Eintracht Frankfurt:Stellvertreter-Elf beim Montagskick

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Frankfurts Spieler genießen es derzeit auch bei Niederlagen, Frankfurter zu sein. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Die Frankfurter verlieren ohne einige Stammkräfte 0:2 in Leverkusen - und demonstrieren ganz offen, dass der Fokus ganz woanders liegt. Bayer freut sich zum Saisonende über die Chance, noch Zweiter zu werden.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Oliver Glasner wendete sich ab und lief in seinem spontanen Zorn ein paar Schritte davon, nachdem Almamy Touré diesen Ball ins Niemandsland geschlagen hatte, von dem man nicht wusste, ob er den zwanzigsten, dreißigsten oder bereits fünfzigsten Fehlpass dieses Abends darstellte. Eintracht Frankfurts Trainer machte aber nach dem zügig abgeschlossenen Wutausbruch schnell wieder einen Bogen und kehrte zurück an seinen Arbeitsplatz. Warum aufregen? Es lief die zweite Minute der Nachspielzeit, es stand 2:0 für Bayer Leverkusen, es würde keine Wende mehr geben, und in Wahrheit war das den Verlierern auch ziemlich egal.

Seine Aufstellung und seine Wechsel seien "unüblich für ein Bundesligaspiel" gewesen, räumte Glasner später ein, alles andere als das Unübliche wäre allerdings eine Überraschung gewesen. Drei Tage vor dem zweiten Treffen mit West Ham United zum Halbfinale in der Europa League hatte niemand erwartet, dass der Trainer seine beste Elf aufbieten und in einen bedingungslosen Kampf um Bundesliga-Punkte schicken würde, die für die in der Tabellenmitte festsitzende Eintracht weitgehend nutzlos gewesen wären.

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Drei Tage vor dem internationalen Showdown gegen West Ham tritt Frankfurt mit einer besseren B-Auswahl in Leverkusen an - und nimmt ein 0:2 in Kauf. Bayer liegt derweil auf Champions-League-Kurs.

Stattdessen verteilte er so dosiert die Einsatzminuten an die Stammspieler, "dass sie am Donnerstag frisch ins Spiel gehen können". Der Coach hatte vor der Reise ins Rheinland selbst verkündet, dass anstelle der Bundesliga zurzeit der Europacup "oberste Priorität" für die Eintracht habe, und nach der wohl nicht ganz unerwarteten Niederlage bereute er wie Edith Piaf in ihrem berühmten Lied - nichts. Er stehe "zu hundert Prozent" zu seinem Handeln, versicherte Glasner und lobte die Ersatzkräfte: "Man hat gesehen, dass wir versucht haben, zumindest einen Punkt mitzunehmen."

Bayer Leverkusen hat im Rennen um die Champions-League-Plätze zweifellos davon profitiert, dass die Eintracht mit einer Stellvertreter-Elf zum Montagskick vorbeischaute, die Konkurrenz in Freiburg und in Leipzig war darüber bestimmt nicht glücklich. Doch weder Leipzigs Domenico Tedesco noch Freiburgs Christian Streich dürften ihrem Kollegen das Manöver übelgenommen haben. Dass sie die Aufgabe an Glasners Stelle anders gehandhabt hätten, das bräuchten sie nicht zu behaupten - das würde ihnen keiner glauben.

Eintracht-Coach Glasner schont viele Kräfte beim 0:2 in Leverkusen

Im dicht besiedelten Block der Auswärtsfans herrschte angesichts der Niederlage kein Verdruss. Während sich die Bayer-Elf von ihrem Publikum für den hochverdienten, aber nicht unbedingt strahlend glänzenden Sieg hochleben ließen, feierten die Frankfurter Profis mit ihrem Anhang das aktuell herrschende Eintracht-Feeling. 0:2 in Leverkusen, na und? Wen kümmert's auf dem Weg ins Europacup-Finale? "Diese Rücksicht haben wir heute genommen", meinte Glasner, ein Einzug ins Finale wäre für die Eintracht "eine außergewöhnliche Geschichte". Vor diesem Hintergrund kam in Leverkusen keine attraktive Partie zustande. Die Pausen-Bierwerbung erschien schon auf den Anzeigetafeln, als das Spiel noch im Gang war, offenbar wünschte sich der Regisseur in die Halbzeit.

Drei Spieler aus der Elf, die West Ham in London 2:1 besiegt hatte, gehörten in Leverkusen der Startformation an. Torwart Kevin Trapp, Verteidiger Tuta und der nimmermüde Linksaußen Filip Kostic. Doch auch er musste zur Pause weichen. "Wir wollten den Spielern, die letzten Donnerstag gespielt haben und aller Voraussicht nach in drei Tagen wieder spielen werden, maximal 45 Minuten Belastung geben", erläuterte Glasner. Sein Wechselkontingent reizte der Coach vollständig aus. Sollte West Ham seinen Auslandsgeheimdienst zur Beobachtung des Gegners entsandt haben - die Spione haben außer einem unglücklich bemühten Ersatzsturm mit Goncalo Paciencia und dem Saisondebütanten Ragnar Ache nicht viel Relevantes gesehen.

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Die Mannschaft von Trainer Tedesco verliert trotz langer Überzahl gegen Gladbach und verpasst es, in der Tabelle an Freiburg vorbeizuziehen. Im zweiten Spiel des Abends besiegt Leverkusen die Frankfurter Eintracht.

Frankfurts Trainer legte aber großen Wert darauf, dass seine Zweite-Reihe-Besetzung sich nicht unlauter verhalten habe, "in dem Willen, den wir gezeigt haben, war es kein Unterschied zu jedem anderen Bundesligaspiel", behauptete er relativ kühn. Zwar schossen die Frankfurter lediglich zweimal auf Lukas Hradeckys Tor, doch zumindest schaffte die Mannschaft, vom aufrichtigen Trainer Glasner als "zusammengewürfelt" bezeichnet, ein unauffälliges Schlussresultat. Mehr war in Anbetracht der stattlichen Fehlerquote kaum drin für die Gäste.

Bayer 04 ist am Montagabend nach den Toren von Paulinho (21.) und Patrick Schick (51.) nicht nur dem Erreichen des Saisonziels nähergekommen, es zeichnet sich auch eine Lösung für die Absenz des schmerzlich vermissten kreuzbandgeschädigten Florian Wirtz ab. Der Iraner Sardar Azmoun, 27, im Winter von Zenit Sankt Petersburg gekommen, entwickelt sich zunehmend zum Spielmacher und bringt wieder mehr Kreativität ins zuletzt arg funktionale Bayer-Spiel zurück.

Trainer Gerardo Seoane freut sich schon auf einen vollständig fitten und vollständig integrierten Azmoun. "Mit seiner Spielintelligenz und seiner Technik hat er ein extremes Potential", sagte der schweizerische Trainer, der sich zudem als Bundesliga-Patriot zu erkennen gab: "Es wäre toll, ein deutsches Final zu sehen".

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