Deutschland bei der Eishockey-WM:Weniger Faxen, mehr Torgefahr

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Premierenfeier: Parker Tuomie freut sich über seinen ersten WM-Treffer zum 2:1 gegen Österreich. (Foto: Pavel Golovkin/dpa)

Während der deutsche Paradesturm nach seiner Form sucht, überzeugen drei Debütanten bei der Eishockey-WM mit solider Arbeit. Fürs Spiel gegen Ungarn deutet Bundestrainer Kreis Änderungen an.

Von Johannes Schnitzler, Tampere

Es könnte alles so einfach sein. Um nicht zu sagen: einfach einfach. "Wir wollen einfach einfach spielen", sagte Parker Tuomie nach dem 4:2-Erfolg der deutschen Mannschaft gegen Österreich bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Tampere. Es war ein mühsam erarbeiteter Erfolg, das gab Bundestrainer Harold Kreis zu, der das Team des Deutschen Eishockey-Bundes in der Gruppe A mit nun sechs Zählern auf Platz fünf und immerhin in die Nähe des Viertelfinales brachte.

Bei der Suche nach weiteren positiven Aspekten dieses Pflichtsiegs gegen den Tabellenletzten war man dann schnell bei zwei Reihen angelangt, die weniger für Kunst als für solides Handwerk stehen. Zum einen das Trio um NHL-Profi Nico Sturm, der mit zwei Toren zum 1:0 und 4:2 maßgeblichen Anteil am Erfolgserlebnis gegen Österreich hatte. Zum anderen die Reihe mit dem Straubinger Tuomie, dem Münchner Justin Schütz und dem Ingolstädter Wojciech Stachowiak, drei WM-Debütanten.

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:Der außergewöhnlichste deutsche WM-Debütant

Nico Sturm galt lange als nicht gut genug. Inzwischen ist er Stanley-Cup-Sieger und will seine ruhige Art beim Nationalteam vorleben - was nach den Niederlagen gegen Schweden und Finnland besonders wichtig sein könnte.

Von Johannes Schnitzler

Tuomie brachte das deutsche Team nach dem 1:1 der Österreicher wieder in Führung, Stachowiak baute sie mit einem wunderbaren Sololauf durchs österreichische Drittel aus; Schütz, der bereits beim 2:3 gegen die USA sein erstes WM-Tor erzielt hatte, verschaffte ihm mit einem harten Zweikampf vor dem Tor den nötigen Raum dafür. "Heute war unser Abend", sagte Tuomie. Niemand erhob dagegen Einwände.

Auch wenn Trainer und Spieler betonen, dass die Nummerierung von eins bis vier keine hierarchische Abstufung bedeute: Von der nominell vierten Reihe wird in erster Linie erwartet, dass sie keine Scheibenverluste produziert und den Gegner beschäftigt. Diese vierte Reihe aber trumpfte nicht erst gegen Österreich auf. "Es ist eine hart arbeitende Linie", sagt Kreis. "Wenn sie keinen Spielzug machen können, dann legen sie die Scheibe in einen sicheren Bereich, wo sie einen guten Forecheck machen können, und gehen sorgfältig mit der Scheibe um. Die spielen das Spiel richtig."

Der in Danzig geborene Stachowiak wurde zum besten deutschen Spieler des Abends gewählt und glühte geradezu vor Glück: "Das war ein Traum von mir, und jetzt, mit 23, ist es die größte Erfahrung für mich bisher als Eishockeyspieler."

"Parker ist ein richtiger Giftzwerg", sagt Nico Sturm über Tuomie

Wie Mittelstufenschüler in der letzten Bankreihe grinsten die drei Novizen in der Mixed Zone und spielten einander in den Interviews die Bälle zu. "Wir kennen uns eigentlich erst von der Nationalmannschaft, aber es hat gleich super funktioniert", sagte Schütz. Stachowiak erklärte: "Wir haben Spaß zusammen, die Chemie stimmt." Dabei, das gab Tuomie zu, habe es zuvor durchaus ein paar, nun ja, Berührungspunkte gegeben: "Justin und ich hatten auch schon harte Momente gegeneinander in der Liga, vor allem in den Derbys zwischen München und Straubing. Umso besser verstehen wir uns hier." Wie es kommt? "Wir kommunizieren viel, auch nach jedem Wechsel. Wir halten das Spiel einfach."

"Parker ist ein richtiger Giftzwerg", sagte Nico Sturm mit einem Lächeln. "Es ist sehr unangenehm gegen ihn zu spielen. Aber man sieht auch, dass er brutal was an der Scheibe kann. Er ist sehr emsig und ein überragender Skater. Die Reihe funktioniert super."

Bei allem Lob für Reihe vier und seine eigene Reihe räumte Sturm ein, dass der Sieg gegen Österreich alles andere als brillant war: "Das war nicht unser bestes Spiel." Nur 24 Stunden nach dem physisch und mental zehrenden 6:4 gegen Dänemark sei es der Mannschaft schwergefallen, "dass man diesen Biss und diese Detailversessenheit wieder auf die Platte bringt gegen einen Gegner, der frisch und topmotiviert war". Trotzdem sei es "immer ein gutes Zeichen, wenn eine Mannschaft, auch wenn sie nicht ihr bestes Spiel spielt, einen Weg findet, drei Punkte einzufahren."

Der Bundestrainer sah es ähnlich. "Es war mühsam", sagte Harold Kreis. "Das war kein Spiel, wie wir es sonst spielen, mit Scheibenkontrolle und sauberen Spielzügen. In der Defensivzone sind uns einige Scheiben entkommen. Es gab zu viele Turnovers, aber es sind immer noch drei Punkte."

Sorgen bereitet Kreis seine vermeintliche Top-Reihe mit John-Jason Peterka, Dominik Kahun und Marcel Noebels. "Die nominell erste Reihe setzt sich unter sehr viel Druck", sagte Kreis. "Das versuchen wir ein bisschen zu entschärfen. Wir sagen: ,Jungs, spielt unser Spiel', nicht so viel Risiko." Ohne die erste Reihe explizit anzusprechen, sagte Sturm: "Wenn wir in Gefahr waren, war das immer das Ergebnis unserer eigenen Schlampigkeit, weil wir das Ganze zu kompliziert machen wollten. Wir sollten nicht so viele Faxen mit der Scheibe an der Blauen Linie machen. In so einem Spiel wie heute ist das sehr gefährlich."

Im letzten Drittel gegen Österreich setzten die Trainer NHL-Profi Peterka, der bislang zwei Turniertreffer erzielt hat, nur mehr sporadisch ein. Er wisse nicht, warum, sagte Peterka, als er nach dem Spiel missmutig durch die Mixed Zone stapfte. Die diplomatische Antwort reichte Kreis nach: "Wir haben das Gefühl gehabt, dass er heute sein Spiel nicht so entfalten kann." Eine Verletzung sei jedenfalls nicht der Grund gewesen.

Gegen Ungarn am Sonntag (15.20 Uhr, Sport1 und Magentasport) dürfte es personelle Veränderungen geben, deutete Kreis an: "Wir werden über die Bücher gehen und schauen, was wir machen können." Vermutlich wird er Peterka, 21, der eine starke Debütsaison in der NHL gespielt hat, behutsam erklären, dass er sich an Stanley-Cup-Sieger Sturm orientieren soll. "Nico ist ein absoluter Profi, in der Spielvorbereitung, im Kraftraum. Wir sehen in den Besprechungen, wie fokussiert er ist", sagte Kreis. "Er ist wirklich ein Vorbild für alle."

Das Vorbild riet zur Bescheidenheit. "Wir haben immer dann Erfolg gehabt, wenn wir unser einfaches Eishockey gespielt haben", sagte Sturm. "An dem Mantra sollten wir festhalten."

Parker Tuomie erwartet gegen Ungarn ein "brutal hartes Spiel". Selbst Weltmeister und Olympiasieger Finnland tat sich am Freitag schwer gegen den Aufsteiger. Das 7:1 am Ende täuschte: Nach zwei Dritteln lagen die Finnen gerade einmal 2:1 vorne. "Wir dürfen keine Konter zulassen", sagte Tuomie. Einfacher ausgedrückt: " Simple ist der richtige Weg."

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