Razzia beim DFB:Und nun?

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Rainer Koch schaltete und waltete jahrelang im deutschen Fußball, nun hat er seinen Rückzug von wichtigen Ämtern angeboten. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Die aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften könnten auch den DFB-Bundestag und insbesondere die Kandidatur von Rainer Koch beeinflussen. Es droht eine Kampfabstimmung.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt/München

Die Erschütterungen sind wieder groß im Deutschen Fußball-Bund. Seit Donnerstag treibt den DFB das neueste von diversen Ermittlungsverfahren um: Diesmal geht es um den Verdacht der Untreue in Bezug auf einen 360 000 Euro teuren Vertrag mit einer Kommunikationsagentur. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob es sich dabei um einen "Scheinvertrag" gehandelt habe.

Der DFB beteuert zwar, das Verfahren ziele weder gegen den Verband noch gegen dort in der Verantwortung stehende Personen. In der Tat ermittelt die Strafbehörde gegen den früheren DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius, 46, und - wegen des Verdachts auf Beihilfe - gegen den Agenturchef Kurt Diekmann, 75, der den Vorwurf zurückweist. Doch eine Woche vor dem Bundestag wirken sich die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft auch auf die Debatten rund um die avisierte Neuaufstellung des Verbandes aus.

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:Razzia wegen eines Vertrages

Der DFB kommt nicht zur Ruhe: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue. Anlass ist eine 360 000 Euro teure Vereinbarung mit dem Berater Kurt Diekmann. Die Vermutung der Behörde: ein Scheinvertrag.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Das betrifft insbesondere Interimspräsident Rainer Koch, der beim Bundestag als oberster Amateur-Vize den Platz für seinen alten Kompagnon Ronny Zimmermann (Baden) räumt. Aber er will einen Vize-Posten im DFB-Präsidium behalten, die Grundlage für seine üppig dotierte Vorstandstätigkeit in Europas Fußball-Union.

Koch ist aber nicht nur ein alter Bekannter des Medienberaters Diekmann. Der interne Prüfungsausschuss, der wegen all der Ungereimtheiten rund um den teuren Vertrag im Vorjahr eingesetzt wurde, fand heraus, dass Koch massiv am Zustandekommen der Kooperation beitrug. Das verraten interne Stellungnahmen - darunter eine von Schatzmeister Stephan Osnabrügge, der den Diekmann-Vertrag im Herbst 2019 mit Curtius unterschrieb und nun das Schatzamt abgibt. Osnabrügge schrieb an die Prüfer, dass vom aktuellen Präsidialausschuss "nur der Generalsekretär ( also Curtius, der damals noch im Amt war und später zurücktrat; d.Red.) sowie Dr. Koch am Zustandekommen des Vertrages" beteiligt gewesen seien. Koch erklärte, dass er Osnabrügges Statement nichts hinzuzufügen habe: "Die Inhalte treffen zu."

Kommt es zur geheimen Kampfabstimmung zwischen Rainer Koch und der Sportwissenschaftlerin Silke Sinning?

Noch eine Affäre - die neuen Strafermittlungen treffen den Verband in aufgewühlter Verfassung. Die Drähte intern glühen jetzt noch heißer. Manche Funktionäre fragen sich, ob das nicht Konsequenzen haben sollte am DFB-Bundestag, bei dem entweder der von Kochs Amateuren bevorzugte Favorit Bernd Neuendorf oder Außenseiter Peter Peters Präsident werden soll. Unter Delegierten im südwestdeutschen Raum wird diskutiert, ob man diejenigen, die am Diekmann-Vertrag beteiligt waren, nun überhaupt entlasten kann. Und wie schräg das im Zweifel aussähe: einem Funktionär die Entlastung zu verweigern - um ihn dann ins Präsidium zu wählen.

Solche Fragen spitzen die Lage für Koch zu. Auch im Amateurlager ist er inzwischen umstritten, eine geheime Kampf-Abstimmung erscheint unausweichlich. Gemäß Reglement steht jedem der fünf Regionalverbände ein Vizepräsident zu, dem süddeutschen sogar zwei. Im ersten Wahlgang können beim Bundestag nur Funktionäre gewählt werden, die aus dem jeweiligen Regionalverband vorgeschlagen sind. Der süddeutsche Verband nominierte für seine beiden Posten Zimmermann und Koch. Aber es wuchs der Druck auf die Mitglieder, neben dem alten Duo auch die hessische Funktionärin Silke Sinning vorzuschlagen, die für das Team von Peters antritt. Es dürfte nach SZ-Informationen daher nun ein Duell zwischen Koch und Sinning um einen Vize-Posten geben. Kochs Bayern-Verband selbst wolle Sinning nominieren, heißt es. Das böte den 262 Delegierten die Chance, zu entscheiden, ob sie Koch weiter im Spitzengremium sehen wollen.

Warum diese plötzliche Kehrtwende? Noch im Januar wurde im süddeutschen Verband enormer Druck auf die Hessen ausgeübt - weshalb der dortige Landeschef Stefan Reuss Sinning (und den gleichgesinnten Schatzmeister Ralf Viktora) wegen deren Hinwendung zum Peters-Lager aus den Spitzengremien werfen wollte. Das autokratische Ultimatum für die beiden: Rückzug von der Kandidatur - oder Rücktritt aus dem Verbandspräsidium. Weshalb nun umso peinlicher wirkt, dass just Kochs Bayern die Rebellin Sinning vorschlagen. Ein Affront für Hessen, die viel über DFB-Politik lernen. Aber auch ein Schritt, der Fragen nach Kochs Strategie am DFB-Wahltag aufwirft. Denn bei einer geheimen Wahl, die nicht nur das Profilager bedingungslos anstrebt, dürfte die Sportwissenschaftlerin nicht aussichtslos sein. Vielleicht setzt der ausgebuffte Funktionär darauf, dass Sinning ja schon vor der Abstimmung die Segel streichen wird: Falls ihr Teamführer Peters die Präsidentenkür gegen Neuendorf verliert.

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