Dritte Liga:Ein letztes Servus

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Er könne den Protest der Fans verstehen, sagt Ingolstadts Tobias Schröck, dem die Verzeiflung auf dem Rasen am Montag deutlich anzusehen ist. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Die Spieler reden vom Tiefpunkt der Saison, die Fans verweigern die Unterstützung und Trainer Guerino Capretti wird entlassen: Die Niederlage gegen die Münchner Löwen reißt den FC Ingolstadt noch tiefer in die Krise.

Von Christoph Leischwitz

Seine letzte Pressekonferenz begann Guerino Capretti genauso wie seine erste, übrigens exakt 60 Tage zuvor: mit einem "Servus zusammen". Der Blick des 41-jährigen Fußballtrainers allerdings war am Montagabend ein anderer, es war ein Blick voller Ratlosigkeit.

Capretti hatte für das gerade Erlebte auch nur hilflose Erklärungsversuche parat. "Ich habe den Jungs vor dem Spiel gesagt: Saugt die Atmosphäre auf", erzählte er nach der 1:3-Niederlage gegen die Münchner Löwen. Leider habe diese "tolle Atmosphäre" mit mehr als 13 000 Zuschauern im eigenen Stadion sein Team "eher ein bisschen abgeschreckt". Was schon allein deshalb wie eine schlechte Ausrede klang, weil der FC Ingolstadt beim Hinspiel im ausverkauften Stadion die Stimmung durchaus aufgesaugt und ein überaus hitziges Derby in München mit 2:1 für sich entschieden hatte.

So stolz waren sie damals, dass sie sich von jenem Besuch im Grünwalder Stadion ein Foto auf Plakatgröße zogen und es an die Eingangstür zum Profibereich hängten. Nur war Capretti damals eben noch gar nicht Trainer in Ingolstadt. Und so bestätigten seine Aussagen nach dem desaströsen Auftreten im Rückspiel nur den Eindruck, dass der Übungsleiter aus Norddeutschland nie so richtig angekommen war bei seinem neuen Verein, Servus hin oder her.

Die Gründe für diesen Auftritt? Capretti stellte sich auf der Pressekonferenz selbst diese Frage, dann antwortete er: "Das muss ich morgen mit den Jungs besprechen." Dazu dürfte es allerdings nicht mehr gekommen sein, denn am nächsten Vormittag um kurz vor zwölf ging die Pressemitteilung der Schanzer nach draußen, wonach Capretti "von seinen Aufgaben entbunden" worden sei.

Ingolstadts Cheftrainer Guerino Capretti ist nach der Niederlage gegen die Münchner Löwen ratlos. (Foto: Stefan Bösl/Imago)

Diesmal kam die Entbindung von den Aufgaben weniger überraschend als beim letzten Mal, als Rüdiger Rehm gehen musste. Capretti hat nur einen Sieg in zehn Spielen vorzuweisen, sechs Partien in Serie verloren und die Mannschaft von Platz sieben auf Platz 14 geführt. Offensichtlich war der Plan gewesen, mit Capretti das Offensivspiel zu beleben, doch dieser Plan ging im Wortsinn nach hinten los. Und für den Abstiegskampf, in dem sich die Schanzer nun befinden, ist diese taktische Ausrichtung ohnehin eher ungeeignet. Man befinde sich aktuell "in einem Schlüsselmoment, in dem wir alles daransetzen werden, die Kurve zu bekommen, um nicht weiter in den Abstiegsstrudel zu geraten", so wird FCI-Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer in der kurzen Mitteilung zitiert. Mit der Bekanntgabe des Nachfolgers ist bis Ende der Woche zu rechnen, vorerst übernimmt Co-Trainer Maniyel Nergiz das Tagesgeschäft.

Diesmal wollen sich die Verantwortlichen mehr Zeit lassen, um die Situation nicht erneut zu verschlimmbessern

Zuvor hatte die Mannschaft oft auch unglücklich verloren, hatte dabei Einsatz gezeigt. Am Montag dagegen müssen sich die Gäste vom TSV 1860 München wie im falschen Film vorgekommen sein. Monatelang waren ja auch sie gefragt worden, wann sie eigentlich mal wieder besser spielen, und plötzlich standen zur Abwechslung tatsächlich ihre Fußballer im Fokus, und das wegen guter Leistungen: der erst 18-jährige Marius Wörl zum Beispiel. Doppeltorschütze Stefan Lex freute sich natürlich über die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte. Vor neun Jahren hatte er für den FC Ingolstadt sein erstes Spiel absolviert - gegen 1860 München.

Während Sechzigs Trainer Maurizio Jacobacci diesmal nur die schlechte Chancenauswertung und einen gewissen Schlendrian in der Schlussphase bekritteln konnte, fiel die Ingolstädter Selbstreflexion schonungslos aus. Capretti fand die Leistung "inakzeptabel", die Spieler sprachen vom "Tiefpunkt der Saison". Tobias Schröck sagte, er könne auch den Unmut der Fans gut verstehen, die sich selbst einen Stimmungsboykott auferlegt und den FC gegen Sechzig gar nicht mehr angefeuert hatten.

Zwischen der Beurlaubung von Rüdiger Rehm und der Verpflichtung von Capretti lagen seinerzeit keine 23 Stunden. Dem Vernehmen nach wird es diesmal ein wenig länger dauern. Offensichtlich wollen die Verantwortlichen etwas gründlicher darüber nachdenken, wie sie es hinbekommen, die Situation nicht schon wieder zu verschlimmbessern. Ohne Frage kommt auf den 14. Trainer innerhalb der vergangenen sieben Jahre eine schwere Aufgabe zu: Zahlreiche Spieler sind verletzt. Einige, die in die Bresche springen müssen, wirken überfordert. Eine übergeordnete Strategie fehlt komplett, zumal nach dem Rücktritt von Malte Metzelder vor drei Wochen im Moment auch die Position des Sportdirektors vakant ist. Das nächste Spiel jedenfalls stellt eine Chance und zugleich eine große Gefahr dar: Ingolstadt tritt am Sonntag beim Tabellenletzten SV Meppen an.

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