Zweitliga-Tabellenführer Düsseldorf:Thioune ist Fortunas Glücksbringer

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In seinem Kinderzimmer hing eine Autogrammkarte von Klaus Allofs: Fortuna-Trainer Daniel Thioune. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Als Tabellenerster zum Spitzenspiel: Düsseldorfs Höhenflug hat viel mit Coach Daniel Thioune zu tun, der nicht nur Spiele gewinnen will, sondern auch Menschen.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Als Kind hatte Daniel Thioune eine Autogrammkarte seines heutigen Chefs an prominenter Stelle hängen. Dieses Bonmot verriet der 49-Jährige, als im Januar sein Chef den Vertrag mit ihm bis 2025 verlängerte. Das Souvenir soll dabei allerdings keine begünstigende Rolle gespielt haben. "Ja, ich hatte wirklich eine Autogrammkarte von Klaus Allofs in meinem Kinderzimmer hängen", sagte Fortuna Düsseldorfs Trainer Thioune auch diese Woche schmunzelnd, "aber nicht nur von ihm, sondern von mehreren Nationalspielern der Achtziger, Horst Hrubesch zum Beispiel - oder Karlheinz Förster."

Düsseldorfs Sportvorstand Allofs, 66, ist heute der Vorgesetzte von Thioune, der im Februar 2022 bei der damals auf dem drittletzten Zweitliga-Platz schlingernden Fortuna anfing - und die Mannschaft binnen 19 Monaten nun an die Spitze führte. Diesen Freitag gastiert die Fortuna als Tabellenführer zum Topspiel beim Hamburger SV. Dort hatte Thioune in der Saison 2020/21 ein nur zehnmonatiges Trainerintermezzo.

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Einen Düsseldorfer Zweitliga-Spitzenreiter hat es zuletzt vor fünfeinhalb Jahren gegeben. Im Mai 2018 stieg die Fortuna unter Friedhelm Funkel in die Bundesliga auf - und zwei Jahre später unter Uwe Rösler wieder ab. Der Versuch, erst unter Rösler und dann unter Christian Preußer ins Oberhaus zurückzukehren, misslang. Im Februar 2022 verpflichtete der Klub dann Thioune, und der fand zu einer abstiegsgefährdeten, verunsicherten Mannschaft sofort einen Draht. Von den nächsten zwölf Spielen verlor sie kein einziges und beendete die Saison auf Platz zehn.

Überall freundliche Menschen: Ein Spaziergang am Rhein ist für einen Fortuna-Trainer immer ein guter Stimmungsindikator

"Ich habe mich auf die damalige Mannschaft eingelassen und versucht, aus einem Kern von 16 Stammspielern die zweifellos vorhandenen Stärken mit einem entsprechenden System auf den Platz zu bringen", erinnert sich Thioune. Der Steigflug dauert jetzt schon eineinhalb Jahre, und nicht wenige wünschen sich, dass er in die Bundesliga führt. "In Düsseldorf", sagt Thioune, "wird man von der Erwartungshaltung dieser Stadt und den Sehnsüchten der Fans getrieben. Das ist eine Riesenherausforderung, macht mir aber unheimlich viel Spaß." Wenn er mal Zeit zu einem Spaziergang am Rhein finde, falle ihm auf, dass ihm die Menschen dort ausgesprochen freundlich begegneten. Ein Spaziergang am Rhein ist für einen Fortuna-Trainer immer ein guter Stimmungsindikator.

"Für ihn erfüllt sich gerade ein Traum": Jamil Siebert (links, mit Jona Niemiec), 21, steht in seiner Heimatstadt mit seinem Verein an der Tabellenspitze. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Wenn Thioune von seiner Philosophie des Fußballs spricht, fällt oft der Begriff "Intensität". In den aktuellen Zweitliga-Statistiken ist Düsseldorf Erster bei absolvierten Kilometern und Flanken und Zweiter bei Pässen und Torschüssen. Das wäre noch nicht mal so bemerkenswert, spielten im Kader nicht gleich fünf Neulinge nach nur wenigen Wochen bereits Hauptrollen. Vier davon sind bemerkenswert jung. Neben dem niederländischem Mittelstürmer Vincent Vermeij, 28, vom SC Freiburg II sind die Neuen der griechische Flügelstürmer Christos Tzolis, 21, ausgeliehen von Norwich City, der isländische Mittelfeldspieler Isak Johannesson, 20, ausgeliehen vom FC Kopenhagen, der Sechser Yannik Engelhardt, 22, vom SC Freiburg II und der Innenverteidiger Jamil Siebert, 21, der nach einer Leihe an Viktoria Köln zur Fortuna zurückgekehrt ist. Für die Entdeckung und Verpflichtung solcher Spieler lobt Thioune den Vorstand Allofs und den Sportdirektor Christian Weber in höchsten Tönen.

Vom neuen Schwung lassen sich auch die bewährten Stammkräfte noch einmal zusätzlich anstecken. Shinta Appelkamp, Jordy de Wijs, Matthias Zimmermann und Felix Klaus gehören derzeit zu den besten Spielern der zweiten Liga. So wurde die Mannschaft Spitzenreiter, obwohl ihr zwei der wichtigsten Spieler, Marcel Sobottka und André Hoffmann, derzeit verletzt fehlen.

Thioune hat eine klare Vorstellung vom Fußball, aber er hat eine genauso klare Vorstellung davon, wie er mit seinem Personal zusammenarbeiten will. "Mir geht es nicht nur um Ergebnisse, sondern immer auch darum, Menschen für mich zu gewinnen", sagt er. Das gelingt derzeit ziemlich gut - beschleunigt vom Erfolg. "Junge Spieler wie Isak Johannesson oder Christos Tzolis haben einen unfassbaren Spaß am Fußball, sie sind voller Spieltrieb", sagt Thioune begeistert, "und für Jamil Siebert erfüllt sich gerade ein Traum, weil er als gebürtiger Düsseldorfer in seiner Stadt in seinem Stadion spielen darf."

Thioune kennt die zweite Liga. In Ahlen spielte er einst mit Kevin Großkreutz und Marco Reus in einem Team

Mit im Schnitt 33 500 Zuschauern pro Heimspiel liegen die Düsseldorfer in der zweiten Liga auf Platz vier hinter Schalke (61 300), dem HSV (57 000) und Kaiserslautern (42 700). Damit gehören alle vier Klubs zumindest im Zuschauer-Ranking eigentlich in die Bundesliga.

Thioune, geboren in Georgsmarienhütte bei Osnabrück, ist keiner, der falsche Versprechungen macht. "Ich kann nicht voraussagen, wohin die Reise geht", sagt er, weil man nie etwas versprechen kann in dieser zweiten Liga, die jedes Jahr so eng ist, dass relevante Entscheidungen manchmal sogar erst in der Nachspielzeit am letzten Spieltag fallen.

Thioune kennt diese Liga auch schon als Spieler. Zwischen 2000 und 2010 hat er 126 Zweitligapartien für den VfL Osnabrück, den VfB Lübeck und LR Ahlen bestritten. In Ahlen im östlichen Münsterland spielte er unter anderem mit dem heutigen Elversberg-Sportchef Nils Ole Book, dem heutigen RB-Leipzig-Teammanager Babacar N'Diaye, dem späteren 2014er-Weltmeister Kevin Großkreutz und der heutigen BVB-Legende Marco Reus zusammen. Auch seine Trainerkarriere begann Thioune dort - als Assistent von Arie van Lent.

Nach dem Spitzenspiel beim HSV absolvieren die Düsseldorfer das nächste Heimspiel gegen Thiounes Jugendverein VfL Osnabrück, und am 21. Oktober ist die Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern die erste von dreien im Rahmen des Projekts "Fortuna für alle", bei dem sämtliche Tickets über das Internet gratis vergeben werden. Noch einmal erinnert sich Thioune an seine Kindheit: "Mir war es damals nicht vergönnt, öfter ins Stadion zu gehen", sagt er, und aus diesem Gefühl heraus findet er: "Dieses Projekt, Fortuna für alle, das ist der richtige Weg!" Wenn es für lau dann auch noch Spitzenspiele zu sehen gibt, rennen sie der Fortuna vermutlich die Türen ein.

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