Doping:IOC vertagt Entscheidung über Russland-Bann

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Lausanne (dpa) - Russlands Sportler hoffen weiter auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) vertagte die mit Spannung erwartete Entscheidung über einen kompletten Ausschluss Russlands wegen des Skandals um jahrelanges Staatsdoping.

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Lausanne (dpa) - Russlands Sportler hoffen weiter auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) vertagte die mit Spannung erwartete Entscheidung über einen kompletten Ausschluss Russlands wegen des Skandals um jahrelanges Staatsdoping.

Man werde zunächst den Ausgang des Verfahrens abwarten, das derzeit vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen des Komplettausschlusses der russischen Leichtathleten von den Olympischen Spielen geführt wird, heißt es in der Mitteilung des IOC vom Dienstag.

Der CAS wollte bis spätestens Donnerstag über den Einspruch der betroffenen Sportler entscheiden. 68 russische Athleten und das Nationale Olympische Komitee Russlands hatten geklagt. Der Weltverband hatte wegen massiver Dopingvorwürfe die Leichtathleten komplett für Olympia gesperrt. Das IOC wird nun abwarten, ob oder in welcher Form die Suspendierung des Verbands Bestand hat.

Allerdings beschloss das IOC andere, vorläufige Maßnahmen gegen Russland. So dürfen weder Offizielle des russischen Sportministeriums noch andere im Report der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA erwähnten Personen zu den Spielen nach Rio reisen. Zudem werde das IOC keine Sportveranstaltungen in Russland organisieren. Dies schließe auch die Europa-Spiele 2019 ein.

Auch sollen Nachanalysen sämtlicher Dopingproben aller russischen Athleten, die 2014 an den Winterspielen in Sotschi teilgenommen hatten, gemacht werden. Zudem berief das IOC eine fünfköpfige Disziplinarkommission, die sich mit der weiteren Aufklärung befassen soll. Die Gruppe solle einen kompletten Ausschluss Russlands gegen das individuelle Recht der Sportler auf eine gerechte Behandlung gegeneinander abwägen. Grundlage sei dafür der Anti-Doping-Code der WADA und die Olympische Charta, teilte das IOC weiter mit.

IOC-Präsident Thomas Bach hatte am Montag nach der Vorlage des Untersuchungsberichts von WADA-Chefermittler Richard McLaren erklärt, das IOC werde die „härtest möglichen Sanktionen“ verhängen.

Die WADA hatte dem IOC und dem paralympischen Komitee IPC empfohlen, einen Komplettausschluss der russischen Sportler von Olympia und den Paralympics zu prüfen. Der am Montag vorgelegte Bericht von WADA-Chefermittler Richard McLaren wirft Russland jahrelanges Doping unter staatlicher Federführung vor. Betroffen sind neben den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auch die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan.

Der Bericht hatte die Sportwelt erschüttert. Russland hat nach Ansicht der Ermittler jahrelang Doping im Spitzensport staatlich geschützt und gefördert. Zwischen 2012 und 2015 seien 643 positive Doping-Proben russischer und ausländischer Athleten in rund 30 Sportarten, darunter auch elf aus dem Fußball, aussortiert worden.

Der Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop, sieht in den WADA-Ermittlungen zum russischen Dopingskandal das Startsignal für umfassende Reformen im Sport. „Der McLaren-Report bietet eine Riesenchance, dass nun wirklich damit begonnen wird, die Dopingbekämpfung auch als strukturelles Problem zu sehen und nicht nur als Versagen Einzelner“, sagte er der dpa.

Russlands Staatspräsident Wladimir Putin kündigte noch am Montag erste Maßnahmen an. Am späten Montagabend wurde bekannt, dass Regierungschef Dmitri Medwedew Vizesportminister Juri Nagornich suspendiert habe. Sportminister Witali Mutko bleibt allerdings im Amt. Putin sehe keinen Grund zur Entlassung des Ressortchefs, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag. „Witali Mutko wird im Bericht der WADA nicht als Ausführender erwähnt - im Unterschied zu anderen“, meinte Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Zugleich kritisierte Putin, dass der Report auf den Aussagen eines Mannes mit „skandalösem Ruf“ basiere - er meinte den Whistleblower Grigori Rodschenkow. Zudem forderte er von der WADA mehr Fakten und bezeichnete den Bericht als Rückfall in die 1980er-Jahre, als der Westen die Spiele 1980 in Moskau und die UdSSR die Spiele 1984 in Los Angeles boykottierten. Damals sei der Sport als Geisel genommen worden. „Jetzt beobachten wir einen gefährlichen Rückfall einer Einmischung der Politik in den Sport.“

Allerdings: Ohne die Aussagen wie die von Rodschenkow wäre das System von den WADA-Ermittlern wohl nur schwer zu enthüllen gewesen. Aus Sicht der Doping-Opfer-Hilfe (DOH) helfen Whistleblower beim Kampf gegen Doping. Der Verband wird deswegen die Russin Julia Stepanowa mit dem Anti-Doping-Preis 2016 auszeichnen. Die russische Leichtathletin hat als zentrale Kronzeugin das systematische und wohl staatlich gelenkte Dopingsystem in ihrer Heimat aufgedeckt.

„Die Enthüllungen von Julia Stepanowa und ihrem Mann Witali Stepanow haben belegt, dass in Russland Geheimdienst und Staatsdoping als Doppelstruktur existieren, um eine rigorose Erfolgsproduktion zu garantieren“, sagte die DOH-Vorsitzende Ines Geipel.

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