DFB-Sieg gegen Rumänien:Ein Joker namens Müller

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Thomas Müller kam spät ins Spiel, doch er war der entscheidende Mann gegen Rumänien. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Der Sohn eines "Karpaten-Maradona" ärgert die deutsche Elf mit einem Sololauf, doch dann drehen zwei Bayern-Profis die Partie. Das 2:1 gegen widerspenstige Rumänen bringt Hansi Flicks Team der WM in Katar ganz nah.

Von Philipp Selldorf, Hamburg

Was der Uefa ihr Champions-League-Bettlaken, das seit bald 30 Jahren rituell über dem Anstoßkreis gewedelt wird, das ist dem DFB neuerdings sein ebenso großzügig dimensioniertes Adlerwappen. Fanfarenklänge begleiteten die Helfer und Helfershelfer, als sie das Tuch schüttelten, im Volkspark wurde Spektakelstimmung zelebriert. 25 000 Besucher waren gekommen, das Haus sei ausverkauft, meldete stolz der Stadionsprecher, und auch von norddeutsch kühler Stimmung konnte keine Rede sein.

Die jederzeit temperamentvollen Zuschauer trugen ihren Teil zu einem bewegten und spannenden Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Rumänien bei, in dem sich die Hausherren lange Zeit vergeblich mühten, ehe sie doch noch als verdiente Sieger vom Platz gingen. Der Treffer zum entscheidenden 2:1 in der 81. Minute war das Ergebnis eines geglückten Dreiklangs: Ecke - Thomas Müller - Tor. Der Münchner triumphierte in ungewohnter Rolle - er war erst eine Viertelstunde vorher eingewechselt worden.

"Die Mannschaft hat gefightet, nie aufgesteckt und mit Selbstvertrauen gespielt. Am Ende ist der Sieg mehr als verdient, wir haben über weite Strecken das Spiel bestimmt", lautete das Fazit des Bundestrainers nach dem Spiel.

Rumänien wollte die Deutschen ärgern

Was die Rumänen vorhatten, das gaben sie gleich nach dem Anstoß demonstrativ entschlossen zu erkennen: Ärgern wollten sie den großen Gegner, der sich zuletzt mit drei Siegen auf einen Streich hervorgetan hatte, ärgern - und nach Möglichkeit auch mehr als das. Zunächst schien es vor allem aber der türkische Schiedsrichter Cüneyt Cakir zu sein, der etwas gegen einen Aufstand des Außenseiters hatte: Einen Tiefenlauf von Timo Werner belohnte der Referee mit einem Elfmeter, nachdem der Angreifer beim Zweikampf mit Andrei Burca zu Boden gegangen war.

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Das DFB-Team dreht in einem sehr munteren Spiel einen 0:1-Rückstand in einen 2:1-Sieg gegen Rumänien. Serge Gnabry und der eingewechselte Thomas Müller erzielen die Tore.

Nein, nein, keine Diskussion, wimmelte Cakir die protestierenden Rumänen ab' Joshua Kimmich machte sich schon zur Ausführung bereit. Bis sich der Videokollege meldete und dem Spielleiter Zweifel anzeigte. Mit Recht: Cakir stornierte seinen Entscheid, die eigentlich fällige gelbe Karte für Werner ließ er gnädig stecken.

Hansi Flick hatte keinen Anlass gesehen, die Erfolgsformation der September-Trilogie zu ändern, lediglich Kai Havertz musste Marco Reus weichen, Thomas Müller musste daher vorerst mit dem ungewohnten Platz auf der Bank vorliebnehmen. Dort machten sich kurz nach dem entwendeten Elfmeter Erstaunen und Unruhe breit. Die Rumänen setzten einen überraschenden Programmpunkt, indem sie zielstrebig zum Führungstreffer übergingen.

Ianis Hagi, 22 Jahre alter Sohn des großen Gheorghe Hagi - seinerzeit "Karpaten-Maradona" genannt - ließ bei seinem Solodurchmarsch in den Strafraum die verhinderten Verteidiger Thilo Kehrer und Antonio Rüdiger kunstvoll hinter sich und auch dem Torwart Marc-André ter Stegen keine Abwehrchance (8. Minute).

Ter Stegen, kurzfristig für Manuel Neuer (Adduktorenprobleme) ins Team genommen, kennt solche Situationen aus 26 oft unseligen Länderspieleinsätzen zur Genüge: Bevor er überhaupt einen Ball hat halten dürfen, muss er ihn schon aus dem Tor holen. Ter Stegen und die Nationalelf - das hat den Charakter einer Mesalliance.

Für ein paar Minuten reagierte die deutsche Mannschaft durchaus geschockt, es gab noch einen weiteren, nicht ungefährlichen Vorstoß der alles andere als zurückhaltenden Gäste (durch Mittelstürmer George Puscas, 11.), und mancher Zuschauer fragte sich wohl: Was passiert hier gerade? Dann aber kamen die Deutschen, nicht gewaltig und unwiderstehlich, aber zumindest stetig.

Bis zur Pause kreiselte das Spiel nun vorwiegend rund um den rumänischen Strafraum, gelegentlich fand der Ball auch hinter die Verteidigungslinien, doch ernsthaft torgefährlich wurden die Hausherren selten. Ein strammer Schuss und eine verirrte Flanke von Serge Gnabry sorgten vorübergehend für Raunen, mehr nicht. Leroy Sané mühte sich eifrig, blieb aber oft stecken; Kimmichs Tiefenpassversuch kehrten regelmäßig zurück zum Absender; Timo Werner lief immer gerade dort herum, wo der Ball nicht hinkam. Die Stimmung war trotzdem gut, was auch Müller nach dem Spiel anmerkte: "Man muss auch ein Kompliment an die Fans machen: Obwohl wir mit 0:1 zurücklagen, wurde die Leistung honoriert, und als dann das 2:1 fiel, war es schon eine kleine Explosion. Man hat die Verbindung gespürt, wir haben das auf dem Spielfeld sehr genossen."

Die zweite Hälfte begann, wie die erste geendet hatte, Deutschland rannte vereint gegen den Rückstand an - und hatte bald Erfolg damit. Serge Gnabry bestätigte seine Schuss- und Torjägerqualitäten mit dem 1:1. Hansi Flick blickte trotzdem ernst über den Rasen, und es sollte trotz der nicht zu beanstandenden Bemühungen seines Teams noch lange dauern, bis er sich etwas entspannen konnte. Die Zahl und Güteklasse der Chancen nahm zu, die Zahl der Treffer nicht. Reus und Sané schossen den Ball auf die Tribüne statt ins Netz, und als wieder mal Gnabry im Begriff war, die Versäumnisse der Kollegen zu korrigieren, stand die Hacke von Sané im Weg. Erst der Joker namens Müller brachte doch noch den Erfolg.

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