Eintracht Frankfurt in der Europa League:Mit einer Schnapsidee nach Aserbaidschan

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Besorgter Blick: Eintracht-Manager Heribert Bruchhagen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sechseinhalb Jahre hat Eintracht Frankfurt darauf gewartet, wieder international spielen zu dürfen. Doch anstatt sich zu freuen, klagt Klubmanager Bruchhagen, dass in der Europa League im Vergleich zur Champions League viel zu wenig zu verdienen ist.

Von Ulrich Hartmann, Frankfurt

Heribert Bruchhagen hat sich natürlich einen Spruch anhören müssen, als er vor dem Spiel seiner Frankfurter Eintracht am vergangenen Samstag gegen Bayern München mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zu Mittag aß. Bayern-Vorstandschef Rummenigge legte feixend einen imaginären Geldkoffer auf den Tisch, aber Bruchhagen ist solches Spötteln ja gewohnt. Schließlich ist er es, der gebetsmühlengleich seine Sorge über eine wachsende Kluft im deutschen Profifußball öffentlich wiederholt.

Bruchhagen beklagt den einsamen Reichtum solcher Champions-League-Stammgäste wie München oder Dortmund und wünscht sich grundsätzlich, der Europäische Fußballverband Uefa möge einen Teil der millionenschweren Champions-League-Prämien von den Klubs auf die Ligen umlegen, damit der jeweilige nationale Wettbewerb wieder ausgeglichener wird. Aber Bruchhagen rechnet vorerst nicht mit einer Solidaritäts-Umlage. Zu deutlich sei der Weg der Uefa, die Champions League weiter aufzuwerten.

Am Mittwoch hatte Bruchhagen viereinhalb Stunden Zeit, auf einem Flug nach Aserbaidschan darüber zu sinnieren, dass selbst eine Teilnahme an der Europa League relativ wenig einbringt: "Die Champions League", sagt Bruchhagen, "ist vor zwei Jahren finanziell noch einmal aufgewertet worden - zu Lasten der Europa League."

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Sechseinhalb Jahre hat die Eintracht darauf gewartet, wieder international spielen zu dürfen, und wenn sie an diesem Donnerstag ab 18 Uhr (live im HR-Fernsehen) in Baku gegen den aserbaidschanischen Tabellenführer Karabach Agdam das Playoff-Hinspiel um den Einzug in die Gruppenphase der Europa League bestreitet, geht es zunächst um Visionen und Emotionen - und nur ein bisschen auch ums Geld.

Mehr als 200.000 Euro kostet allein der Charterflug für die 3300 Kilometer weite Strecke ans Kaspischen Meer, aber wenn die Frankfurter Hin- und Rückspiel erfolgreich gestalten und die Gruppenphase der Europa League erreichen, winken bis zu fünf Millionen Euro Einnahme. Denn Frankfurts Fans dürsten nach internationalem Flair und würden das heimische Stadion vermutlich großzügig füllen.

Zur Bordlektüre Bruchhagens gehörte allerdings noch nicht das Stadionmagazin des FC Bayern für das Spiel am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg. Im vorab veröffentlichten Vorwort attackiert Klubchef Rummenigge sowohl Bruchhagen als auch Rudi Völler, den Sportdirektor von Bayer Leverkusen:

"Ich habe derzeit das Gefühl, dass einige fast verzweifelt versuchen, uns ans Zeug zu flicken", schreibt Rummenigge: "Ich denke da an Rudi Völler und seine Aussage, wir würden den Rest der Liga erdrücken. Ich denke an Heribert Bruchhagen mit seiner unsäglichen Schnapsidee, den Champions-League-Teilnehmern in die Kasse zu greifen, zum angeblichen Wohl der Liga."

Bruchhagens Anregung, den Verteilerschlüssel zwischen Champions und Europa League umzugestalten, empfinde er als "Infragestellen des Solidarpaktes". Diesen sieht Rummenigge auch dadurch geschlossen, dass der FC Bayern seine nationalen Fernsehrechte nicht solo zu vermarkten versuche, sondern sich der zentralen Vermarktung durch die Deutsche Fußball Liga (DFL) unterwerfe.

Bruchhagen sitzt im DFL-Vorstand. Wie eh und je tut er dies mit Ambition: "Seit 24 Jahren mache ich auf die wachsende Spreizung im deutschen Profifußball aufmerksam." Durch die aktuelle Tabelle kann er sich bestätigt sehen. Nach zwei Spieltagen bei der Hertha in Berlin (1:6) und gegen die Bayern (0:1) ist seine Eintracht Tabellenletzter.

So lange aber die Bundesliga boome, glaubt Bruchhagen, werde sich die Sensibilität für mehr Sozialverträglichkeit und einen ausgeglicheneren Wettbewerb kaum erhöhen. "Die Stadien sind voll, die Bundesliga funktioniert, und die internationale Vermarktung von DFL-Chef Christian Seifert basiert ja auch auf den Champions-League-Erfolgen der deutschen Teilnehmer", sagt Bruchhagen: "In einer Phase des Booms hat für meine Gedanken niemand etwas übrig."

Nicht entgangen war Bruchhagen, dass Bayern-Präsident Hoeneß im Frühjahr selbst mit leichter Sorge auf ein "großes Leistungsgefälle" in der Bundesliga hingewiesen hatte, aber auf ein daraus resultierendes freiwilliges Entgegenkommen in München oder Dortmund gibt Bruchhagen nichts. "Das kann man gar nicht erwarten", sagt er: "Der FC Bayern ist eine AG und gegenüber seinen Aktionären verantwortlich, die können gar keine selbstbeschneidenden Beschlüsse fassen."

Der Verteilerschlüssel für die Europapokal-Wettbewerbe könne ausschließlich von der Uefa verändert werden. Das aber, glaubt Bruchhagen, werde so bald nicht passieren: "Erst wenn die Ligen mal ins Trudeln geraten sollten, könnte die Notwendigkeit erkannt werden - und ich denke, dass das in einigen Jahren durchaus tiefergehend thematisiert werden könnte."

Bis dahin muss sich Eintracht Frankfurt nach Kräften strecken. Immerhin drei Millionen Euro hat man soeben in den Erwerb des tschechischen Stürmers Vaclav Kadlec von Sparta Prag investieren können. Kadlec darf in den beiden Playoff-Partien gegen Agdam nicht mitspielen, weil er bereits für Prag in der Europa-League-Qualifikation zum Einsatz kam.

Unmittelbar nach dem Spiel in Baku (bei dem Pirmin Schwegler und Sebastian Jung fehlen werden) fliegt das Team zurück und landet am Freitagmorgen in Frankfurt. Am Sonntag in Braunschweig geht es für die Frankfurter dann darum, den Rückstand zu den Eliteklubs nicht allzu groß werden zu lassen. Für eine Niederlage dort könnte Bruchhagen nicht mal bei der Uefa jemanden verantwortlich machen.

© SZ vom 22.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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