruppe gehört.

Die Schweiz übertrifft Deutschland derzeit in den Einzelkonkurrenzen

Die kleine Schweiz hat sich zuletzt zu einer Großmacht in den Einzeldisziplinen aufgeschwungen. Indirekt konnte man diese Überlegenheit am Wochenende auch zahlenmäßig erkennen: Gleich drei Eiskunstläuferinnen hatte das Nachbarland zur Nebelhorn-Trophy, einem Challenger-Wettbewerb unterhalb der Grand-Prix-Kategorie, entsandt - Deutschland dagegen war bei den Frauen gar nicht vertreten. Denn die seit Jahren Beste hierzulande, Nicole Schott, 27, WM-Siebte im Frühjahr, hat eine Auszeit eingelegt. Team Schweiz besetzte übrigens die Spitze des Wettbewerb mit drei Plätzen unter den Top 5 - angeführt von der erst 16-jährigen EM-Dritten Kimmy Repond aus Basel, die mit der besten Kür des Tages auf Platz zwei (191 Punkte) hinter Isabeau Levito (USA/198) sprang.

Im Bereich der DEU bleibt der Paarlauf die Paradedisziplin. In diesem Wettbewerb legte das neue Duo Minerva Hase und Nikita Volodin, beide 24, mit dem Gewinn der Trophy den beachtlichsten Kaltstart hin. Seit anderthalb Jahren, sagte Minerva Hase, hatte sie so gut wie keinen Wettbewerb mehr bestritten. Ihr ehemaliger Berliner Partner Nolan Seegert, mit dem sie WM-Fünfte war, hatte nach dem Olympiawinter 2022 und einer Zwangsquarantäne in Peking, die das entkräftete Duo dort auf den letzten Platz zurückfallen ließ, die Karriere beendet. Mit Nikita Volodin, in St. Petersburg geboren, trainiert sie nun seit einem Jahr in Berlin, auch der russische Trainer Dmitry Savin ist derselbe geblieben. Die Nebelhorn-Trophy war nach einem Wettkampf in Bergamo vor zwei Wochen erst ihr zweiter Wettbewerb; und weil sie die beste Kür liefen, zogen Hase/Volodin an ihren deutschen Konkurrenten Annika Hocke/Robert Kunkel und den Italienern Lucrezia Beccari/Matteo Guarise vorbei. Annika Hocke und Robert Kunkel, Dritte bei der Europameisterschaft, jetzt auch Dritte in Oberstdorf, hat wohl ein Fehler in der Axel-Kombination eine bessere Platzierung gekostet.

Volodin läuft nun für die DEU, während seine Kollegen im russischen Verband wegen Russlands Angriffskriegs auf die Ukraine weiterhin von Wettkämpfen des Weltverbands ISU ausgeschlossen sind. "Wir haben um Freigabe gebeten, der russische Verband hat sie erteilt", sagte DEU-Präsident Andreas Wagner, erst seit Oktober 2022 im Amt, zu den Details konnte er sich am Wochenende nicht äußern: "Das wurde eingefädelt vor meiner Zeit."

Die Paarläufer Hase/Volodin, Hocke/Kunkel, und auch die Eistänzer Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin Steffan, die Siebte wurden, sind jedenfalls auf Touren gekommen bei der 55. Nebelhorn Trophy. Fürs nächste Jahr würden sie alle ein schönes Plakatmotiv abgeben.

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