Doping:DLV-Präsident Prokop: Report «bietet eine Riesenchance»

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Berlin (dpa) - Clemens Prokop ist beeindruckt vom jüngsten Russland-Report der WADA-Ermittler. "Das ist schon eine sensationelle Leistung", sagte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in einem dpa-Interview.

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Berlin (dpa) - Clemens Prokop ist beeindruckt vom jüngsten Russland-Report der WADA-Ermittler. „Das ist schon eine sensationelle Leistung“, sagte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in einem dpa-Interview.

Doch die Untersuchungen dürften nicht auf ein Land oder eine Sportart begrenzt werden. Die WADA sollte sich jetzt nicht erschöpft zurücklehnen, sondern sagen: „Wir arbeiten jetzt ein Land nach dem anderen ab, bei dem wir berechtigte Zweifel an der Einhaltung des WADA-Codes haben.“

Sie haben sich jahrelang für Aufklärung eingesetzt - nicht nur in der Leichtathletik. Haben die jüngsten Ermittlungen der WADA im Fall Russland nun eine sehr viel weiter reichende Bedeutung?

Prokop: „Dieser McLaren-Report kann der Beginn für umfassende Reformen im Sport sein. Er bietet eine Riesenchance, dass nun wirklich damit begonnen wird, die Dopingbekämpfung auch als strukturelles Problem zu sehen und nicht nur als Versagen Einzelner.“

Sie sind Jurist. Kann man für Dopingsünden einzelner Athleten Kollektivstrafen verhängen? Das hat der Weltverband IAAF im Fall der russischen Leichtathleten ja getan. Trifft man dann nicht auch viele offenbar unschuldige Athleten?

Prokop: „Das Problem ist: Wenn 643 positive Proben vernichtet worden sind - welchen Wert haben denn negative Dopingkontrollen in so einem System? Eigentlich null. Und kann ein Land, das so massiv gegen Dopingregeln verstoßen hat, überhaupt bei Olympischen Spielen starten? Das ist doch die sportpolitische Grundfrage - auch die juristische Grundfrage.“

Nicht nur die Leichtathletik steht nun am Pranger - in dem McLaren-Report werden rund 30 Sportarten genannt.

Prokop: „Für mich war immer klar: Wenn so ein Dopingfördersystem bestanden hat, dann kann es nicht auf eine Sportart wie die Leichtathletik beschränkt sein. Insofern fühle ich mich jetzt in meiner Annahme durch den McLaren-Report bestätigt: Es ist ein Problem des Sports insgesamt und nicht einer isolierten Sportart.“

Sind Sie überrascht von den massiven, detaillierten und zum Teil schockierenden Beweisen, die McLaren vorgelegt hat?

Prokop: „Ich bin einfach beeindruckt, dass so etwas in einem Land aufgedeckt wird, das ja nicht unbedingt transparent in seinen Organisationsformen ist. Das ist schon eine sensationelle Leistung.“

Nun ist das IOC gefragt - was muss passieren, damit die Arbeit der Ermittler letztlich nicht umsonst war?

Prokop: „Sportpolitisch müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden! Wenn das folgenlos bleiben würde, dann würde natürlich der gesamte Kampf gegen Doping ad absurdum geführt und die Glaubwürdigkeit des Sports aufgegeben werden.“

Also Olympia ganz ohne Russen?

Prokop: „Nach den vorliegenden Informationen kann ich mir nicht vorstellen, wie Athleten aus Russland glaubwürdig in Rio starten können.“

Längst werden Forderungen laut, auch andere Länder ins Visier zu nehmen. Die USA? Kenia? Äthiopien? Jamaika?

Prokop: „Ich will da keine Länder nennen. Aber der WADA-Report zu Russland zeigt ja auch, dass man vor großen Namen nicht zurückschrecken kann und nicht darf. Die logische Folge wäre, dass sich die WADA nach dem Russland-Report jetzt nicht erschöpft zurücklehnt, sondern sagt: Wir arbeiten jetzt ein Land nach dem anderen ab, bei dem wir berechtigte Zweifel an der Einhaltung des WADA-Codes haben.“

ZUR PERSON:Clemens Prokop ist seit 2001 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Der promovierte Jurist arbeitet seit fünf Jahren als Direktor des Amtsgerichts Regensburg. Dort hat der heute 59 Jahre alte Sportfunktionär auch studiert. Seit Jahren setzte er sich für den Kampf gegen Doping ein. Prokop war früher Weitspringer.

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