Eishockey:Lebkuchen zur falschen Zeit 

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"Fast ein Schock": Doppeltorschütze Andrew Rowe war von der Unterstützung der Ingolstädter Anhänger beeindruckt. (Foto: Johann Medvey/Eibner/Imago)

Der ERC Ingolstadt startet mit drei Siegen in die CHL - doch dann folgt ein 1:6 in Pardubice, auch aufgrund von mangelnder Disziplin. Der DEL-Auftakt hat es für die Ingolstädter in sich.

Von Christian Bernhard

Ein Schock lässt sich aus medizinischer Sichtweise ziemlich gut herleiten. Die Rede davon ist, wenn ein Missverhältnis zwischen angebotener und benötigter Sauerstoffmenge im Körper aufgrund eines zu niedrigen Blutdrucks besteht. Da es im Rahmen eines Schockgeschehens, das auch von einer schwachen Pumpleistung des Herzens ausgelöst werden kann , zu einem Multiorganversagen kommen kann, werden Schocks aus medizinischer Sicht immer negativ bewertet.

Der ERC Ingolstadt hat in den vergangenen Tagen zwei komplett unterschiedliche Schock-Arten in der Champions Hockey League (CHL) erlebt. Dem positiven beim 2:1-Auswärtssieg in Salzburg am Donnerstag, wo Doppeltorschütze Andrew Rowe aufgrund der zahlreich mitgereisten Anhänger und deren "unglaublicher" Unterstützung lächelnd davon sprach, dass das "fast ein Schock" für ihn gewesen sei, folgte ein negativer am Samstag im tschechischen Pardubice, wo es eine herbe 1:6-Niederlage gab. Das einzige, was dem ERC in der ostböhmischen Industriestadt entgegen flog, waren Lebkuchen, die bei Siegen von Dynamo Pardubice traditionell von den Heimfans nach der Schlusssirene aufs Eis geworfen werfen. Die 90 000-Einwohner-Stadt an der Elbe ist nämlich für die Erzeugung der süßen Delikatesse bekannt und hat sogar ein Lebkuchen-Erlebnismuseum, in dem mehr als 1000 Lebkuchen ausgestellt sind.

Das Ingolstädter Eishockey-Erlebnis in Pardubice begann denkbar schlecht. Gegen Tschechiens Hauptrundensieger der vergangenen Spielzeit lagen die Oberbayern nach nur 16 Spielminuten bereits 0:4 zurück. Das lag auch daran, dass sie ihre Emotionen nicht im Griff hatten. Zwei der frühen Gegentore kassierte der ERC in Unterzahl. Travis St. Denis verabschiedete sich aufgrund eines Faustkampfes, für den er und sein tschechischer Gegner eine Spieldauerdisziplinstrafe bekamen, schon in der 12. Minute in die Kabine. Daniel Piettas Prognose, die Tschechen würden "etwas weniger körperlich" zu Werke gehen, trat nicht ein. Früh schon ging es auf dem Eis ruppig zu, selbst die Schiedsrichter bekamen ungewollt etwas ab: Einer der Assistenten musste bereits in der fünften Spielminute aufgrund einer blutigen Stirn in der Kabine behandelt werden, da er einen Spielerschläger abbekommen hatte.

Der neue ERC-Torhüter Devin Williams muss vier der ersten sieben Schüsse aus dem Netz holen

Sportlich traf es Devin Williams besonders hart. Der neue ERC-Torhüter, der vor der Saison aus Regensburg gekommen war und in Pardubice sein Pflichtspieldebüt für die Oberbayern gab, musste vier der ersten sieben Schüsse, die auf seinen Kasten kamen, aus dem Netz holen. Stammtorhüter Michael Garteig bekam am Samstag eine Pause. "Wir waren das ganze Spiel über einen Schritt hinten dran", fasste ERC-Kapitän Fabio Wagner den enttäuschenden Auftritt zusammen. Dazu misslang der Versuch, der tschechischen Härte im Rahmen der Regeln entgegenzutreten. "Wir haben versucht, die Zweikämpfe für uns zu entscheiden, aber unsere Disziplin ließ zu wünschen übrig", sagte Wagner.

Insgesamt 66 ERC-Strafminuten - im Mitteldrittel verabschiedete sich auch noch Mathew Bodie nach einem Schlittschuhtritt mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe in die Kabine - sorgten dafür, dass auf den ERC eine Unterzahlphase nach der anderen zukam und selbst die Social-Media-Abteilung der Ingolstädter nach dem 0:6 im Mitteldrittel in unverkennbar aufgesetzten Humor fiel: "Kühne These: So viel Powerplay, wie Pardubice heute spielt, hat noch kein DEL-Team bisher trainiert." Wayne Simpson gelang in Überzahl lediglich der Ehrentreffer (41.). ERC-Trainer Mark French machte neben mangelnder Disziplin auch die "fehlende Spannung in den Detail-Situationen" für die Niederlage verantwortlich.

Die Rückkehr auf die CHL-Bühne nach sieben Jahren war für die Oberbayern bis zum Pardubice-Spiel ausgesprochen gut verlaufen: Drei Spiele, drei Siege, darunter einer gegen den schwedischen Meister 2022, Färjestad Karlstad. Die Mannschaft strahlte in den ersten drei Spielen jene spielerische Leichtigkeit aus, die sie in der vergangenen Saison auf Platz zwei der DEL-Hauptrunde und ins Playoff-Finale geführt hatte. Es schien, als hätten der Sommer und der Einbau von neun neuen Spielern den ERC-Rhythmus nicht brechen können.

Nun gilt es den ersten Rückschlag schnell zu verarbeiten und den Fokus auf den Start in die Deutsche Eishockey Liga (DEL) zu legen, der es für den ERC in sich hat. Er muss am anstehenden Auftakt-Wochenende nicht nur zweimal auswärts ran, sondern bekommt es dabei gleich mit den Eisbären Berlin (Freitag) und den Kölner Haien (Sonntag) zu tun, die in der neuen Saison hoch gehandelt werden. In der Haupt- und der Domstadt warten also schon die nächsten großen Herausforderungen für den ERC. Von fliegenden Lebkuchen dürfte er dort aber verschont bleiben.

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