DFB-Testspiel gegen England:Löws neuer Regierungsstil

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Im Londoner Dunkel: Joachim Löw auf der Pressekonferenz. (Foto: Getty Images)

Die größte Herausforderung, seitdem er Bundestrainer ist: Vor der WM in Brasilien steht Joachim Löw unter Druck wie noch nie. Reinreden lässt er sich daher von niemandem und Kritik kontert er scharf - ob aus Dortmund, München oder England.

Von Philipp Selldorf, London

Der Bus der deutschen Nationalmannschaft ist bekanntlich mehr als nur ein Fortbewegungsmittel, er ist auch ein Statussymbol, das sich wie seine Passagiere in fremder Umgebung behaupten soll. Seit Samstag steht er vor den Türen des Hotels im Londoner Regierungsviertel, in dem der DFB seine Abordnung untergebracht hat, und auch in dieser Umgebung, in der das Empire mit ergreifenden Denkmälern seine militärischen Helden ehrt, macht der mächtige Omnibus noch Eindruck. Passanten fragten, ob die deutschen Nationalspieler denn auch in dem riesigen Luxusauto schlafen würden, und wie immer bei den Engländern blieb am Ende ein wenig unklar, ob sie scherzten oder es ernst meinten.

Ganz zweifelsfrei saß Joachim Löw aber mittendrin im ehrwürdigen Haus, als er die Welt über den Stand der Dinge vor dem Testspiel in Wembley am Dienstagabend unterrichtete, genauer gesagt saß er in der holzvertäfelten, säulenbestandenen, mit Kronleuchtern, Kamin und Galerie ausgestatteten Bibliothek und ließ sich offenkundig inspirieren von der feierlichen Kulisse. Er hatte viel mitzuteilen, und er tat dies auf eine sehr bestimmte Art, die ihm so zur Gewohnheit zu werden scheint, dass man von Methode sprechen möchte.

Ein halbes Jahr vor der WM, die seine größte Herausforderung ist, seitdem er als Bundestrainer amtiert, hat sich Löw einen neuen Regierungsstil angeeignet. Er hat schon früher Gebrauch von seinen Rechten und Privilegien gemacht, aber jetzt lässt er alle wissen, dass ihm die Wahrung seiner Rechte und Privilegien nie so wichtig war wie heute, und dass er dafür auch Ärger und Proteste in Kauf nimmt. Beziehungsweise, dass es ihm ganz egal ist, wenn sich wieder ein Herr Watzke oder Hoeneß zu Wort meldet.

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Einsteigen, bitte! Die deutsche Nationalmannschaft mied am Montagabend den Feierabendverkehr in London - und nahm die U-Bahn zum Abschlusstraining im Wembley-Stadion.

Zum Beispiel ging es am Montag wieder darum, dass die Partie in Wembley mit dem Spitzenspiel der Bundesliga kollidiert, am Samstag stehen sich die Dortmunder und die Münchner Nationalspieler als Konkurrenten gegenüber, und nun wurde hier und dort schon ausgemalt, dass es bestimmt Wut und Betroffenheit in Dortmund auslösen werde, wenn Löw in Wembley viel mehr Borussen als Münchner einsetzen werde.

Was er tatsächlich vorhat: Roman Weidenfeller, Marco Reus, Sven Bender und Marcel Schmelzer werden, so hat Löw das angekündigt, in der Startelf stehen, Mats Hummels wird wahrscheinlich mindestens eine Halbzeit spielen. Philipp Lahm und Manuel Neuer sitzen dagegen daheim auf dem Sofa, auf Thomas Müller, Mario Götze, Jerome Boateng und Toni Kroos warten eher Teilzeiteinsätze.

Dass nun wieder von dem "Spannungsfeld" zwischen DFB-Team, Dortmund und München die Rede war, das kam Löw aber gerade recht. Es gab ihm Gelegenheit festzustellen, dass ihn erstens dieses Spannungsfeld nicht interessiert ("Dortmund gegen Bayern ist nicht mein Thema, ich als Nationaltrainer schaue auf die beiden wichtigen Tests, die bis zur Nominierung im Mai noch bleiben"). Und dass er zweitens überzeugt ist, dass es dieses Spannungsfeld gar nicht gibt, weil weder die Sportler das Problem sind ("die Spieler wollen alle spielen") noch die Kollegen Jürgen Klopp und Pep Guardiola ("glaube nicht, dass sie sich beschweren werden"). Vielleicht möchte sich "der eine oder andere Offizielle" beklagen, räumte er ein, "aber ehrlich gesagt: Das ist mir dann auch nicht so wichtig". Beziehungsweise wurstegal.

Abgesehen davon, dass er die Spannungen für imaginär hält, fände Löw es aber auch falsch und gefährlich, wenn den Spielern suggeriert werde, sie könnten nicht am Dienstag in Wembley und am Samstag in Dortmund ihre volle Leistung bringen. "Ich bitte Sie", sagte er, eher streng als gnädig: "Das sind junge Spieler, wenn das ein Problem ist, dann entwickelt sich alles in die falsche Richtung."

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:Löw setzt auf Weidenfeller und Sven Bender

Rigoroser Umbau gegen England: Für das Testspiel im Wembley-Stadion wird Bundestrainer Löw seine Startelf voraussichtlich auf gleich acht Positionen verändern. Weidenfeller hütet erstmals das deutsche Tor, der Dortmunder Bender soll den verletzten Khedira ersetzen.

Wo er gerade so energisch dabei war, hat Löw auch den Engländern eine Lektion erteilt, die gerade damit angefangen haben, beleidigt zu sein, weil die Deutschen Philipp Lahm und Mesut Özil zu Hause ließen, um zur Feier des 150. Geburtstags des englischen Verbandes mit einer "eher experimentellen Mannschaft" zu spielen, wie es der Reporter der Sun formulierte. Und mindestens ebenso pikiert ist man auf der Insel, dass Löw am Freitag in Italien offenbar in Bestbesetzung spielen ließ.

Dieser Auffassung hat der DFB-Trainer explizit nicht widersprochen. In Mailand spielte die gedachte deutsche Bestbesetzung, das hat Löw bestätigt, was auch als Botschaft an die Dortmunder Reus und Schmelzer gemeint war, die sich von Marcel Jansen und André Schürrle haben überholen lassen. Weshalb Reus und Schmelzer nun gegen England ran müssen. "Aber", fügte Löw hinzu, nun seinerseits etwas beleidigt, "ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass bei uns eine B-Mannschaft spielt oder wir respektlos wären gegenüber unserem Gegner."

Dass Löw einen Torwart von 33 Jahren debütieren lässt, das ist auf der Insel dagegen von niemandem in Frage gestellt worden. Auf das deutsche Torhütervorkommen sind die Engländer noch neidischer als auf die deutschen Mannschaftsbusse.

© SZ vom 19.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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