2:0 in Bremen:Dortmund kann jetzt Arbeitssieg

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Julian Brandt, eigentlich Künstler in der Offensive, nimmt die Abwehrarbeit gegen Bremen genauso ernst. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Der BVB siegt auch gegen Werder und setzt seine Siegesserie 2023 fort. Es klappt gerade viel bei der Borussia: Die Abwehr harmoniert, die Stürmer verteidigen - und Trainer Edin Terzic wechselt mutig.

Von Thomas Hürner, Bremen

In der fünften und in der 34. Minute war zu sehen, warum Borussia Dortmund einen extrem mühsamen Nachmittag durchlebte. In der fünften Minute suchte Julian Ryerson in der Nähe der Eckfahne nach einer gelb-schwarzen Anspielstation, aber da war es schon zu spät. Der BVB-Verteidiger war längst von zwei grün-weißen Bremern umstellt und der Ball wenig später im Aus. In der 34. Minute empfing Giovanni Reyna einen Pass in der Hälfte des SV Werder, es war keine gefährliche Situation, aber es hätte aus Dortmunder Sicht eine werden können. Reyna versuchte es daraufhin mit einem Hackentrick, der nett gedacht, aber sehr schlecht gemacht war - und der Ball war weg.

In komprimierter Form veranschaulichten diese Szenen die Hürden, die der BVB am Samstag für sein 2:0 nach Toren von Jamie Bynoe-Gittens und Julian Brandt überwinden musste. Für die schwierigste Hürde konnte die Gästemannschaft nicht mal wirklich etwas. Werder war konzentriert und traute sich richtig was zu, ohne sich dabei zu nennenswerten Fahrlässigkeiten in der Defensive hinreißen zu lassen. Die andere Hürde war dafür ein reines BVB-Fabrikat: Die Dortmunder zeigten interessante Ansätze, denen es aber oft an der konsequenten Umsetzung fehlte, wenn nicht gerade der stählerne Jude Bellingham oder der mal wieder wuselige Brandt an den Aktionen beteiligt waren.

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Auf den ersten Blick klingt das also nach jenen Symptomen, an denen der BVB schon seit einigen Jahren krankt und die dazu beitragen, dass der Klub seine großen Ambitionen nicht ganz erfüllen kann. Auf ordentliche Phasen folgten immer welche, in denen die Mannschaft unter notorischer Unproduktivität litt.

Doch seit dem Kalenderjahr 2023 gilt, dass der BVB auch Arbeitssiege kann, und er produziert sie gerade in hoher Stückzahl: Fünf mal in Serie in der Liga nun gewonnen, dazu unter der Woche der Pokalerfolg in Bochum. So einen guten Jahresstart haben die Dortmunder zum bislang letzten Mal 2012 hingelegt - und da hielt der Erfolgslauf so lange an, bis sie am Saisonende Meister waren.

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"Ich bin sehr zufrieden", sagte der BVB-Coach Edin Terzic. "Nicht nur mit dem Ergebnis, sondern auch mit der Art und Weise. Wir wollten zeigen, dass wir bereit sind, alles zu investieren." Die Arbeitsmoral der Dortmunder war in der Tat von Beginn an hoch, nur das mit der Präzision war noch so eine Sache. Die aufgerückten BVB-Außenverteidiger Ryerson und Raphael Guerreiro kamen zu kleinen Torchancen, aber mit der Zeit schafften es die Bremer, ihre Räume besser zu schließen und ihre Grätschen besser zu timen. Der schmächtige Stürmer Youssoufa Moukoko gut von den robusten Werder-Verteidigern bewacht, für die Geistesblitze des Mittelfeldmanns Bellingham gab es (noch) zu wenig Zeit und Raum - und den Dortmundern fehlte deshalb an der Zuspitzung im Angriff.

Die Dortmunder Abwehr neigt seltener zu Schludrigkeiten

Das änderte sich etwas, als nach 29 Minuten für den verletzten Moukoko der sehr robuste Mittelstürmer Haller eingewechselt wurde. Beide Mannschaften wurden daraufhin offensiver, aber das Spiel wurde auch ausgeglichener. Für den BVB hatte Emre Can per Schlenzer die beste Chance, eine Volleyabnahme von Bremens Mitchell Weiser wurde vom Dortmunder Torwart Gregor Kobel gerade noch über die Latte gelenkt. "Die erste Halbzeit war sehr ausgeglichen und in der zweiten Halbzeit haben wir Bremen ins Laufen gebracht und müde gespielt", sagte der Verteidiger Nico Schlotterbeck. "Wir haben es gut wegverteidigt und mannschaftlich gespielt."

Exakt das ist eine der Stärken des 2023er-BVB: Die Abwehr neigt seltener zu jenen Schludrigkeiten, die eine Menge Punkte kosten können. Schlotterbeck und Niklas Süle bildeten erneut die Innenverteidigung und machten ihre Sache routiniert und clever, während sich die Aktivitäten von Mats Hummels auf Dehnübungen am Spielfeldrand beschränkten. Den Dortmundern tut das aktuell gut, weil sie bei Ballbesitz nach vorne schieben können, ohne dass ihnen bei Ballverlusten hinten ständig schnelle Gegenspieler entwischen. Vor allem die Einzelkönner in der Offensive scheinen daraus zusätzliche Sicherheit zu generieren - eine Sicherheit, die ihnen dabei hilft, vorne in den richtigen Momenten ins Risiko zu gehen.

In Bremen trug auch Terzic mit mutigen Wechseln dazu bei: Er brachte den erst 18-jährigen Bynoe-Gittens für den eher reservierten Marco Reus, und es lässt sich behaupten, dass er damit auch den Sieg einwechselte. Bynoe-Gittens traf mit einem statten Schuss aus spitzem Winkel (64. Minute), es war quasi sein erster Ballkontakt. "Wenn wir momentan in Führung gehen, ist es für die Gegner sehr schwer", sagte Brandt, dem ja weiter das Image des schlampigen Talents anhaftet. Doch der 2023er-Brandt ist - wie seine Teamkollegen - eben auch ein disziplinierter Arbeiter, der zuerst ans Ergebnis und erst dann an die Ästhetik denkt.

Nach der Führung jedenfalls präsentierten sich die Dortmunder so routiniert, wie man das von einem nationalen Spitzenteam erwarten darf. Bellingham war wie so häufig der verlässliche Strukturgeber, während sich Brandt für die Veredlung des am Ende verdienten Arbeitssiegs zuständig zeigte. Der Offensivmann traf nach einem schönen Dribbling zum 2:0 (85.) und brachte die Dortmunder Gemengelage hinterher auch sehr präzise auf den Punkt: "Wir haben viel Effizienz auf dem Platz, aber es gibt auch noch das ein oder andere Haar in der Suppe."

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