Die Art und Weise, wie Patrick Hager über das Eis schlich, verriet viel über den Gemütszustand des Kapitäns des EHC Red Bull München. Hagers Kopf war leicht gesenkt, die Geschwindigkeit sehr gedrosselt, und da es die Müdigkeit nicht sein konnte - zu diesem Zeitpunkt waren erst fünfeinhalb Minuten gespielt in dieser Playoff-Halbfinalpartie der Deutschen Eishockey Liga (DEL) - war es die Verdrossenheit über einen Start, den man getrost in die Kategorie "äußerst verpatzt" packen konnte. 0:3 lag der EHC am Sonntag in Spiel vier der Best-of-seven-Serie gegen die Fischtown Pinguins nach nur fünfeinhalb Minuten zurück, Hager war bei den Gegentoren Nummer eins (Ross Mauermann, 2.) und drei (Jan Urbas, 6.) auf dem Eis und hatte den zweiten (Christian Wejse, 5.) von der Strafbank aus verfolgt.
Den "maximal schlechten" Start, wie Konrad Abeltshauser ihn nach dem Spiel in den Katakomben der Münchner Olympia-Eishalle bezeichnete, konnten die Münchner zwar noch korrigieren, das Spiel aber nicht mehr drehen. Sie verloren am Sonntag mit 2:3, liegen damit nun in der Serie 1:3 zurück und müssen am Dienstag in Bremerhaven gewinnen, um das Saisonende noch abzuwenden. Falls sie dort verlieren, wäre das Sonntagsspiel zugleich das letzte in der Olympia-Eishalle gewesen.
Am Freitag glänzt der EHC in Bremerhaven mit einem laut Söderholm "stabilen" Auftritt - und siegt mit 4:0
Der schwache Start am Sonntag stand dem, was die Münchner am Freitag in Spiel drei in Bremerhaven gezeigt hatten, diametral entgegen. Beim starken 4:0-Sieg - der ersten Fischtown-Niederlage in den laufenden Playoffs - hatte der EHC einige erfreuliche Premieren gefeiert. Da Fischtown-Torhüter Kristers Gudlevskis beim Versuch, das Spiel schnellzumachen, früh die Scheibe in den Schläger von Abeltshauser spielte, hatte der EHC-Verteidiger wenig Mühe, sie zum 1:0 im Bremerhavener Kasten unterzubringen (7.). Es war die erste Münchner Führung in der Halbfinalserie, und der folgte auch noch das erste Überzahltor der Serie (Maximilian Kastner, 53.) und das erste Zu-null-Spiel von Torhüter Mathias Niederberger. "Wir haben die Situationen besser gelesen und erkannt als in den ersten beiden Spielen", sagte EHC-Trainer Söderholm, der den Auftritt seiner Mannschaft als "stabil" bezeichnete.
Diese Stabilität fehlte am Sonntag in den ersten Minuten. Dafür stimmte die Einstellung, das Sich-zurück-ins-Spiel-Kämpfen. "Das einzig Positive ist, dass noch 51 Minuten Eishockey zu spielen sind", sagte Konrad Abeltshauser nach dem Schockstart Mitte des ersten Drittels. Jetzt gehe es darum, sofort den Schalter umzulegen und gleich die Aufholjagd zu starten. Der EHC-Verteidiger ließ seinen Worten auch Taten folgen, indem er die Scheibe Jonathon Blum so servierte, dass dessen platzierter Abschluss von der blauen Linie in Minute zehn im Bremerhavener Kasten zappelte. Und als Hager die Scheibe in Minute 28 derart präzise vor das Gästetor legte, dass Chris DeSousa nur noch den Schläger reinhalten musste, drückte der Blick des Kapitäns beim Jubeln mit DeSousa etwas ganz anderes aus: Entschlossenheit pur. Der Schockstart war abgehakt, der EHC war wieder im Spiel. Aber eben immer noch in Rückstand.
Den hätte Hager in Minute 53 egalisieren können. Direkt vor Gudlevskis kam er ungestört zu einem Nachschuss, doch der Fischtown-Torhüter bekam beim Versuch des Münchner Stürmers noch seinen Schoner an die Scheibe. Hagers Blick ging direkt danach nach oben, er wusste, wie groß diese Gelegenheit war. In der Schlussminute war Gudlevskis auch bei Sechs gegen Vier nicht zu überwinden.
"Gute Teams verlieren nicht zweimal am Stück", hatte Fischtown-Verteidiger Gregory Kreutzer vor dem Sonntagsspiel erklärt. Die Münchner müssen jetzt drei Spiele in Serie gewinnen, um wie im Vorjahr wieder ins Finale zu gelangen. Abeltshauser glaubt daran. "Ich schaue in die Kabine und sehe super Eishockeyspieler", betonte er. "Ich sehe Jungs, die wissen, wie man gewinnt, und die noch nicht akzeptieren, dass die Saison vorbei ist."