Ángel Di María:Fadennudel mit Zauberfuß

Lesezeit: 4 min

Ángel Di María im Halbfinale gegen Leipzig. (Foto: Panoramic / POOL / UEFA)

Di María ist neben Neymar und Mbappé der Dritte im teuren Sturmtrio von Paris. Der Argentinier ist ein orthopädischer Spezialfall: Mit dem rechten Fuß ist er dritte Liga, mit dem linken Weltklasse.

Von Oliver Meiler

Auch gute Fußballer haben einen schwächeren Fuß, fast alle. Man sagt auch falscher Fuß, was vielleicht mal eine semantische Gesamtbetrachtung verdienen würde. Bei Ángel Di María, 32, aus dem argentinischen Rosario, ist der rechte Fuß der falsche. Der ist ihm, außer fürs schnelle Laufen natürlich, so unnütz, dass er mit ihm fast nie den Ball berührt. Er lässt ihn das Leder höchstens mal antippen, zurecht schieben - er ignoriert ihn. Alles macht Di María mit links, immer, dafür dreht er sich schon mal in der allgemeinen Konfusion einer Offensivaktion ganz um die eigene Achse, damit der Ball wieder auf dem richtigen Fuß liegt. Und weil er schnell ist, sieht es wie eine Finte aus.

Manchmal aber, wenn Raum und Zeit dafür fehlen, greift er fürs Passen, Flanken oder gar fürs Schießen mit dem linken Fuß zum Kunsttrick, der "Rabona": Das starke Schussbein kreuzt dabei das schwächere Standbein, hintenrum, zum momentanen Beinknäuel. Der Ball entwindet sich daraus wie gelöffelt, serviert mit List. Gelingt die schwierige Nummer, ist das Publikum hell entzückt, sieht ja auch toll aus. Dabei kaschiert die "Rabona" bei Leuten mit sehr ungleich guten Füßen nur eine erstaunliche Schwäche, zumal für Herrschaften dieser Könnenskategorie.

Juan Bernat
:Die Pointe mit dem Unscheinbaren

Wie Uli Hoeneß den Ex-Münchner Juan Bernat einst öffentlich abwatschte, taucht nun wieder aus dem kollektiven Gedächtnis auf: Der Spanier könnte mit Paris dem FC Bayern das Triple vermiesen.

Von Javier Cáceres

Er wuchs im Arbeiterviertel von Rosario auf, ein paar Straßen entfernt von Messi

Ángel Di María, neben Neymar Junior und Kylian Mbappé der dritte Mann im prominenten und teuer erworbenen Sturmtrio von Paris Saint-Germain im Finale der Champions League, ist mit dem rechten Fuß wahrscheinlich so ungefähr dritte Liga, mit links aber ist er Weltklasse. Daheim nennen sie ihn "El zurdo", den Linksfuß, als hätte er nur den. Vor allem aber rufen sie ihn "El fideo", Fadennudel, weil er so hager ist. "Der Linksfuß ist so dünn, dass man denken könnte, er kehre gerade von einem langen Krieg zurück", schrieb einst die spanische Zeitung El País. Und mager ist er geblieben.

Seine Karriere wäre daran beinahe gescheitert, nicht am schwächeren Fuß. Di María wuchs im Arbeiterviertel La Cerámica von Rosario auf, einfachste Verhältnisse, ein paar Straßen nur entfernt von Lionel Messi, der ein Jahr älter ist als er. Der Vater verkaufte Kohle. Der hyperaktive Ángel spielte im Verein des Barrio, bei "El Torito", als ihn Rosario Central entdeckte und gegen eine Transfergebühr von 26 Bällen zu sich holte. Er war damals sieben. Bei Central machten sie sich Sorgen, es könnte ihm die Masse fehlen, um zu bestehen. Dieser linke Fuß aber: Er verzauberte tatsächlich alle.

2007 wechselte er nach Europa. Offerten gab es mehrere, doch die Familie entschied sich für Benfica Lissabon, weil sie da als Ganzes willkommen war. Drei Jahre Estádio da Luz, es sollte das Stadion seiner Anfänge und das Stadion seines bisher größten Erfolgs werden, ein Lieblingsort also - oder, wie Esoteriker sagen würden: ein Kraftort. Dort gewann Di María 2014 mit Real Madrid, seinem zweiten europäischen Klub, die "Décima", den lange ersehnten zehnten Henkelpokal in der ruhmreichen Klubgeschichte. Daran erinnert er nun gerne in jedem Interview, als wäre die Anekdote ein Omen. "Hier in Lissabon habe ich schon mal mit Real gewonnen, ich habe die guten Schwingungen von damals noch in mir drinnen", sagt er. Im Halbfinale gegen RB Leipzig war er der überragende Mann: ein Treffer, zwei Torvorlagen, 3:0. Die Schwingungen!

Bei Real lernte Di María aber auch, dass er zwar ein hoch bezahlter Profi geworden war, aber doch meistens nur die zweite Geige spielen durfte, den De-luxe-Lückenbüßer. Auf den Flügeln stürmten Cristiano Ronaldo und bald auch Gareth Bale. Man kann Di María auf beiden Außenbahnen einsetzen. Die linke wäre sein natürliches Habitat, da liegt der Ball meist richtig. Rechts geht aber auch ganz gut, mit Wechselfuß halt, mit "Rabonas", mit Außenristschlenzern und Korrekturschritten. Carlo Ancelotti erfand in Madrid für Di María, den großen Vorlagenlieferanten, den Chefassistenten der Supersuperstars, eine Rolle im Mittelfeld hinter den Spitzen - mit viel Rückraum. Der "Fideo" ist eben auch dafür bekannt, dass er wahnsinnig viel läuft, bis zur Erschöpfung. "Ich spiele immer so, als wäre ich noch daheim im Barrio, das ist mein Traum", sagt er bei jeder Gelegenheit. Doch in Argentinien bleibt Di Marías liebliche Nostalgie unerwidert. Er wird ständig kritisiert, weil er im Nationalteam nie die Leistungen bot, die ihm in den Vereinen gelangen, weil er Messi mit aller Kreativlast alleine ließ.

Meist stand er im Scheinwerfer, wenn sich andere verletzten: Aber dann war er da, ohne Groll

Nach dem Gewinn der "Décima" forderte Di María mehr Lohn, etwa zehn Millionen Euro sollten es schon sein, das kam bei Real aber nicht gut an. Er wechselte für 75 Millionen Euro zu Manchester United, das war damals sehr viel Geld. Sein Agent in Europa, der Portugiese Jorge Mendes, verdiente kräftig mit. Man nahm "Ángelito" nun plötzlich anders wahr, weniger engelhaft, ihm fehlte der Schutz der ganz großen Namen. Auch sportlich lief es nicht gut, die britische Presse war gnadenlos, nach einem Jahr war es schon vorbei.

Di Marías Frau Jorgelina, seine Jugendliebe aus Rosario, sollte sich später sehr despektierlich über Manchester äußern. "Es war ein Horror", sagte sie, das ständige Grau im Norden Englands, der Regen, diese "bleichen Leute, denen du in den Straßen begegnest und bei denen du nicht weißt, ob sie dich gleich umbringen möchten". Das Interview schlug hohe Wellen, das ist sonst nicht die Art der Di Marías. Vielleicht lag der Zorn auch daran, dass die junge Familie mit den zwei Mädchen einmal in ihrer Wohnung in Manchester überfallen wurde, als sie gerade am Esstisch saß.

Für 63 Millionen Euro ging es nach Paris, Mendes' Handgeld betrug wieder einige Millionen. Di María, die zweite Geige, wurde damals zwischenzeitlich zum Rekordmann der Transfersummen: Rechnet man die 33 Millionen Euro dazu, die Real einst an Benfica nach Lissabon überwies, und die acht Millionen, die die Portugiesen nach Rosario entrichteten, war man bei 179 Millionen angelangt.

In Paris aber waren sie skeptisch. Libération schrieb: "Ist er etwa Faktor X, der PSG mit der Champions League bescheren wird?" Es schwang mit: wohl kaum. Man verdächtigte Di María, er sei nur wegen des Geldes der PSG-Eigner aus Katar da, Frühpensionär mit 27. Und wieder passierte, was bisher immer passierte in seiner Karriere: Er stand meistens nur dann im Kegel der Scheinwerfer, wenn sich andere verletzten und er in einer seiner Paraderollen spielen durfte. Aber dann war er da, verlässlich, ohne Groll.

Di María ist beliebt im Team, ein Dauerlächler. Er soll verantwortlich dafür sein, dass sich Spanisch als Lingua franca in der internationalen Umkleide durchgesetzt hat. Und dass man dort Mate trinkt, das bittere Warmgetränk aus der Heimat, die Heimwehnote aller Argentinier.

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

PSG-Eigner Tamim bin Hamad al-Thani
:Emir mit Faible für Fußball

Scheich Tamim bin Hamad al-Thani aus Katar gehört der Champions-League-Finalist Paris Saint-Germain. Der Sport ist Teil seiner politischen Strategie.

Von Dunja Ramadan

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: