Eishockey:Zeit für Höflichkeit

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Faust geballt: Pat Cortina hat gerade mehr Grund zum Jubeln als für Ärger. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der frühere Eishockey-Bundestrainer Pat Cortina wurde oft verschrien und kritisiert, mal als "Sheriff", dann als emotionslos. Jetzt steht er mit Wolfsburg in seinem ersten DEL-Finale.

Von Christian Bernhard

Das Bild, das sich am späten Freitagabend in der Mannheimer Arena bot, hätte nur schwerlich symbolträchtiger sein können. Vor der auf der Eisfläche platzierten Werbewand rang Pavel Gross, Trainer der Mannheimer Adler, nach Worten. Dahinter stand Pat Cortina, wartete auf seinen Interview-Auftritt - und jonglierte dabei locker lässig eine Scheibe in seiner rechten Hand. Als der Trainer der Grizzlys Wolfsburg vor die Werbewand trat, sagte er mit ruhiger Stimme: "Wir waren konzentriert. Wir haben gut gearbeitet. Wir waren mutig."

Auf Konzentration, Arbeitsethos, Organisation und defensiver Solidität fußt Cortinas ganze Trainerkarriere. Nun hat ihn all das erstmals ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft geführt. Cortina und sein Team warfen durch einen 2:1-Auswärtssieg in Spiel drei der Playoff-Halbfinalserie der Deutschen Eishockey Liga (DEL) den großen Meisterfavoriten Mannheim aus dem Rennen und zogen ins Finale ein. Dort treffen sie auf die Eisbären Berlin, die sich zuvor ebenfalls im alles entscheidenden dritten Halbfinalspiel gegen den ERC Ingolstadt mit 4:2 durchgesetzt hatten. Spiel eins der Best-of-Three-Finalserie steigt am Sonntag in Berlin (14.30 Uhr).

Wolfsburg im Finale - noch vor einem Monat war dieses Szenario kaum denkbar gewesen. Nach acht Niederlagen in zehn Spielen war nicht nur die Playoff-Teilnahme in Gefahr, auch Cortinas Trainerposten wackelte. Manager Karl-Heinz Fliegauf verkündete am Karfreitag, dass Cortina auch am Ostersonntag Wolfsburgs Trainer sein werde. Solche öffentlichen Bekundungen sind meist ein Zeichen dafür, dass es im Hintergrund brodelt. "Wir hatten eine Berg- und Talfahrt", sagte Fliegauf am Tag nach dem Finaleinzug, "da waren richtig schwierige Phasen dabei." Der Wolfsburger Tross befand sich da noch in Mannheim, ehe er am Nachmittag nach Berlin flog. Das symbolische Bild für jene schweren Wochen lieferte Cortina auch schon damals selbst: Zu Beginn der Niederlagenserie im März knickte er nach dem Spiel in Bremerhaven beim Absteigen von der Bank um und verletzte sich am Knöchel.

Doch die Wolfsburger befreiten sich aus dem Loch, obwohl es "nicht immer ganz einfach war, weil es viel Kritik gab", sagt Fliegauf. Der Manager gab zu verstehen, dass dieser Turnaround nicht selbstverständlich war: "Da muss man als Manager auch abwägen, ruhig bleiben und schauen, dem Druck standzuhalten." In diversen Besprechungen sagten sich Trainer, Manager und Führungsspieler deutlich die Meinung, "da musste man schon richtig ans Eingemachte gehen und alle am Schopf packen", erzählt er. Man habe sich dann "zusammengerauft". Einen Monat später lässt sich sagen: Es hat sich ausgezahlt.

Cortina kam in dieser turbulenten Phase seine Erfahrung zugute. Der 56-Jährige, der in Montreal als Sohn italienischer Einwanderer geboren wurde, stieg bereits als 23-Jähriger ins Trainergeschäft ein. Er trainierte die italienische und ungarische Nationalmannschaft, Klubs in Italien, Ungarn und Österreich und führte den EHC München in die DEL. 2012 übernahm er den Bundestrainer- und DEB-Sportdirektoren-Posten - und coachte dazu eine Saison lang auch noch die Münchner. 2016 kehrte er in Schwenningen in die DEL zurück, 2019 übernahm er die Wolfsburger.

Wolfsburgs Manager Fliegauf muss neben dem stets auf Höflichkeit bedachten Trainer hin und wieder als "Bad Cop" auftreten

Cortina, der in München aufgrund seiner impulsiven Art den Spitznamen "Dolomiten-Vulkan" verpasst bekommen hatte und von seinen Spielern "Sheriff" genannt wurde, ist hinter der Bande über die Jahre ruhig geworden. "Die menschliche Komponente ist bei ihm sehr ausgeprägt, er ist sehr zuvorkommend, behandelt jeden sehr gut", sagt Fliegauf über Cortina: "Als Person und als Charakter ist er einmalig." Da seine höfliche Art nicht immer zum Profigeschäft passt, musste Fliegauf hin und wieder als Bad Cop eingreifen. Cortina wolle immer eine "gute Atmosphäre für alle und jeden schaffen, das klappt ab und zu auch mal nicht", erklärt der Manager.

Cortinas unaufgeregte Art wurde ihm in Wolfsburg nicht nur einmal als Emotionslosigkeit ausgelegt, sein stoisches Auftreten brachte ihm in den Negativphasen gehörig Kritik ein. Doch Cortina blieb bei sich. "Er soll sich auch nicht verstellen", sagt Fliegauf. In den Playoffs übertrug sich Cortinas Ruhe auf seine Mannschaft: Die Wolfsburger lagen im Halbfinale nach der 1:4-Auftaktniederlage sowohl in Spiel zwei als auch in Spiel drei gegen Mannheim zurück, die bis dahin in dieser Saison nicht einmal zwei Spiele in Folge verloren hatten - und drehten noch beide Partien. Der Siegtreffer von Max Görtz am Freitag fiel knapp vier Minuten vor Spielende.

Damit schloss sich für die Wolfsburger ein Kreis: Vor zehn Jahren standen sie erstmals im DEL-Endspiel - und zwar gegen die Eisbären. Es folgten die Final-Teilnahmen 2016 und 2017, die so endeten wie jene 2011: mit Platz zwei. Stürmer Sebastian Furchner und Verteidiger Armin Wurm waren damals schon mit dabei, auf Berliner Seite stand Frank Hördler auf dem Eis und gewann seine fünfte von mittlerweile sieben deutschen Meisterschaften. Furchner und Wurm warten noch immer auf ihre erste - Pat Cortina auch.

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