Nach dem Aus von Max Eberl bei RB:Roses Team blüht, die Rosen der Liebe nicht

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Arbeiten künftig nicht mehr miteinander: Sportvorstand Max Eberl von RB Leipzig und Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer der Red Bull GmbH. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Das Leipziger Remis gegen den FC Bayern überlagern Debatten um das überraschend anmutende Aus von Manager Eberl. Dessen Weg führt wohl an die Säbener Straße - aber frei ist er noch nicht.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Zumindest einen Freund hat Max Eberl noch bei RB Leipzig: Trainer Marco Rose. Beide kennen sich vor allem seit gemeinsamen Gladbacher Tagen und sie schätzen einander. "Es ist kein Geheimnis, dass wir uns auch privat sehr gut verstehen", sagte Rose. Das hat auch jetzt Bestand, da der bisherige RB-Geschäftsführer Eberl soeben unter dem Vorwurf mangelnder Fahnentreue - oder wie es offiziell hieß: wegen "fehlendem commitment" gegenüber "Stadt und Klub" - aus der Messestadt gejagt wurde.

Dies unfallfrei zu transportieren, war für Rose gar keine so einfache Aufgabe, weil es doch galt, einen formidablen Spagat aufzuführen. Es ging für den Trainer darum, einerseits Loyalität gegenüber seinen Vorgesetzten bei RB zu wahren, andererseits gegenüber dem persönlichen Freund.

Gleich mehrmals betonte Rose am Samstag nach dem aufregenden 2:2 (2:0) gegen den FC Bayern, dass er von der Entscheidung "überrascht" worden sei, und das bezog sich beileibe nicht nur auf den Zeitpunkt von Eberls Freistellung am späten Freitagnachmittag. Es klang auch arg grundsätzlich. Er könne die Entscheidungsprozesse der Klubchefs nicht bewerten, sagte Rose. Durch die Blume aber ließ der Coach erkennen, dass ihn der Vorwurf des fehlenden Bekenntnisses gegenüber "Klub und Stadt", den RB-Sportboss Oliver Mintzlaff auch in TV-Interviews gegenüber Eberl erhob, etwas ratlos zurücklasse: "Ich bin in Dortmund gegangen worden, und mir wurde da Ähnliches mit aufs Tableau geschrieben", sagte Rose, was im Subtext wohl hieß: zu Unrecht. "Ich bin hier geboren. Ich bin Leipziger. Max kommt woanders her, ist woanders geboren. Gewisse Dinge brauchen manchmal ein bisschen Zeit." Und Zeit lässt sich bekanntlich nicht in Dosen abfüllen und wohlportioniert darreichen.

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Von Javier Cáceres

Es ist müßig, darüber zu philosophieren, ob sich Max Eberl die Zeit dafür nicht nahm, oder ob die Leipziger Führungsetage sie ihm nicht gab. Die Uhr wurde jedenfalls für abgelaufen erklärt - zu einem skurril anmutenden Zeitpunkt, rund 24 Stunden vor dem Spitzenspiel gegen die Bayern.

Gewiss, es hatte unter der Woche einen Artikel in Sport Bild gegeben, in dem Eberl ein Bekenntnis zu RB abgegeben hatte, das sich kälter las als eine andalusische Gazpacho-Suppe. Der Manager verwies nämlich lediglich darauf, dass er in Leipzig vertraglich gebunden sei. Öffentliche Relevanz erhielt diese Geschichte erst, als Eberl am Freitag um 17 Uhr freigestellt wurde - und ein Kommuniqué hinterhergeschickt wurde, das sich noch viel kälter las. So kalt, dass man sich fragte, ob Eberl beim versuchten Diebstahl des Speiseeiswagens erwischt worden war.

Dem war aber nicht so. Nach allem, was in Leipzig zu hören war, hatte Eberls Absetzung vielmehr damit zu tun, dass die RB-Verantwortlichen in den Tagen vor dem Spiel nachdrücklich bei ihm erfragt hatten, was er zu tun gedenke, wenn die Bayern tatsächlich anklopfen würden. Das ist zwar, so weit bekannt, bislang nicht geschehen. Aber dass die Münchner - speziell Uli Hoeneß - Interesse an Max Eberl haben, gilt seit dem Rauswurf von Hasan Salihamidzic als Bayern-Sportvorstand im vergangenen Mai als gesichert. Rund um die Säbener Straße steht Eberl im Ruf, im Zweifelsfall zu Fuß zur Bayern-Zentrale laufen zu wollen - was er ohne Überforderung leisten könnte, weil sich sein Lebensmittelpunkt zuletzt ohnehin stark nach München verlagert haben soll, wo Eberls Lebensgefährtin lebt.

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Eberls Antworten sollen sich in den Ohren der RB-Verantwortlichen diesmal schwammiger denn je angehört haben. Und das widersprach dem notorischen Liebesbedürfnis der Leipziger. Sie klangen am Samstag, als läge ihnen Franz Schuberts Lied auf den Lippen: "Was blüht mir die Rose, was blüht der Jasmin/Was blühn die Narzissen? Du liebst mich nicht!" Oliver Mintzlaff beklagte, dass die Causa Eberl "nicht mehr zu retten" gewesen sei. "Im Prinzip hatten wir uns im April und Mai ein paar klare Worte (von Eberl) gewünscht", betonte auch RB-Geschäftsführer Johann Plenge, 34.

Richtig loslassen will man Eberl aber noch nicht. Sein Vertrag wurde nicht aufgelöst. Damit hat es RB in der Hand - Achtung, Nebenstrang! - , im Zweifelsfall eine Ablösesumme zu kassieren, wenn die Münchner ihren früheren Jugendspieler und Profi Eberl wirklich heimholen wollten. Im Hauptstrang der Geschichte wirkt es jedenfalls kurios, dass Eberl außer fehlender Verliebtheit kaum etwas vorgeworfen wurde. Jedenfalls nicht öffentlich.

Im Gegenteil. On the record fand Mintzlaff sogar ein paar lobende Worte für Eberls Arbeit der vergangenen Monate. "Was geblieben ist, sind tolle Spieler, die Max ins Team geholt hat", sagte der RB-Chef bereits vor dem Topspiel, das diese Einschätzung erneut bestätigte. Überraschender hörte sich an, dass der inzwischen zu einem von drei Red-Bull-Oberhäuptern beförderte Mintzlaff betonte, die Entscheidung sei "nicht zwingend mein Thema" gewesen. Die Bild jedoch, stets in wahrnehmbarer Nähe zu Mintzlaff, lieferte als Erklärung für Eberls Aus am Samstag zunächst den klassischen Cherchez-la-femme-Reflex ("Welche Rolle spielt die Frau an seiner Seite?") - und stellte ihm dann am Sonntag ein weitgehend vernichtendes Urteil aus.

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So soll Eberl intern die Zügel schleifen lassen haben und mitunter faul gewesen sein, was die ohnehin nicht billigen RB-Transfers dieses Sommers verteuert habe. Zur Vertragsverlängerung des derzeit verletzten Schlüsselspielers Dani Olmo habe Eberl von Mintzlaff zum Jagen getragen werden müssen - was möglich ist, aber unterschlägt, dass Olmo erst unterschrieb, als Eberl ihm drei Mal versichert hatte, dass er selbst Leipzig treu bleiben würde. Und dann war da noch die Akquise des neuen Sportdirektors Rouven Schröder, die "viel teurer" geraten sei, als dem Aufsichtsrat, also dessen Chef Mintzlaff, lieb gewesen sei. Sie erweist sich nun aber insofern als Glücksfall, weil Rouven Schröder nun erst mal Eberl beerbt. Hinzu kam die angeblich von Eberl betriebene Absetzung des vormaligen "Kaufmännischen Leiters" der Sportdirektion, Florian Scholz, der ein Mintzlaff-Vertrauter ist.

Eingedenk all dieser kleinen Episoden aus dem Giftschrank überraschte es wenig bis gar nicht, dass Rose im Vergleich zu Mintzlaff überzeugter klang, als er über Eberls Wirken in Leipzig sprach: "Max ist auch Teil dessen, was wir hier im Moment auf dem Platz bringen!", stellte Rose mit Bestimmtheit fest. Und das ließ sich auch im Spiel gegen die Bayern gut erkennen.

Leipzig ist nach dem großen Kaderumbruch weiter in Schlagweite der Bayern

Zum 1:0 (20.) traf der von Eberl beim RC Lens abgelöste Angreifer Loïs Openda, das 2:0 besorgte der aus Lyon verpflichtete Verteidiger Castello Lukeba (30.). Fast hätte es sogar noch ein Made-in-Eberl-Siegtor zum 3:2 für Leipzig gegeben. Stürmer Benjamin Sesko (von RB Salzburg) schaffte es aber in der Nachspielzeit nicht mehr, nach einem Traumpass von Zugang Xavi Simons (von PSG) den riskant weit herausgerückten Bayern-Torwart Sven Ulreich zu umdribbeln.

Es blieb daher beim 2:2, das Harry Kane und Leroy Sané mit ihren Toren in der zweiten Halbzeit für die Bayern herstellten. Das Remis belegte, dass Leipzig nach dem größten Kaderumbruch seiner noch jungen Bundesliga-Geschichte weiterhin in Schlagweite des FC Bayern und des Tabellenführers Leverkusen liegt. Roses Team blüht, übrigens mit reichlich "commitment".

Und was passiert nun mit Max Eberl? Ist er mehr oder weniger frei für den FC Bayern, der den Posten des Sportvorstands noch nicht besetzt, aber in dem Österreicher Christoph Freund erst Anfang September einen neuen Sportdirektor (mit langer RB-Vergangenheit in Salzburg) installiert hat? Freund wand sich, als er am Samstag auf Eberl und dessen mögliche Verpflichtung angesprochen wurde. Derlei gehöre weder zu seinen Kompetenzen, noch komme es in seiner Gedankenwelt vor, sagte Freund. Er sah dabei so aus, als ändere sich das gerade.

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