Tennisprofi Dominic Thiem:Raus aus dem Loch

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Langsam auf dem Weg zurück: Dominic Thiem, diese Woche beim Münchner Turnier im Einsatz. (Foto: Jürgen Hasenkopf/Imago)

Zweieinhalb Jahre nach seinem Sieg bei den US Open ist Dominic Thiem weiter auf der Suche nach alter Stärke - den Tiefpunkt glaubt er immerhin hinter sich gelassen zu haben.

Von Felix Haselsteiner

Die Komfortzone war nur ein paar Schritte entfernt. Durch die nasse Kälte, die auf der Anlage des MTTC Iphitos in dieser Woche das Geschehen der BMW Open mitbestimmt, stapfte Dominic Thiem am späten Dienstagnachmittag, nach seinem überraschend einfachen Sieg. 6:3 hatte er den ersten Satz gegen Constant Lestienne gewonnen, dann musste der Franzose verletzt aufgeben. Drinnen im Clubhaus hätte eine warme Dusche auf Thiem gewartet, dann ein Limousinenservice ins Hotel, ein Abendessen, später ein Champions-League-Spiel seines Lieblingsvereins, dem FC Chelsea.

Thiem allerdings schrieb Autogramme, machte Fotos mit den Fans - und bog dann kurz vor der Umkleide nach rechts ab, auf Trainingsplatz 1. Dort begann er, sich erneut warm zu machen für eine intensive Trainingssession, die eine Dreiviertelstunde dauern sollte und ein wenig darüber erzählt, was sich in den vergangenen Wochen bei Dominic Thiem verändert hat.

Die "Komfortzone" hatte er noch ein paar Tage zuvor selbst zum Thema gemacht. Er sei dort "ein wenig reingerutscht" in den vergangenen zwei Jahren, sagte er im Rückblick auf die bislang schwierigste Phase seiner Karriere, über die der 29-jährige Österreicher inzwischen durchaus offen spricht. Nicht etwa, weil er restlos überzeugt davon ist, dass er sie hinter sich gelassen hat - sondern, weil Thiem inzwischen die Selbstsicherheit hat, die dunklen Momente seiner Tenniskarriere nicht mehr verbergen zu müssen.

"Aus heutiger Sicht wollte ich damals zu schnell wieder zu viel"

Zweieinhalb Jahre nach seinem Finalsieg bei den US Open gegen Alexander Zverev steht Thiem nicht mehr auf Platz drei, sondern auf Platz 101 der Weltrangliste. Eine Verletzung am Handgelenk im Juni 2021 hatte ihn aus der Bahn geworfen. Thiem war bis dahin alles zuzutrauen gewesen, bis er dann für insgesamt 280 Tage pausieren musste - auch, weil er zu früh wieder begann: "Aus heutiger Sicht wollte ich damals zu schnell wieder zu viel", sagt Thiem heute. Immer wieder versuchte er, ein schnelles Comeback zu geben - und immer wieder scheiterte er an seinen Schmerzen.

Seit etwas mehr als einem Jahr ist er nun wieder fester Gast der Tour, allerdings mit mäßigem Erfolg. Nur ein Mal schaffte Thiem es seitdem, einen Spieler aus dem Kreis der besten 20 der Weltrangliste zu schlagen. Und selbst der Erfolg gegen den Polen Hubert Hurkazc in Antwerpen im vergangenen Oktober stellte ihn nicht zufrieden: "Es hat einfach nie richtig Klick gemacht", sagt Thiem, der sich in einem Motivationsloch wiederfand, das schon nach seinem Sieg in New York begonnen hatte: "Zuerst habe ich daran selbst nicht geglaubt - und gedacht, ich trainiere einfach ganz normal weiter. Aber so war es eben nicht."

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Matthias Bachinger, 36, beendet seine Laufbahn dort, wo sie einst begann - mit Tränen in den Augen und der Erkenntnis, dass eine Tenniskarriere nicht nur über die Erfolge auf dem Platz definiert wird.

Von Felix Haselsteiner

Thiem galt seine gesamte Karriere über als harter Arbeiter. Er selbst sagt, das spielerische Element, welches ihm seine großen Erfolge gebracht hatte, sei seine herausragende Schlagtechnik, die ihm aufgrund seiner Verletzung einige Zeit lang abhanden kam: "Es war leicht, in dieser Phase den Spaß zu verlieren. Das ist mir dann so passiert."

Es habe daher "Einflüsse von außen" gebraucht, die ihm in den vergangenen Monaten geholfen hätten, besser zu verstehen, dass sein normaler Trainingseifer nicht ausreiche, um noch einmal in die Weltspitze zu kommen. Vor zwei Wochen gab Thiem bekannt, dass er sich von seinem langjährigen Trainer Nicolas Massu trennt, mit dem er seit April 2019 zusammengearbeitet hatte und der damals auf Günter Bresnik gefolgt war - Thiems Trainer seit dessen Kindheit, der ihm viel über Trainingsethos und Schlagtechnik beigebracht hatte. Heute ist Bresnik mit seinem ehemaligen Schützling und dessen Familie zerstritten.

In München begleitet ihn nun der Deutsch-Iraner Benjamin Ebrahimzadeh, der in seiner Trainerkarriere unter anderem schon mit Angelique Kerber und der Französin Alizé Cornet zusammengearbeitet hat. Ebrahimzadeh habe mit ihm an den "Basics des Spiels" gearbeitet, sagt Thiem. Erst einmal möchte er bis zu den French Open mit seinem neuen Coach zusammenarbeiten, mindestens das. Zudem setzt er seit kurzer Zeit auf die Hilfe eines Mentaltrainers: "Ich habe externe Hilfe genommen, was sehr gut war."

Inzwischen ist schon die nächste Generation da

Sowohl Thiem als auch Ebrahimzadeh ist jedoch bewusst, dass eine Rückkehr in jene Sphären, in denen er sich damals eingelebt hatte, ein schwieriges Unterfangen ist. Vor seiner Verletzung scheiterte er - wie Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas und andere Vertreter seiner Altersklasse - meist an Rafael Nadal, Novak Djokovic und Roger Federer. Inzwischen ist die nächste Generation da: Spieler wie der Spanier Carlos Alcaraz und Holger Rune, gegen den Thiem in der zweiten Runde von Monte Carlo verlor, seien "extrem offensiv und sehr unangenehm, weil sie einem keine Zeit lassen".

Um wieder auf dieses Niveau zu kommen, brauche er noch einige Wochen und mehr Selbstvertrauen, sagte Thiem. Oder anders formuliert: mehr Siege. In München trifft er in der zweiten Runde auf den Schweizer Marc-Andrea Hüsler. Die ersten Schritte sind also getan, die Komfortzone hat er nach eigener Aussage genauso hinter sich gelassen wie das Motivationsloch: "Ich spüre, wie ich jeden Tag besser werde und wie ich mich wieder auf die Turniere freue."

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