Deutscher Eishockeymeister München:Der Drache schlägt zurück

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Und hoch den Pott: Kapitän Patrick Hager präsentiert den Pokal. Der EHC Red Bull München ist zum vierten Mal nach 2016, 2017 und 2018 deutscher Eishockey-Meister. (Foto: Leonhard Simon/Getty Images)

Mit einer defensiv starken Leistung bezwingt der EHC Red Bull München den ERC Ingolstadt und feiert seinen vierten Meistertitel. Der Erfolg für das Team von Don Jackson krönt eine Entwicklung, die vor zwei Jahren mit einer Niederlage begann.

Von Christian Bernhard

95 Sekunden vor Spielende gab es auf der Bank des EHC Red Bull München kein Halten mehr. Filip Varejcka hatte soeben ins leere Tor getroffen - und so den Triumph perfekt gemacht. 3:1 bezwangen die Münchner am Sonntagnachmittag den ERC Ingolstadt und entschieden damit die erste rein bayerische Best-of-seven-Finalserie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit 4:1 Siegen für sich. Für die Münchner ist es der erste Titelgewinn seit 2018. Wie wichtig er für die Ambitionen des Klubs war, drückte Stürmer Maximilian Kastner, der zum wertvollsten Spieler gekürt wurde, so aus: "Wenn uns einer geschlagen hätte, dann wäre es der EHC Red Bull München gewesen."

Don Jackson, der Trainer des souveränen Hauptrundensiegers, tat danach, was man immer nach einem Titelgewinn macht: Er schnappte sich den Pokal und hievte ihn unter tosendem Applaus mehrmals vor der Nordkurve der Münchner Olympia-Eishalle in die Höhe. Dem 66-jährigen US-Amerikaner muss man nicht erklären, wie so etwas geht - er feierte am Sonntagnachmittag bereits seinen neunten deutschen Titel (einen zehnten gewann er in Österreich). Der DEL-Rekordtrainer strickt damit weiter an seiner eigenen Legende. So weit, so bekannt. Doch diesmal häuften sich die Gerüchte, dass diese Saison seine letzte sein könnte.

Jackson wollte sich im Moment des Triumphs nicht in die Karten blicken lassen. Es starte nun ein "Prozess" wie in jedem Jahr nach Saisonende, sagte er auf dem mit Konfetti überzogenen Eis. Er werde sich mit den Verantwortlichen zusammensetzen und alles besprechen. Aber "das ist heute kein Thema". Manager Christian Winkler erklärte, wem die Entscheidung obliege: "Im Endeffekt entscheidet das Don, es liegt einzig und allein an ihm." Jackson habe einmal mehr gezeigt: "Auch ältere Herren können springen wie junge Rehe."

Zurück vom Forst aufs Eis. Beide Teams agierten von Beginn an druckvoll. Die Münchner erzeugten früh Gefahr für Ingolstadts Nummer drei Jonas Stettmer, der wie schon am Freitag beim ERC zwischen den Pfosten stand. Der erste Treffer gelang aber Ingolstadt, als Ty Ronning aus kurzer Distanz Mathias Niederberger zum 1:0 überwinden konnte (7. Minute). Es folgte ein äußerst intensives Drittel mit Checks auf beiden Seiten - den härtesten musste Ingolstadts Wojchiech Stachowiak verkraften. Der Stürmer humpelte nach Kastners Attacke kurz zur Behandlung in die Kabine, kehrte aber gleich wieder zurück. Kastner musste auf die Strafbank - und glich kurz nach Ende seiner Strafzeit zum 1:1 aus (13.).

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Im Mitteldrittel beruhigten sich die Gemüter, hektisch wurde es erst in Minute 28, als die Münchner 91 Sekunden lang eine Vier-gegen-Drei-Überzahlchance hatten. Danach leistete sich der EHC zahlreiche Strafen, überstand aber auch brenzlige Drei-gegen-Fünf-Situationen. Als er selbst in Überzahl kam, traf Andreas Eder zum 2:1 (52.), Varejcka machte den Deckel drauf (59.).

Das, was am Sonntag ein aus Münchner Sicht erfreuliches Ende nahm, hatte seinen Anfang gewissermaßen vor ziemlich genau zwei Jahren in Ingolstadt genommen. Dort waren die Münchner 2021 bereits im Playoff-Viertelfinale ausgeschieden. Coronabedingt wurden jene Playoffs im Best-of-three-Modus ausgetragen - und für die Münchner war bereits nach zwei Niederlagen gegen den ERC Schluss. "Wir fühlen uns, als hätten wir gerade einen Drachen erlegt", sagte der damalige Ingolstadt Trainer Doug Shedden. Für den EHC war das ungewohnt frühe Playoff-Aus ein "brutaler Schlag ins Gesicht", sagte Manager Christian Winkler dieser Tage. Dieser habe dazu geführt, dass man sich in München "hingehockt" und gesagt habe, "jetzt müssen wir schon an ein paar Stellen mehr schrauben als gedacht". Noch mehr schrauben bedeutet in München: noch mehr in den ohnehin schon starken Kader investieren. In jenem Sommer wurden unter anderen Ben Street, Austin Ortega und Jonathon Blum verpflichtet, vor dieser Saison holte Winkler Nationaltorhüter Mathias Niederberger und Chris DeSousa. Die Münchner wollten es nun so richtig wissen.

Bremerhaven, Wolfsburg, Ingolstadt - die Playoffs waren für die Münchner lange Zeit holpriger als erwartet

Nun haben sie Gewissheit. Die Hauptrunde war ein Münchner Alleingang, den die Liga in dieser Form lange nicht mehr erlebt hat. 19 Punkte Vorsprung hatte die Mannschaft von Trainer Don Jackson am Ende auf die zweitplatzierten Ingolstädter, phasenweise spielte sie in ihrer eigenen Liga. Bremerhavens Trainer Thomas Popiesch sagte schon im Dezember: "Wenn überhaupt, schlagen sie sich eher selbst." Doch die Playoffs waren für die Münchner lange Zeit holpriger als erwartet. Gegen Bremerhaven verloren sie die ersten zwei Viertelfinalspiele, gegen Wolfsburg mussten sie im Halbfinale über die volle Distanz gehen. Doch immer dann, wenn der Druck besonders groß wurde, lieferte die Mannschaft um Kapitän Hager ab.

Im Finale konnten sie sich nicht nur auf ihre ausgeglichene Offensive verlassen (alleine in den fünf Finalspielen trafen zwölf verschiedene Spieler), sondern überzeugten gegen die laufstarken Ingolstädter vor allem defensiv. Sie standen im eigenen Drittel gut und erleichterten Niederbergers Arbeit. "Wir haben sehr diszipliniert gespielt und sehr wenig Fehler gemacht. Das gibt dem Goalie die Chance, gut auszusehen", sagte der Nationalkeeper nach Finale Nummer vier am Freitag, als er beim 3:0 ohne Gegentor geblieben war und mit einer frisch geschälten Orange in der Hand aus der Kabine trat.

Am Sonntag verteidigten die Münchner wieder stark - und konnten dann feiern.

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