Danilo Hondo in der Blutdoping-Affäre:"Mindestens 30.000 Euro"

Lesezeit: 3 min

Danilo Hondo, hier 2012 bei der Tour de France. (Foto: Imago)
  • Die 30 000 Euro, die der frühere Radprofi Danilo Hondo an den Sportmediziner Mark Schmidt gezahlt haben will, übersteigen jede Summe, die Schmidt-Kunden bislang genannt haben.
  • Der Arzt behauptet, er habe Athleten helfen und Pfuscherei verhindern wollen.
  • Nun rücken seine Praktiken in die Nähe des gewerblichen Betrugs.

Von Thomas Kistner und Johannes Knuth

Das Peloton flog dem Ziel entgegen, und die große deutsche Hoffnung befand sich jetzt in einer hervorragenden Position. Seine Teamkollegen hatten ihn an eine Stelle gezogen, von der er gleich davonzischen würde wie eine Rakete von der Abschussrampe. Er war ja überhaupt in großer Form, hatte zuvor diverse Etappen gewonnen. Und jetzt ging es zwar gegen noch größere Namen - das hier war immerhin der Giro d'Italia, die zweitwichtigste Rundfahrt hinter der mit Mythen aufgepumpten Tour de France - aber am Ende waren sie tatsächlich alle chancenlos gegen ihn, diesen verflixt flotten Sprinter aus la Germania. Ein großes Talent sei das, hatten sie in seiner Equipe kurz zuvor geraunt, und die besten Jahre lägen erst noch vor ihm. So war das vor fast genau 18 Jahren, als Danilo Hondo, 27, in Diensten des deutschen Team Telekom beim Giro seinen ersten großen Etappensieg schaffte.

Die Protagonisten von damals haben mit denen von heute nichts gemein - aber es ist schon frappierend, was sich jetzt zum Auftakt des diesjährigen Giro ereignete, 18 Jahre später: Wieder war da ein hochbegabter Deutscher, der in hervorragender Form angereist war, und am Sonntag zog er seinen ersten Etappensieg bei einer großen Tour an Land: Pascal Ackermann fuhr in Fucecchio allen Branchengrößen davon, am Montag wurde er dann Dritter hinter Tagessieger Fernando Gaviria. Der 25-Jährige aus Kandel ist einer, der die Sprints der kommenden Jahre prägen könnte, das hatten sie in seiner Bora-hansgrohe-Equipe erst vor dem Giro gesagt. Auf jeden Fall steht er schon jetzt in einer Reihe mit den prominenten Landsleuten, die einst in Italien im Sprint reüssierten: André Greipel, Marcel Kittel, Marcel Wüst, Danilo Hondo.

Und so hatte das erste große Rundfahrt-Wochenende des Jahres wieder gezeigt, wie rasch Gegenwart und Zukunft von der Historie überspurtet werden können.

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Hondo sagt, er wolle zu seinem Fehler stehen

Wenige Stunden vor Ackermanns Triumph in Italien hatte der Ex-Profi Hondo zum Telefon gegriffen und seinem Arbeitgeber, den Schweizer Verband, eine unappetitliche Kunde überbracht. Er sei 2011, im Herbst seiner Karriere, dem Kundenstamm eines Erfurter Blutdoping-Rings beigetreten. Dieser wurde von dem Sportarzt Mark Schmidt betrieben und flog Ende Februar bei Razzien auf. Seither kooperiert Schmidt mit den Ermittlern, die ARD erfuhr zuletzt von zwei mutmaßlichen deutschen Kunden: vom ehemaligen Eisschnellläufer Robert Lehmann-Dolle und Hondo.

Letzterer entschied sich am Sonntag, bei der ARD auszupacken, während in der Schweiz Abklärungen liefen. Hondo berichtete von "mindestens 30 000 Euro", die er für Schmidts Dienste berappt habe. Ein großer Fehler, aber er wolle nun dazu stehen, er betreue im Schweizer Verband ja auch den Nachwuchs. Swiss Cycling stellte Hondo am Sonntag trotzdem frei.

Der Verband hatte den Deutschen vor vier Jahren eingestellt, obwohl der schon 2005 in ein - freilich umstrittenes - Dopingverfahren verwickelt war. Hondo habe damals bestritten, jemals in weitere Vergehen verwickelt gewesen zu sein, sagte Sportdirektor Thomas Peter jetzt: "Aus heutiger Sicht", fügte er an, "mag sein Engagement naiv sein."

Was Hondo heute sagt, beschäftigt nun auch die Münchner Ermittler, die mit der Blutdoping-Affäre betraut sind. "Wir haben das verfolgt und interessante Informationen erhalten im Hinblick auf die von Hondo genannte Größenordnung seiner Zahlungen an den Arzt und damit die Gewerbsmäßigkeit dieser Dopingpraktiken", sagte Kai Gräber, leitender Staatsanwalt, der SZ. Hondos 30 000 Euro übersteigen ja jede Summe, die Kunden von Schmidt bislang genannt haben. Auch behauptete der Sportarzt bisher, er habe mit seinen Praktiken Athleten helfen und Pfuscherei verhindern wollen. Sollte er, wie von Hondo behauptet, Doping-Einkünfte für den Hausbau aufgewendet haben, würde das die Praktiken stark in die Nähe des gewerblichen Betrugs rücken.

Hondo selbst muss nun fürchten, dass er als Trainer gesperrt wird. Strafrechtliche Sanktionen drohen wohl nicht, da es 2011 noch kein Anti-Doping-Gesetz gegen betrügende Athleten gab. Seine Beichte dürfte dafür weitere Zeugenaussagen provozieren. Und sie rückt ein weiteres Zeugnis der Vergangenheit in ein neues Licht.

Der Radweltverband UCI hatte 2010 alle Tour-Starter nach ihrem Betrugspotenzial bewertet, von null Punkten (unverdächtig) bis zehn (stark dopingverdächtig). Das interne Papier sickerte 2011 ans Licht, in Hondos angeblichem Blutdoping-Jahr. An der Spitze langen der Ukrainer Jaroslaw Popowitsch (der später als Kunde des Dopingdruiden Michele Ferrari genannt wurde) und der Spanier Carlos Barredo (gegen den später ein Blutpass-Verfahren lief).

Die auffälligsten Deutschen: Hondo, acht Punkte, dahinter Andreas Klöden und Tony Martin mit je sieben (letzterer ist bis heute unbescholten). Die UCI beteuerte damals, dass man daraus keine Vergehen ablesen könne und vertiefe sich in Ermittlungen. Die waren nur leider kaum geeignet, Blutdoper wie Hondo zu überführen. Man wolle herausfinden, teilte die UCI damals mit, wie die Liste an die Öffentlichkeit gelangt sei.

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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